Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Ulrike Link-Wieczorek / Uwe Swarat (Hg.): Die Frage nach Gott heute

Die am 6. November 2015 vom Deutschen Ökumenischen Studienausschuss (DÖSTA), also der theologischen Kommission der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), nach fünfjähriger Arbeit verabschiedete und 2019 wieder aufgelegte Studie reagiert in ökumenischer Eintracht auf aktuelle atheistische und andere skeptische Einsprüche gegen insbesondere kirchlich betriebene Religion im öffentlichen Raum – allen voran gegen das grundgesetzlich garantierte Recht auf konfessionellen Religionsunterricht an den Schulen. Damit verortet sie sich in einer Meinungslage, die aktuell beispielsweise von der Giordano-Bruno-Stiftung bespielt und zum Teil von der LandesschülerInnenvertretungen in Rheinland-Pfalz und im Saarland aufgegriffen wird. Insbesondere versucht die Studie, dem Verdacht des Autoritarismus und des Fundamentalismus auf dem Feld des religiösen, auf Gott bezogenen Glaubens zu begegnen, und zwar primär argumentativ durch Darlegung biblisch begründeter, konfessionsverbindender christlicher „Lebensorientierung“ (19), die Gott nicht als „General auf dem Hügel“ (9 und 20) auffasst.

Dieser Versuch umfasst fünf Kapitel in einem schmalen Bändchen: I. Gottesfrage, II. Gotteserfahrung, III. Gottesbegegnung, IV. Gottessuche und V. Gotteswirken. An ihrer Redaktion waren maßgeblich beteiligt: Ulrike Link-Wieczorek (evangelisch, EKD, Universität Oldenburg), Werner Klän (evangelisch-lutherisch, SELK, University of Pretoria), Burkhard Neumann (römisch-katholisch, Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik Paderborn, Universität Münster), Uwe Swarat (baptistisch, Theologische Hochschule Elstal) und Athanasios Vletsis (griechisch-orthodox, Ludwig-Maximilians-Universität München).

Die fünf Kapitel wollen weder eine „umfassende christliche Gotteslehre“ (19) noch eine „höhere Mathematik der Theologie“ (9 und 20) anbieten, sondern zeigen, wie die „klassischen christlichen Denktraditionen die Erfahrbarkeit des lebendigen Gottes thematisieren“ (20). Nach einem kurzen ersten Kapitel zu einigen atheistischen und anderen skeptischen Anfragen wird im zweiten Kapitel primär das heilsgeschichtliche Narrativ als biblischer Deutungsrahmen für das eigene individuelle Leben heute herangezogen, sodann im dritten Kapitel die Trinitätstheologie als Schlüssel für eine Rede von der Inkarnation Gottes, vom Wort Gottes, von der Gegenwart Gottes im Sakrament und von der christlichen Nächstenliebe angeboten, die im vierten Kapitel wiederum um Einwände der Negativen Theologie ergänzt wird. Diese vier Kapitel münden schließlich im fünften Kapitel in eine Reflexion des Gebets als Grundform des religiösen christlichen Glaubens.

Die Stärke dieser Studie sehe ich in erster Linie darin, dass aus erkennbar divergierenden konfessionellen theologischen Zugängen ein relativ bündiger gemeinsamer Text gelungen ist. Ob er damit die wie auch immer motivierte Skepsis gegenüber kirchlich regulierten religiösen Glaubensüberzeugungen und -praktiken entkräften kann, erscheint mir hingegen sehr fraglich. Von der Sprache angefangen bis hin zu den Schemata greift er doch zu unmittelbar und zu selbstverständlich auf konfessionell Vertrautes zurück, ohne dieses darüber hinaus für damit Unvertraute weiter aufzuschließen. Eher werden zwischen den Zeilen unterschwellige oder manifeste Loyalitäten sichtbar. Mindestens die Autoritätshörigkeit der eigenen religiösen Tradition gegenüber bleibt damit doch als Einwand vo Atheisten und anderen Skeptikern nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Das 2. Vatikanische Konzil hätte zumindest den katholisch Glaubenden neu ins Stammbuch geschrieben gehört, dass sie sich ruhig in einen wahrhaften Dialog mit ihren Kritikerinnen und Kritikern begeben und sich von diesen etwas sagen lassen können. Hierin hätte diese Studie durchaus mutiger sein können. Alle anderen mit kirchlicher Sprache und Theologie Vertrauten aber, die an einer ökumenischen Selbstvergewisserung zur Gottesfrage heute interessiert sind, können aus diesem schmalen Bändchen eine Fülle von Anregungen für ihr eigenes Nachdenken ebenso wie für ihre Arbeit in Seelsorge und Bildung gewinnen, einschließlich Argumenten im Dialog mit Skeptikerinnen und Skeptikern.

Neue ökumenische Zugänge zu klassischen Denktraditionen
Eine Studie des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses (DÖSTA)
Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. 2019
141 Seiten
18,00 €
ISBN 978-3-374-060632-4

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