Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Walter Faerber: Visionen gegen die Monster

Die Offenbarung des Johannes fristet innerhalb der Liturgie und noch vielmehr innerhalb des Religionsunterrichtes und der pastoralen Praxis ein Schattendasein. Und wenn, dann wird dieses Beispiel neutestamentlicher apokalyptischer Literatur meist als ein Endzeit-Text gelesen. Völlig zu Unrecht, aber auch völlig nachvollziehbar. Denn der Reichtum ihrer Bilderwelt, ihrer Symbolik und ihrer innerbiblischen Bezüge hat nicht nur eine äußerst breit gefächerte Wirkungsgeschichte gezeitigt, sondern kann verstörend, ja abschreckend wirken. Daher verdient Walter Faerber Respekt, dass er als Pastor einer evangelischen Gemeinde bei Hannover und engagierter Unterstützer von Fresh X die Herausforderung nicht gescheut und die Texte der Johannes-Offenbarung in die Liturgie eingebunden und in Predigten ausgelegt hat. Das Ergebnis ist das vorgelegte Buch, das sich nach einer knappen Einleitung, gegliedert in 39 kurze Abschnitte, dem Gesamttext der Offenbarung stellt.

Der Verfasser buchstabiert die Botschaft des biblischen Textes – so wie er sie liest und versteht – hinein in die heutige Zeit und Sprache. Er wählt dabei nicht den Weg wissenschaftlicher Reflexion und Sprache samt Anmerkungen und Fußnoten; seine Auslegung einzelner Abschnitte und Perikopen ist in Argumentation und Tonfall eher Predigten oder Essays vergleichbar. Das macht Faerbers Werk gut lesbar und leicht zugänglich und eröffnet tatsächlich Zugänge; damit die Offenbarung des Johannes kein Buch mit sieben Siegeln bleibt.

Dennoch kann der Rezensent beim Lesen einzelner Abschnitte ein gewisses Unbehagen nicht verbergen – vor allem wegen der nicht explizit dargestellten Hermeneutik, mit der Faerber an das letzte Buch der gesamten Hl. Schrift herangeht. Freilich besteht die Gefahr, dass eine zu wissenschaftliche Herangehensweise die Unbändigkeit der Sprache der Offenbarung des Johannes zu sehr bändigen könnte, noch dazu für Leser, die sich aus einer gewissen Distanz heraus mit dieser biblischen Schrift beschäftigen oder sie ganz unvoreingenommen lesen möchten. Denn der Verfasser argumentiert mit einer fraglichen Sichtweise von Geschichte und Entwicklung. Er fasst die Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen, vor allem aber auf gesellschaftlicher und politischer, so zusammen: „Wir erleben im Augenblick das Ende dieses Modells, aber es ist ein langes und umkämpftes Ende. Das ist eine Spätfolge davon, dass Jesus zu seinen Jüngern gesagt hat: Unter euch soll sich keiner Vater nennen. Ihr habt nur den Vater im Himmel, untereinander seid ihr Brüder (und Schwestern). Deshalb sollen wir nicht in Verwirrung geraten, wenn diese ganzen traditionellen Ordnungen und Werte ins Wanken kommen. Es muss so sein, und der Weg führt nicht zurück in irgendeine gute alte Zeit, sondern nur nach vorn auf den kommenden Jesus Christus und seine Zukunft hin. … Könige und Herrscher mögen immer noch das Sagen haben, aber Jesus zieht ihnen langsam den Boden unter den Stiefeln weg.“ (26) Diese Sichtweise der Welt und ihrer Entwicklung, die auch an anderen Stellen im Buch ersichtlich wird, erscheint dem Rezensenten doch zu schablonenhaft.

Der Verfasser versucht, und dies sei würdigend hervorgehoben, die Botschaft der Offenbarung des Johannes für die heutige Zeit verständlich zu machen – ganz im Sinne eines „Was will dies Buch mir heute sagen?“ Dazu verwendet er eine aktualisierende Begrifflichkeit (so trägt die Frau in Offb 17 keine Kleidung, sondern „Klamotten“ (160)) und greift auf die zeitgenössische Science-Fiction-Filmwelt zurück (etwa wenn er vom „Todesstern“ oder von „Godzilla“ schreibt (162)). Das wirkt zunächst charmant-flapsig, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass von ihm häufig die Zeitebene der Textentstehung und die Zeitebene des Lesers vorschnell in Eins gesetzt werden.

Man muss sich bei der Lektüre schlichtweg bewusst sein, dass Walter Faerber die Offenbarung des Johannes anwendungsbezogen liest und auslegt – und dadurch die Aussagewucht dieses so vielschichtigen biblischen Textes ausbremst.

Die Offenbarung des Johannes für eine Welt voller Krisen
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlagsgesellschaft. 2018
216 Seiten
18,00 €
ISBN 978-3-7615-6494-3

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