Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Viera Pirker / Maria Juen: Religion – (k)ein Fach wie jedes andere

Wie kann eine Leistungsbeurteilung im Fach Religion geschehen? Darf man eigentlich überhaupt eine Beurteilung vornehmen oder trifft das zu, was im Vorwort unter Bezug auf den österreichischen Religionslehrer und Kabarettisten Stefan Haider zu lesen ist: „Als Religionslehrer habe ich eine sehr enge Beziehung zum Sehr gut. Jesus selbst hat ja gesagt: ‚Sie sollen alle eins sein!’ – und daran halte ich mich natürlich.“

Die Praktischen Theologinnen Viera Pirker (Universität Wien) und Maria Juen (Universität Innsbruck) unternehmen in ihrer empirischen Studie den Versuch, dieses umstrittene Feld zumindest für den Bereich der Oberstufe an allgemeinbildenden höheren Schulen in Österreich auszuleuchten. Grundlage dafür sind Kompetenzraster und -kataloge einerseits sowie Fragenkataloge, Gruppendiskussionen und Einzelgespräche andererseits. Bevor die methodologischen Grundlagen vor- und die empirischen Ergebnisse dargestellt werden, geben die Autorinnen einen Forschungsüberblick über die Frage nach einer Leistungsbeurteilung. Vor allem dieses Kapitel weist sich durch eine hohe Anschlussfähigkeit für alle Religionslehrerinnen und -lehrer aus, denn neben der unterrichtlichen Tätigkeit im engeren Sinne macht die Leistungsfeststellung einen wesentlichen Teil des Selbstverständnisses von Lehrenden aus. Ist somit allen Unterrichtenden zwar klar, was ihr Kerngeschäft ausmacht, so gibt es dennoch eine große Scheu, dieses auch in der interessierten Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Über dem Unterricht selbst liegt daher Nebel, der noch dichter wird, wenn es um Kriterien und die Praxis der Leistungsbeurteilung geht. Dies führt nicht allein bei Schülerinnen und Schülern zu großen Irritationen, sondern auch innerhalb der Kohorte der Lehrenden. Es scheint nämlich durchgängig so zu sein, dass die Kriteriologie bei allen Lehrenden sehr von den persönlichen Ansprüchen abhängig ist. Schülerinnen und Schüler kennen dann zwar die jeweiligen Anforderungsprofile, andere Lehrende, die Eltern, die Schulaufsicht u.v.m. aber nicht. Transparenz ist daher überhaupt nicht hergestellt.

Die Studie von Pirker und Juen leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Problematisierung der Leistungsbeurteilung, insofern sie die heterogenen Praxen deutlich benennt, es aber bei der bloßen Deskription nicht belässt, sondern nach Ursachen, pädagogischen Hintergründen und persönlichen Verfahrensweisen der Lehrenden fragt und diese in weiterführende Diskurse überführen möchte. Insofern leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zur Konsolidierung einer Leistungsbeurteilungsdiskussion. Diese ist natürlich insofern besonders wichtig, weil der schulische Religionsunterricht immer mit der Schwierigkeit konfrontiert ist, doch kein „richtiger“ Unterricht zu sein, insofern das Verhältnis zwischen Schule und Kirche zwar rechtlich validiert ist, aber in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend als Problem wahrgenommen wird. Die Schwankungsbreite wird im Untertitel – „(k)ein Fach wir jedes andere“ – schon angedeutet und im Verlauf der Studie immer wieder ausgelotet.

Angesichts der Unübersichtlichkeit der Leistungskriterien ist eine datenbasierte Profilierung des Religionsunterrichts tatsächlich an der Zeit. Welche Kompetenzen anvisiert sind, wird in der vorliegenden Studie an vielen Stellen deutlich. Dass empirische Studien im Allgemeinen, deren methodologische Basis, ihre Datenerhebung und -auswertung wie schließlich die Darstellung der Ergebnisse nicht unbedingt ein Lesevergnügen darstellen, kann den Autorinnen nur schwerlich angelastet werden. Dass es ihnen dennoch gelingt, die zentralen Fragen und Diskussionslagen zielführend vorzustellen, durchaus. Die Studie leistet damit einen gelungenen Beitrag zu einer Professionalisierung des Religionsunterrichts.

Spannungsfelder und Perspektiven in der kompetenzorientierten Leistungsbeurteilung
Religionspädagogik innovativ Bd. 26
Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. 2018
216 Seiten
29,00 €
ISBN 978-3-17-0354883

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