Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Christian Kern: Scheitern Raum geben

Was hat die Havarie der Costa Concordia am 13. Januar 2012 mit der Theologie zu tun. Kurz und bündig gesprochen: das Scheitern und wie dieses in Sprache gefasst wird. So wird im vorliegenden Buch, der überarbeiteten Doktorarbeit von Christian Kern, die Analyse des Schiffbruchs eines Kreuzfahrtschiffs im Mittelmeer mit der biblischen Erfahrung des Ostermorgens in Beziehung gesetzt. Wie gelingt angesichts des Scheiterns menschliches Leben und was besagt dies über die Rede von Gott? Dazwischen liegen interessante und spannende Auseinandersetzungen über die Frage, was unsere Kultur kennzeichnet: souveräne Positionen des Erfolgs oder Lebensgestaltung in Fragilität angesichts von Scheitern.

Das Wort „scheitern“ stammt ursprünglich aus dem maritimen Kontext als einer wenn auch in der Schifffahrt...

Konrad Hilpert: Zwischen Leihmutterschaft und Sterbehilfe

Konrad Hilpert, in zahlreichen Gremien mitwirkender Moraltheologe mit Lehrstuhl an der Universität München, stellt in diesem Bändchen 16 Interviews zusammen, die er in den Jahren 2002 bis 2022 meist aus aktuellem Anlass gegeben hat. Die Themen reichen von erweiterten Möglichkeiten der Medizin, vor allem der Reproduktionsmedizin, über die Veränderung katholischer Sexualethik, den Begriff des Gewissens bis hin zur Abgründigkeit des Menschen, die sich in schockierenden Gewalttaten manifestiert. Alle Interviews sind mit Anmerkungen versehen, die auf Schriften des Autors hinweisen und zur vertieften Beschäftigung mit den Themen anregen. Gerahmt wird die Interviewserie von fünf kurzen Aufsätzen über die geeignete Kommunikationsform für moralische Positionen. Diese Aufsätze laufen darauf hinaus,...

Sigmund Freud: Der Mann Moses und die monotheistische Religion

„Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ gilt als ein bedeutendes Spätwerk Sigmund Freuds, in dem er – nach mehreren Ansätzen in früheren Schriften – erneut die Grenzen der Anwendung der Psychoanalyse als klinische Behandlungsmethode überschreitet und auf ein gesellschaftliches Phänomen anwendet. Dabei trägt das Werk deutliche selbstanalytische Züge: Freud untersucht etwas, mit dem er sich selbst in differenzierter Weise identifiziert, nämlich dem Jüdischsein. Der Text gilt als sperrig und vielgestaltig. Er enthält Elemente einer fiktiven Erzählung, klinische Theorien über Traumatisierung und ethnologische Thesen.

Das 2023 erschienene, vorliegende Kommentarwerk ist der sechste Band der „Wiener Interdisziplinären Kommentare“ zu Sigmund Freuds Werken. Im Geleitwort der...

Michael Blume: Rückzug oder Kreuzzug?

 

Banken- und Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Klimakrise, Coronakrise, Ukraine- und Energiekrise. Die Welt befindet sich seit Jahren nahezu konstant im Krisenmodus. Die Zukunftsperspektiven sind bestenfalls unklar, häufig apokalyptisch. Auch das Christentum ist in der Krise – zumindest in Deutschland und Europa, ganz zu schweigen von der katholischen Kirche, die jedes Jahr Tausende ihrer Mitglieder verliert und nur wenige hinzugewinnt.

Quo vadis, Christentum?, fragt deshalb Michael Blume, Religions- und Politikwissenschaftler und Beauftragter gegen Antisemitismus in Baden-Württemberg. In seinem neuesten Buch, das der Vertrauenskrise des Christentums gewidmet ist, dabei aber die vielen Krisen der Gegenwart nicht unberücksichtigt lässt, entwickelt Blume eine Prognose zur Zukunft der größten...

Otfried Höffe: Ist Gott demokratisch?

