Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Ulrich L. Lehner: Die Katholische Aufklärung

Weltgeschichte einer Reformbewegung

Die englische Ausgabe der Monographie des aus Deutschland stammenden, an der Marquette University in Milwaukee lehrenden Ulrich Lehner wurde als „Pionierleistung“ bezeichnet. In der Tat gibt es keine vergleichbare Studie, die „Katholische Aufklärung“ in einem so breiten Ausmaß analysiert und rehabilitiert. In sieben Kapiteln zeigt Lehner, dass Katholiken in viel größerem Ausmaß an dem geistigen, politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Aufbruch der Frühen Neuzeit beteiligt waren und in der Verbindung von Glaube und Vernunft Lösungsmöglichkeiten anboten, als es antikirchliche Strömungen vermochten. Dabei verfällt er nicht der Versuchung einer unkritischen Apologetik, sondern sieht die Katholische Aufklärung in einer Reihe mit der Wiederaufnahme der tridentinischen Reform im 18. Jahrhundert, der Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils und dem Paradigmenwechsel des Papsttums durch Papst Franziskus. Katholische Aufklärung ist für Lehner eine „Reformbewegung“, für die er Beispiele aus den mitteleuropäischen Ländern ebenso heranzieht wie aus Nordamerika, Lateinamerika sowie Asien und Afrika. In all diesen Ländern findet Lehner Beispiele für die Anliegen der Katholischen Aufklärung, nämlich Kirchenreform und intellektuelle Offenheit für die Kultur.

Eine zentrale Rolle für das Heimischwerden von Toleranz im katholischen Raum spielten der Jansenismus in der Auseinandersetzung mit den Jesuiten und der politischen Umsetzung vor allem unter Joseph II. und gegen den ausdrücklichen Willen der römischen Kurie. Die notwendige „katholische Lernkurve“ (59) illustriert Lehner mit der Emanzipation der Frau von der alleinigen Macht der Männer; gegenseitige Liebe und Zärtlichkeit gehörten wesentlich zu katholischer Eheauffassung dazu. In den Kolonien waren katholische Aufklärer führend in der Reform der Erziehung, in der Förderung der Naturwissenschaften und in den Regierungsformen. In der Fortsetzung der tridentinischen Reformen verstärkte sich die Skepsis gegenüber Wundern und Aberglauben ebenso wie gegen Hexen- und Geisterglauben. Gefördert wurde die Liturgiewissenschaft.

Erhellend sind die Ausführungen über das Heiligkeitsmodell der katholischen Aufklärung. Die Beispiele weisen hin auf die unverlierbare Würde des Menschen, auf Protest gegen die Oberhoheit des Staates, auf das Recht auf freie Religionsausübung und die Verteidigung der Gewissensfreiheit gegen Intoleranz des Staates. Ambivalent bleibt dagegen die Haltung zur Sklaverei, die bis ins 19. Jahrhundert auch von den Päpsten betrieben wurde.

Der Verfasser schließt seine Studie mit Napoleon. Seine These ist die: Die Erniedrigung der katholischen Kirche durch die Gefangennahme der Päpste hat den „Beginn eines päpstlichen Katholizismus“ (227) und den Aufstieg des Ultramontanismus im 19. Jahrhundert ermöglicht, dadurch aber eine negative Bewertung der katholischen Aufklärung herbeigeführt.

Auch wenn – wieder einmal – die Platzierung der Anmerkungen am Ende des Buches zu kritisieren ist: Lehners Studie ist eine Fundgrube für die Vielfalt der katholischen Aufklärung, für die Entstehung und Entwicklung einer „Reformbewegung“ – und nicht zuletzt wegen ihrer guten Lesbarkeit zu empfehlen.

Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag. 2017
271 Seiten
39,90 €
ISBN 978-3-506-78695-1

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