Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Thomas Menges / Martin W. Ramb (Hg.): Patrick Roth: Die Christus Trilogie

Über den Sinn und die Existenzberechtigung des schulischen Religionsunterrichts in Deutschland entbrennt in gewisser Regelmäßigkeit eine kontrovers geführte Diskussion. Am Anfang dieses Jahres wurde sie erneut angestoßen durch einen nahezu ganzseitigen Artikel des prominenten Journalisten Jürgen Kaube im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Erfreulicherweise plädiert weder Kaube noch die Mehrheit der Stimmen, die sich in der Debatte zu Wort gemeldet haben, für eine Abschaffung des schulischen Religionsunterrichts zugunsten eines Pflichtfachs Ethik, allerdings muss, darin ist Kaube Recht zu geben, der intellektuelle Anspruch des Religionsunterrichts, damit dieser attraktiv und allseits geschätzt bleibt, dringend erhöht werden. Eine hin und wieder festzustellende Verengung auf bloß individualtherapeutische Förderung, pastorale Begleitung und sozialkritische Themen, bestenfalls illustriert durch entsprechende Belegstellen aus der Bibel, gefährdet dieses Anliegen.

Wie gut daher, dass immer wieder Hilfen für die Praxis herausgegeben werden, die ein hohes kognitives Anspruchsniveau auf der Grundlage gediegener theologischer Reflexion, intensiver methodisch-didaktischer Aufbereitung und sinnvoll ausgewählten Materials aus der wissenschaftlichen Sekundärliteratur für den Unterrichtsgebrauch anbieten. Bei dem Werkbuch zu Patrick Roths „Christus Trilogie“ handelt es sich um ein solches Opus. Dass kognitive Herausforderungen eine kreative Auseinandersetzung mit literarischen Ganzschriften nicht ausschließen, sondern im Gegenteil einen solchen Schritt nahelegen, stellen die Autorinnen Beatrix Mählmann (zu „Riverside“), Johanna Dransmann (zu „Johnny Shines“) und Ute Lonny-Platzbecker (zu „Corpus Christi“) eindrucksvoll unter Beweis. In allen drei Fällen werden Unterrichtsideen begründet und zielsicher konkretisiert. Bei Mählmann gipfelt dies in einem konstruktiven Rekurs auf den Stellvertretungsgedanken, während es Dransmann wesentlich um eine Aktualisierung der Begriffe „Besessenheit“ und „Sünde“ geht. Lonny-Platzbecker wiederum findet einen Zugang zur Thomas-Figur durch das Persönlichkeitskonzept von C.G. Jung. Hervorzuheben sind in ihrem Vorschlag die mitabgedruckten Interviews mit den Theologen Hans Kessler und Gerhard Lohfink, die auch für andere Unterrichtszwecke verwendet werden können.

Gerahmt werden die Unterrichtssequenzen der drei Lehrerinnen durch weitere Beiträge, die eine literarisch-theologische Verortung von Roths „Christus Trilogie“ im Kontext seines Werkschaffens, das bekanntermaßen durch archaisierende, symbolhafte, verrätselte Sprache, Neologismen, Bezüge zu biblischen Stoffen und der Welt des Traums sowie des Unterbewussten geprägt ist, intendieren. Inhaltlich, so die beiden Herausgeber im Vorwort, liegt der Schwerpunkt auf „den alterslosen Themen von Leid, Hoffnung, Erlösung und Heilung“. Dabei entsteht jeweils eine Erzählung, die charakterisiert werden kann als „moderne apokryphe Schrift, die dem Original zum Verwechseln ähnlich ist“. Ähnlich spricht Georg Langenhorst in dem Kapitel „Schnittstellen zwischen dem Numinosen und dem Bewusstsein“ von „fiktionalen Apokryphen“ und wendet sich gegen ein einseitiges Verständnis des Historischen: „Historisierung dient ihm [scil. Patrick Roth] zur Umrahmung und Ermöglichung der von ihm selbst erzählten Geschichte, die ihre eigene Stimmigkeit in sich trägt und deshalb nicht an historischer Richtigkeit zu messen ist.“ Durch solche Erwägungen erhält der Begriff der „Transzendierungskompetenz“, der im Zusammenhang von PISA und Diskussionen über ein angemessenes Bildungsverständnis leider allzu selten fällt, eine gleich zweifache Bedeutung: Zum einen wird plausibel, dass es ein Tertium zwischen fake news und Faktizismus gibt, zum anderen wird das erzieherische Wirken von uns Religionslehrern im Hinblick auf einen zu schulenden „Möglichkeitssinn“ legitimiert. Dieser zielt, so Roth selbst in dem im Band enthaltenen Interview mit den Herausgebern und Holger Zaborowski, auf ein „Geheimnis“, dem eine Gotteserfahrung zu korrespondieren vermag und dem literarisch sich zu nähern der Traum eine fruchtbare Anknüpfung bietet: „In meinen Werken spielt der Traum eine so große Rolle, weil er uns Bilderfahrungen am Numinosen gewährt.“ Einen schönen Abschluss findet das Werkbuch mit einer Betrachtung von Thomas Menges, die sich auf das farbig abgedruckte Bild „Freudenmahl im himmlischen Jerusalem“ der Künstlerin Marie-Luise Reis stützt.

Ein Werkbuch mit Unterrichtsideen für die Sekundarstufe II in Religion und Deutsch
Kevelaer: Lahn Verlag. 2018
94 Seiten m. farb. Abb.
14,95 €
ISBN 978-3-784-03570-3

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