Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Volker Leppin: Franziskus von Assisi

Nach seiner weithin beachteten Monographie zu Martin Luther (12006, 32017) widmet sich Volker Leppin mit Franziskus von Assisi nun einer zweiten großen Gestalt der Kirchengeschichte. Konsequent verfolgt der Tübinger evangelische Kirchenhistoriker dabei den Blick auf die Person Franziskus, deren Lebensweg und ihre Ideale. Nur knapp wird der weitere Weg der franziskanischen Gemeinschaft nach dem Tod des Gründers tangiert. Leppin macht es sich zur Aufgabe, Franziskus in seinen vielen Facetten darzustellen, auch wenn aufgrund der schwierigen Quellenlage manche Leerstelle in dessen Biographie offenbleiben muss.

Den Lebensweg des berühmtesten Sohnes Assisis beschreibt Leppin in fünf klar gegliederten Kapiteln mit den Etappen Bruch, Aufbruch, Sendung, Ordnung und Rückzug. Am Beginn stehen die Brüche mit der Herkunftsfamilie und dem Vater, die der Autor auf eine Adoleszenzkrise und heftige „Diskrepanzerfahrungen“ des jungen Poverello zurückführt. Die individuellen Auslöser dafür, etwa Franziskus’ Kriegsgefangenschaft in Perugia, den Kontakt mit Leprosen sowie die Erfahrungen von Armut und Reichtum in Assisi, stellt Leppin in den Kontext der Lebenserfahrung einer ganzen Generation, deren Lebenswelt im aufstrebenden Stadtbürgertum sich am Übergang vom 12. zum 13. Jahrhundert im Umbruch befand. Die anschließende längere Suchbewegung habe bei Franziskus schließlich zu einem religiösen Aufbruch geführt, der in der dezidierten Christusnachfolge, in Verkündigung, Askese und Buße, seinen prägenden Ausdruck gefunden habe.

Bei Sendung und Selbstverständnis des Poverello stellt der Autor sowohl weithin bekannte Themen wie dessen universale Friedensbotschaft, die Bußpredigt sowie seinen wertschätzenden Umgang mit der Schöpfung (Vogelpredigt, Sonnengesang) heraus als auch die für heutiges Empfinden harten Ansichten über Gericht und Verdammung sowie den stark dualistisch geprägten Glauben an Gott und Teufel. Die teils wenig respektvolle Haltung des Franziskus gegenüber Frauen, in denen er immer eine Gefahrenquelle zur Sünde gesehen habe, sowie die tendenzielle Leibverachtung und die Tabuisierung der Sexualität verschweigt Leppin nicht. Demgegenüber benennt er Performativität, Spontaneität und Charisma als persönliche Stärken des Heiligen.

Überzeugend und klar arbeitet der renommierte Mittelalterhistoriker das Verhältnis des Poverello zur Amtskirche heraus: Im Gegensatz zu Waldensern und Katharern, die von der Kirche abgelehnt wurden, habe sich Franziskus immer kirchenkonform verhalten und den Kontakt mit dem Papsttum gesucht. Die für beide Seiten bereichernde Komplementarität habe so der werdenden franziskanischen Gemeinschaft den kirchlich nötigen Schutzraum geboten und der Kirche eine authentische Armutsbewegung eingefügt. Als diese schließlich zu groß für eine rein charismatische Leitung wurde und das Recht die Spontaneität (notwendig) zu ersetzen begann, erfolgte der Rückzug des Gründers aus der Ordensleitung.

Wie bei seiner Lutherdarstellung tritt Leppin mit den Methoden der historischen und philologischen Quellenkritik an seine Aufgabe heran – und seine Überlegungen, was von den Berichten über Franziskus legendenhafte Fiktion und was historische Tatsache ist, können durchweg überzeugen. Dies gilt etwa für die ursprüngliche Namensgebung, die womöglich doch Franziskus (statt Johannes) laute, für sein Verhältnis zu Klara, das zwar wie eine Liebesgeschichte erzählt werde, aber wohl doch auf geistiger Ebene geblieben sei, und für die Orientreise im Jahr 1219, deren angeblichen Predigterfolg Leppin plausibel dekonstruiert.

Quellenkritisch betrachtet der Tübinger Kirchenhistoriker die zahlreichen Wundererzählungen, die er einerseits von legendarischen Ausschmückungen befreit, und die er andererseits in den gesellschaftlichen Kontext des 13. Jahrhunderts einordnet, in dem Wunder zur religiösen Erfahrungswirklichkeit gehörten. Die Legende vom sprechenden Kruzifix von San Damiano führt der Autor so auf eine prägende Christuserfahrung des Franziskus zurück und die Stigmata, die kurz vor seinem Lebensende erschienen, deutet Leppin nicht als physisches Phänomen, sondern als „visionäre Transformation“ (291), mit der sich die Christusnachfolge zur Christusähnlichkeit des Heiligen gewandelt habe.

Die vorliegende Monographie überzeugt durch ihre verständliche Sprache und klare Gedankenführung, bei der zum Verständnis notwendige zeithistorische Hintergründe sinnvoll eingebunden werden. Mehrere Abbildungen, ein Anmerkungsapparat, eine knappe Zeittafel, ein Literaturverzeichnis und ein Personenregister runden das Buch ab, das im Übrigen hervorragend lektoriert ist und sowohl interessierten Laien als auch fachkundigen Lesern sehr empfohlen werden kann.

Darmstadt: Theiss Verlag. 2018
368 Seiten m. s-w Abb.
29,95 €
ISBN 978-3-8062-3817-4

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