Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Wilhelm Schwendemann / Katrin Hagen / Detlev G. Theobald: Sterbehilfe und medizinisch-assistierter Suizid

Die vorliegende Arbeitshilfe ist die vierte Veröffentlichung in der Calwer-Reihe „Ethik für das Leben“. Sie befasst sich ausschließlich mit dem Thema Sterbehilfe und legt bei der Auswahl der Materialien einen Schwerpunkt auf die rechtliche Neuregelung im November 2015. Damals hatte der Deutsche Bundestag nach emotionaler Debatte und Aufhebung des Fraktionszwangs den neuen Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches verabschiedet. Dieser stellt geschäftsmäßige Assistenz beim Suizid unter Strafe, nimmt davon aber ausdrücklich Angehörige und nahestehende Personen aus. Die hierzu präsentierten Materialien spiegeln die parlamentarische Auseinandersetzung vor der Abstimmung sowie die anschließende verfassungsrechtliche Überprüfung des neuen Gesetzes wider und sind somit ausgesprochen aktuell.

Zielgruppe der Arbeitshilfe sind Religionslehrkräfte an beruflichen Schulen (inklusive beruflichen Gymnasien) und an allgemeinbildenden Gymnasien. Die Beschreibung der Kompetenzerwartungen erfolgt anhand des Bildungsplanes Baden-Württemberg, allerdings dürften die Ausführungen problemlos auch auf Hessen und Rheinland-Pfalz übertragbar sein. Die Arbeitshilfe ist gegliedert in eine theoretische Einführung für die Lehrperson, eine Planungsübersicht mit Stundenentwürfen und einen Materialteil mit zahlreichen Kopiervorlagen.

Die einführenden Kapitel klären die Begriffe der Aktiven, Passiven und Indirekten Sterbehilfe sowie des Assistierten Suizids. Die rechtliche Lage vor und nach dem Bundestagsbeschluss von 2015 wird dargestellt und mit der Rechtslage in anderen europäischen Ländern vornehmlich der Schweiz verglichen; die beiden Organisationen Dignitas und EXIT, die dort geschäftsmäßige Suizid-Assistenz anbieten, werden vorgestellt.

Es folgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem ethischen Ansatz des Utilitarismus. Der nach den Fähigkeiten des (sterbenden) Menschen fragende humanistische Denkansatz der amerikanischen Philosophin Martha C. Nussbaum wird als Gegengewicht und Alternative zu utilitaristischen Positionen in der Sterbehilfe-Diskussion stark gemacht.

Als Unterrichtseinheit wird daraufhin eine auf 5 Stunden angelegte Reihe zu den unterschiedlichen Formen von Sterbehilfe und ihren jeweiligen ethischen Aspekten skizziert. Dazu werden Kopiervorlagen u.a. mit Fallbeispielen angeboten. Die gesamte Einheit zielt darauf ab, dass die Lernenden die verschiedenen Formen von Sterbehilfe unterscheiden und jeweils eine eigene, mit ethischen Argumenten begründete Position formulieren können.

Anschließend finden sich weitere Materialien und Unterrichtsvorschläge, die ergänzend und vertiefend eingesetzt werden können. Neben den bereits erwähnten Textbausteinen zum Bundestagsbeschluss vom November 2015 werden hier u.a. Arbeitsblätter mit Hintergrundinformationen über ethische Denkansätze (Kant, Utilitarismus, Nussbaum, Hippokratischer Eid, Stellungnahmen der EKD) angeboten. Die Arbeitsblätter sind mit entsprechenden Fragen und Aufgabenstellungen versehen.

Palliativmedizin und Hospizarbeit werden als Alternativen zur Sterbehilfe zwar immer wieder erwähnt, jedoch nicht als eigenständige Themen behandelt. Dies mag bereits in den vorangegangenen Veröffentlichungen der Reihe „Ethik für das Leben“ erfolgt sein. Für eine umfangreiche Erarbeitung wären deshalb ggf. die anderen Bände hinzuzuziehen.

Insgesamt bietet diese nun vorliegende Arbeitshilfe einen guten Überblick über die speziellen ethischen Fragestellungen im Kontext der Sterbehilfe und insbesondere des assistierten Suizids. Die hohe Aktualität bezüglich des politisch-gesellschaftlichen Diskurses ist positiv hervorzuheben. Für die Bearbeitung des Themas – in Hessen im Rahmen der Q3 – finden sich vielfältige Anregungen, ebenso für die Berufsschule.

Die skizzierte einführende Unterrichtseinheit wirkt in sich schlüssig und gut umsetzbar. Die Fallbeispiele sind interessant konstruiert, differenziert und hinreichend komplex. Bei den zusätzlichen Materialien erscheinen die Aufgabenstellungen auf den Arbeitsblättern teilweise sehr anspruchsvoll bzw. auf der Grundlage der dargebotenen Informationen kaum lösbar. Eine als Kopiervorlage angebotene Bilderfolge etwa, die von den Lernenden geordnet und mit Texten versehen werden soll, erschließt sich auch bei längerer Betrachtung überhaupt nicht. Bei der Arbeit mit diesen ergänzenden Materialien wird deshalb immer wieder eine zusätzliche Erschließung durch die Lehrkraft erforderlich sein.

Materialien und Unterrichtsentwürfe
calwer materialien
Stuttgart: Calwer Verlag. 2017
79 Seiten
17,95 €
ISBN 978-3-7668-4422-4

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