Das Verhältnis zwischen Religion und Demokratie war in der jungen Bundesrepublik aufgrund der grundgesetzlich verbrieften Religionsfreiheit und der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates lange Zeit weitgehend unproblematisch. Und doch erscheint diese Phase heute, nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung mit dem islamistischen Terrorismus, dem Erodieren von Wertvorstellungen und religiösen Bindungen im Umfeld christlicher Konfessionen sowie dem Auftreten eines invektiven neuen Atheismus als eine Ausnahmesituation im Verlauf eines abendländischen Konfliktverhältnisses. In den letzten fünf Jahrhunderten standen sich vielerorts Politik und Religion sogar feindselig gegenüber, wie Otfried Höffe konstatiert. Obwohl der moderne Verfassungsstaat gerade in Deutschland eine...

Antonia Gottwald / Holger Zaborowski (Hrsg.): Hans Kock. Skulptur und Raum

„Wer Kunst sagt, spricht vom Menschen“ (78); „das BILD … ist Verwandlung der Materie zum Geist“ (212). Zwei prägnante Aussagen, keines Kunsttheoretikers, sondern eines bildenden Künstlers, nämlich von Hans Kock, der in erster Linie als Bildhauer, aber auch als Zeichner und Maler tätig war. Er wurde 1920 in Kiel geboren, wirkte viele Jahre in Hamburg und starb 2007 in Kiel-Schilksee; im Norden ist er durch seine Skulpturen im öffentlichen Raum bekannt. Nun machen die beiden Herausgeber – Antonia Gottwald, von 2001-2007 engste Mitarbeiterin des Künstlers, und Holger Zaborowski, seit 2020 Professor für Philosophie in Erfurt – das Werk des Künstlers einer breiteren Öffentlichkeit bekannt: Der 2017 unter dem Titel „Licht – Mitte – Raum“ erschienene Band galt seinen Arbeiten im Greifswalder Dom...

Hartmut Sommer: Über die Engel erhoben. Wesen und Sinn unserer Leiblichkeit

Den im Buchtitel aufgeworfenen Aspekt „Wesen und Sinn unserer Leiblichkeit“ betrachtet Hartmut Sommer quer durch die Philosophiegeschichte und mit Blick auf neuere naturwissenschaftliche und medizinische Forschung bis hin zum Transhumanismus, der den sterblichen Körper überwinden will. Der Autor diskutiert die konträren Positionen zwischen einer rein naturalistischen Sicht und einem ganzheitlichen Leib-Seele-Verständnis: „Bin ich nur Körper und nichts außerdem?“ Die dargelegten Perspektiven sind von sozial-politischer wie medizinischer Relevanz und sollten hinsichtlich pränataler wie finaler Fragestellungen zu Schwangerschaftsabbruch, Leihmutterschaft sowie Sterbehilfe bedacht werden.

Den platonischen Dualismus überwindend, der in der scholastischen Philosophie seine Fortführung fand,...

Thomas Ramge: Wollt ihr ewig leben?

Im Kanon der traditionell-klassischen Literatur kommt das Phänomen (über-)langen Alterns erstaunlich schlecht weg: Die alte Volkssage vom „Fliegenden Holländer“ erzählt von einem Kapitän, der durch einen heillosen Fluch dazu verdammt wurde, bis zum Jüngsten Gericht mit einem Gespensterschiff auf den Weltmeeren herumzuirren, ohne einen rettenden Hafen, ohne Erlösung zu finden. Oscar Wildes Erzählung „Dorian Gray“ präsentiert einen schönen, aber dekadent-lebenssüchtigen Jüngling, der sich weigert zu altern – er besitzt ein Porträt, das an seiner statt altert und in das sich die hässlichen Spuren seines sündhaften Lotterlebens einschreiben; Dorian endet im Selbstmord. Und Mary Shellys Schauerroman „Frankenstein“ schildert den katastrophalen Untergang eines Arztes, der den Tod durch Erschaffen...