Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Volker Meißner / Martin Affolderbach / Hamideh Mohagheghi / Andreas Renz (Hg.): Handbuch christlich-islamischer Dialog

Grundlagen – Themen – Praxis – Akteure
Schriftenreihe der Georges-Anawati-Stiftung, 12

Angesichts der seit Anfang des Jahres überaus emotional und heftig geführten Debatte über „den Islam“ kommt das „Handbuch christlich-islamischer Dialog“ zur richtigen Zeit, um über den tatsächlichen Stand des ernsthaften und seit vielen Jahren geführten Austauschs von Muslimen und Christen in Deutschland zu informieren. Der Band ist in der Schriftenreihe der Georges-Anawati-Stiftung erschienen, die sich mit ihren Veröffentlichungen zu aktuellen „islamischen Themen“ im christlich-islamischen Dialog bereits mehrfach ausgezeichnet hat.

Das von Volker Meißner, Martin Affolderbach, Hamideh Mohagheghi und Andreas Renz herausgegebene Handbuch beantwortet ein Fülle von Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven und ist in vier große Kapitel eingeteilt: Grundlagen, Themen, Praxis und Akteure. Die Autoren der einzelnen Beiträge sind zu einem großen Teil durch ihre Publikationen und insbesondere durch ihr langjähriges Engagement im christlich-islamischen Dialog ausgewiesene Experten (u.a. Klaus von Stosch, Werner Höbsch und Hansjörg Schmid). Das Konzept des Handbuchs ist interaktiv, so weit dies bei einem gedruckten Buch möglich ist. Der Leser wird ermuntert, in den Dialog einzutreten. Und dabei ist das Handbuch so angelegt, dass ihm dies leicht gemacht wird. Denn die Autoren lassen den Leser nicht in den Weiten des Internets allein und in den Untiefen der akademischen Differenzierungen ratlos, sondern leiten ihn in den Verweisen zu einschlägiger Literatur und seriösen Internetseiten und geben positive Beispiele.

Im ersten Kapitel „Grundlagen“ werden die unterschiedlichen Zugänge zum christlich-islamischen Dialog dargestellt, natürlich aus katholischer, evangelischer und „muslimischer“, aber beispielsweise auch aus orthodoxer, alevitischer und „akademischer“ Perspektive (z.B. Rechts- und Religionswissenschaften).

Die Beiträge des zweiten Teils „Themen“ sind dialogisch: Sie sind von jeweils einem christlichen und einem muslimischen Autor verfasst. Sie stellen selbstverständlich die jeweils unterschiedlichen Akzente in den dort besprochenen Einzelfragen dar (z.B. Schöpfung, Offenbarung, Prophetentum und Menschenrechte), ebenso das Gemeinsame und das Verbindende.

Besonders spannend ist der dritte Teil „Praxis“. Denn dort werden die gesellschaftlichen Felder und die Orte, an denen sich interreligiöse Situationen im Alltag ereignen, zur Sprache gebracht. Dies sind u.a. Bildungseinrichtungen, Kinderbetreuung, soziale und Gesundheitsdienste, aber auch praktische Themen wie beispielsweise multireligiöse Feiern, religiöse Indentitätsfindung und Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Obgleich die stark im öffentlichen Fokus stehenden Themen wie religiös motivierte Gewalt und religiöser Extremismus in den einzelnen Beiträgen durchaus aufgegriffen werden und sich das Konzept des Handbuchs gewissermaßen sogar als ein eigenständiger Beitrag zur Deradikalisierung verstehen lässt, scheinen sie dennoch unterrepräsentiert. Das vierte Kapitel „Akteure“ orientiert darüber, wer im christlich-islamischen Dialog aktiv und eine gute Ansprechperson ist.

Das Handbuch ist, wie man es von einem Handbuch erwarten kann, informativ und zahlreiche Beiträge sind regelrecht spannend. Es richtet sich an einen weiteren Leserkreis, der allerdings eher religiös geprägt ist. Denn die Zielrichtung des Bandes ist nicht politologisch, islamwissenschaftlich oder soziologisch, sondern auf ganzer Linie interreligiös. Das bedeutet nicht, dass schwierige Themen und bestehende Konflikte ignoriert oder schöngeredet werden, vielmehr werden sie im Rahmen eines kontinuierlichen, aufrichtigen Dialogs unaufgeregt thematisiert. Beispielhaft ist dafür der Beitrag „Zivilcourage und aktive Toleranz – Auseinandersetzung mit extremistischen Einstellungen“ von Friedmann Eißler. Hier steht nicht das Negative religiöser Intoleranz im Fokus, sondern die Wendung ins Positive: Dialog, Verständigung und Kooperation. Deshalb ist dieser Band ein wichtiger Beitrag, um sachgerecht auf die um sich greifende Polarisierung durch Religion und Instrumentalisierung und Vereinfachung von Religion aus der christlich-islamischen Dialogpraxis heraus zu antworten.

Freiburg, Basel, Wien: Herder Verlag. 2014
496 Seiten
29,99 €
ISBN-13 978-3-451-33337-8

 

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