Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Klaus-Rüdiger Mai: Edith Stein. Geschichte einer Ankunft

Bereits vor ihrer Heiligsprechung im Jahr 1998 richtete sich die internationale Aufmerksamkeit auf Leben und Wirken Edith Steins. Sie war eine wissensdurstige junge Frau aus jüdischer Familie, deren Leben von Widersprüchen und Ambivalenzen geprägt war, die aber stets einem moralischen Kompass folgte und nach dem letztgültigen Sinn menschlichen Lebens suchte. Letzteres führte sie zum Glauben an Jesus Christus und ebnete ihr den Weg in den Karmel. Ihr Eintreten für ihr jüdisches Schwestervolk beim Papst vor dem Hintergrund des antisemitischen Naziterrors und ihr Tod 1942 im KZ Auschwitz rufen bis heute Bewunderung hervor und sind fester Bestandteil nicht nur der christlichen Erinnerungskultur. Erste Lebensbeschreibungen wurden bereits kurz nach ihrem Tod verfasst. Seit ihrer Heiligsprechung...

Thomas Weckerle (Hg.): Michael Morgner. Werkverzeichnis Bilder und Plastiken

Bereits im ersten Jahr an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig weiß ein junger, 1942 in Chemnitz geborener Student ganz genau, was er nicht will: keinen sozialistischen Realismus – „es darf nicht“, sagt er 2020 rückblickend, „aussehen wie DDR-Kunst“. Nach dem Studium (1961-1966) kehrt er zurück ins nahe gelegenen Einsiedel, wo er bis heute als freischaffender Künstler lebt und arbeitet.

Der junge Student heißt Michael Morgner und ist als Zeichner, Druckgrafiker, Maler und Stahlplastiker, aber auch als Aktionskünstler hervorgetreten. Nach Jahren des Suchens hat er zu einem eigenständigen und unverwechselbaren Stil gefunden. Er wurde mit etlichen Preisen – wie 2012 dem „Gerhard-Altenbourg-Preis“, dem Kulturpreis des Landes Thüringen, und 2018 dem „Kunstpreis zu Ehren von Karl...

Janine Luge-Winter: Die Ikone und das Undarstellbare

Das Frankfurter Ikonenmuseum hatte anno 2008 hohen Besuch. Bisher unbekannte Ikonen mit arabischer Schrift waren in abgelegenen syrischen Klöstern entdeckt worden und wurden erstmals im Westen gezeigt. Aus diesem Anlass war Seine Seligkeit, der Patriarch von Damaskus, gekommen, um die Ausstellung zu eröffnen. In perfektem Deutsch erklärte er dem Frankfurter Publikum, dass man es bei den Ikonen nicht mit Museumsobjekten und Kunstwerken zu tun habe, sondern mit Bildern des Heiligen, die dafür gemacht seien, beweihräuchert, verehrt und geküsst zu werden. „Bitte nicht!“, meldete sich da die spitze Stimme der Kuratorin.

Weil sie etwas zeigen wollen, was sich eigentlich der Sichtbarkeit entzieht, waren sie, seit es sie gibt, immer auch Gegenstand theoretischer Reflexion. Parallel zu den großen...

Johannes Reuchlin: Ratschlag, ob man den Juden all ihre Bücher nehmen, abtun und verbrennen soll

100 Jahre Hitlerputsch, 90 Jahre Machtübernahme der Nationalsozialisten – die beiden besonderen Gedenktage des Jahres mahnen zur besonderen Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Antisemitismus. Dieser ist leider nach wie vor nicht von gestern, was die aktuelle Statistik des Bundesinnenministeriums zeigt, nach der antisemitische Gewalttaten im vergangenen Jahr erneut zugenommen haben. Christinnen und Christen können einen Beitrag leisten, nicht nur indem sie sich der engen Verbindung der eigenen Religion mit dem Judentum gewahr werden, sondern auch durch Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte der Judenfeindschaft. Religiöser Antisemitismus gehört zu den Schattenseiten der Kirchengeschichte. Langlebige Klischees und Verschwörungstheorien haben ihren Ursprung in antijüdischer Polemik...

