Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Thomas Marschler / Klaus von Stoch (Hg.): Verlorene Strahlkraft

 

„Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen“. Mit diesen Worten von Don Bosco schließt Martin Dürnberger seine Überlegungen zum „Leidenschaftlichen Zeugnis“ ab. Diese „unaufgeregte Haltung“, für die er wirbt, findet sich in den zehn Aufsätzen zum Glaubenszeugnis in unserer Zeit in unterschiedlichem Maße.

Angekündigt werden kontroverse Standpunkte, die sich um die Frage bewegen, ob die Zukunft des christlichen Glaubens eher in der Rückbesinnung auf die eigene christliche Identität besteht oder in einer Praxis, die entschiedener gesellschaftliche Pluralität und Individualität ernst nimmt. Neben zwei Beiträgen, die sich grundsätzlich mit der Thematik „Glauben“ und „Zeugnis geben“ befassen, thematisieren die übrigen jeweils das Verhältnis zum Islam bzw. zu nichtreligiösen Menschen. Die Schwerpunkte liegen teils auf grundsätzlichen Überlegungen, teils auf möglichen praktischen Erwägungen und Erfahrungen.

Bestimmt man den Begriff „Glauben“ mit Saskia Wendel als Haltung eines auf Vertrauen gründenden Überzeugtseins (13), so zeigt sich darin, dass Glauben auf die gesamte Existenz bezogen ist. Von daher wird Wendels Schwerpunktsetzung auf die „Praxis“ je nach Praxisbegriff trivial oder fragwürdig, insbesondere dann, wenn das „rechtfertigende Verfahren“ fokussiert ist auf die „normative Richtigkeit“ (17). (Ein Problem ist, dass der Begriff der Praxis in diesem Zusammenhang nicht hinreichend geklärt wird.) Dass die Aussicht auf „ein Leben in Fülle“ unsere Wirklichkeit bestimmt, ist keine normativ begründbare Hoffnung.

Überzeugender erscheint mir der Beitrag von Thomas Marschler, der das spannungsvolle Verhältnis von Inhalt und Vollzug des Glaubens nicht einzuziehen oder einseitig aufzulösen sucht. In Anlehnung an Edmund Arens zeigt er, dass das Glaubenszeugnis auf unterschiedliche Weise vollzogen werden kann, und er verweist auf die Vorläufigkeit des Bekenntnisses. Die Bedeutung der Kirche als Bekenntnisgemeinschaft und das reale Erleben dieser Gemeinschaft als solche in der Liturgie sieht er als Quelle, die das Bekenntnis in Form von martyria und diakonia ermöglicht.

Die Beiträge, die sich mit dem Glaubenszeugnis gegenüber dem Islam befassen, scheinen mir unter dem Aspekt interessant, inwiefern man den Blick eher auf das Verbindende oder das Trennende richtet, inwiefern man die Gegensätzlichkeit erträgt und welche Absichten dann daraus folgen. Felix Körner zeigt unter der Fragestellung „Glauben Christen und Muslime an denselben Gott?“, dass derartige Fragen so unterschiedlich verstanden werden können, dass sie von derselben Person, je nach deren Verständnis der Fragen, konträr beantwortet werden können. Josef Niewiadomski argumentiert gegen eine Reduzierung des Glaubensinhalts auf das Gemeinsame der Religionen im christlich-islamischen Dialog. Am Beispiel des Trappistenpriors von Tibhirine Christian de Chergé zeigt er auf, wie man einen eigenen christlichen Standpunkt bewahren und bezeugen kann, ohne den Standpunkt anderer geringzuschätzen.

Konträre Positionen vertreten Klaus von Stosch und Christian W. Troll bei der Frage, ob das Glaubenszeugnis gegenüber dem Islam ausdrücklich auf die Konversion abzielen sollte. Von Stosch argumentiert dagegen, verweist dabei vor allem auf die Gemeinsamkeiten und zieht die Möglichkeit in Betracht, dass ein Konvertit auch Muslim bleiben kann (79). Das ist angesichts der hier nicht thematisierten Bedeutung Mohammeds für religiöse Identität im Islam sehr fragwürdig. Andererseits frage ich mich, ob es tatsächlich einladend wirkt, wenn, wie bei Troll, die Konversion des Muslims zum „katholischen Glauben“ explizite Zielvorgabe ist.

Das Zeugnis in der säkularen Welt findet seinen Anknüpfungspunkt in der Suche nach „dem richtigen Leben“, dem Authentischen und Leidenschaftlichen, so Martin Dürnberger. Der Glaube eines „leidenschaftlichen Zeugen“ muss dabei aber „bleibend irritationssensibel“ (113) sein.

Jörg Spletts Gedanken bewegen sich im Rahmen der Frage nach dem Menschen im Spannungsfeld von Leiderfahrung und Erfahrung des Guten. In der Erfahrung, dass der Mensch durch sein Gewissen in Anspruch genommen wird, eine Erfahrung, die Splett als Gotteserfahrung deutet, gibt es für jeden Menschen einen Zugang zum Glauben. Das Glaubenszeugnis hat vor allem seinen Ort im alltäglichen Leben aus dem Glauben.

Die beiden letzten Aufsätze erzählen Beispiele der Begegnung von Christen und Nichtchristen. Reinhard Hauke beschreibt Projekte in Erfurt, die Möglichkeiten aufzeigen, wie das Glaubenszeugnis in einer einladenden Weise gelebt werden kann. Karl Wallner beschreibt die Erfahrungen, die er besonders mit religionsfernen Gästen des Stiftes Heiligenkreuz gemacht hat, die dort in die Praxis des Betens eingeführt wurden. Er sieht solche Orte als notwendig für ein wirksames Glaubenszeugnis an.

Abschließend möchte ich feststellen, dass die Lektüre viele Fragen aufwirft und damit anregen kann weiterzudenken. Die einzelnen Aufsätze können auch unabhängig voneinander gelesen werden. Wichtig erscheint mir, dass man die Spannung zwischen einem eigenen christlichen Standpunkt und der Achtung konträrer Auffassungen nicht einzieht und dabei die „unaufgeregte Haltung“ Don Boscos wiedergewinnt und sich bewahrt.

Welches Glaubenszeugnis heute gefragt ist
Theologie kontrovers
Freiburg: Herder Verlag. 2018
156 Seiten
16,00 €
ISBN 978-3-451-38046-4

Zurück