Wolf-Friedrich Schäufele: Kirchengeschichte II: Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart

Die Monographie von Wolf-Friedrich Schäufele ist als Einführungs- und Überblickswerk zur Kirchengeschichte konzipiert und betrachtet die Zeit von ca. 1300 bis um 2000. In der Reihe „Lehrwerk Evangelische Theologie“ wird das Werk chronologisch an den Teil „Kirchengeschichte I: Von der Alten Kirche bis zum Hochmittelalter“ von Katharina Greschat anschließen, dessen Erscheinen für 2023 geplant ist. Die Reihe richtet sich insbesondere an Studierende der Evangelischen Theologie, Ziel der einzelnen Bände ist es, „gegenwartsbezogenes theologisches Grundwissen [zu] vermitteln“ (Vorwort zur Reihe, V). Über diese primäre Zielgruppe hinaus kann die Monographie aber auch Studierenden der Katholischen Theologie und weiteren Interessierten für einen (vertieften) Überblick vielfachen Erkenntnisgewinn...

Richard Schaeffler: Transzendentale Theologie

Das vorliegende Werk ist eine posthume Veröffentlichung, mit der Richard Schaeffler selbst noch sein religionsphilosophisches Lebenswerk zusammengefasst hat. Es setzt an als Auseinandersetzung mit Immanuel Kant, der in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ zeigt, dass unser Bewusstsein die gegebene Wirklichkeit nicht passiv aufnimmt, sondern empirische Sinneseindrücke so organisiert, dass sie sich zu Erscheinungen und diese sich letztlich zur Einheit einer Welt zusammenfügen. Die Formen unserer Urteilsbildung werden dabei einstweilen als unveränderlich vorausgesetzt. Kants Ideal ist hier noch „das universal vertretbare Forschersubjekt“, als das ein Individuum die Stelle eines anderen übernehmen kann.

Ohne dass er dies im Einzelnen ausgeführt hätte, hält Kant jedoch prinzipiell auch einen...

Wolfgang Baum: Wie kommt Gott ins Denken?

Als Handreichung zu Prüfungszwecken gedacht, legt Wolfgang Baum unter der Perspektive des Verhältnisses zwischen Denken und Glauben ein Kompendium des Gottdenkens von der Antike bis zur Gegenwart vor. Der Autor richtet sich an einen größeren Leserkreis, der sich mit dem philosophischen Hintergrund des christlichen Glaubens beschäftigen möchte. Baums historische Tour d’Horizon hat zudem ein existentielles Motiv. Der Überblick dient einer zeitgemäßen Metaphysik. Diese ist notwendig, wenn man an dem Bekenntnis zum biblischen Gott festhalten will.

Nach kurzen einleitenden Ausführungen zu den Anfängen und zur Bedeutung der Schrift (I) bildet beim Gang durch die Antike der Wechsel zwischen einer idealistischen und einer realistischen Denkweise den roten Faden (II). Danach (III) steht das von...

Byung-Chul Han: Vita contemplativa

Byung-Chul Han holt zum Frontalangriff gegen Hannah Arendt aus. Betitelt wird der knapp über 100 Seiten lange Kreuzzug mit „Vita contemplativa. Oder von der Untätigkeit“. Damit positioniert sich das kleine Büchlein von Anfang an klar als Gegenentwurf zu Hannah Arendts philosophischem Hauptwerk „Vita activa. Oder vom tätigen Leben“, erstmals erschienen 1958 auf Englisch und 1960 auf Deutsch. Dazu ein Blick auf Aufbau, Gestaltung und Inhalt des Werkes:

Der Band beinhaltet sechs kürzere Essays, die einzeln und in unterschiedlicher Reihenfolge gelesen werden können. Han arbeitet sich an unterschiedlichen Denkerinnen und Denkern ab, die am Ende in einen allzu bekannten Standardkanon eingeordnet werden können, der landläufig „Kontinentale Philosophie“ (Heidegger, Benjamin, Agamben) genannt...