Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Winfried Schröder: Atheismus

Winfried Schröder nennt als sein Vorhaben die Darstellung und Diskussion der wichtigsten Einwände, die gegen den Atheismus vorgebracht werden. Zu Beginn werden die zentralen Begriffe „Atheismus“ und „Theismus“ erklärt, wobei Schröder im Theismus einen Sammelbegriff von Theorien über Gott sieht, im Atheismus aber lediglich die Einzelthese, Gott existiere nicht (11), auch wenn hinter der atheistischen These verschiedene philosophische Ansätze stünden. Die theistische Position, auf die sich Schröder beziehen will, beschreibt er unter dem Titel „Standardtheismus“ als die Annahme der Existenz eines transzendenten Wesens, das mit den Eigenschaften „allmächtig“, „allwissend“ und allgütig“ ausgestattet sei.

Der erste Einwand ist der Vorwurf des Dogmatismus, also der Atheismus sei dogmatisch in...

Asfa-Wossen Asserate / Annette Friese (Hg.): Toleranz – Schaffen wir das?

Dieser höchst lesenswerte polyphone Sammelband geizt qua Untertitel des Werkes nicht mit Superlativen: die(!) „Frage des Jahrhunderts“ steht an, dazu die „wichtigsten Stimmen Deutschlands“. Einer der Herausgeber kann ja einen unschätzbaren Vorteil zum Thema für sich reklamieren: Als Angehöriger des äthiopischen Kaiserhauses und zugleich als in Deutschland akademisch Ausgebildeter kennt er Äthiopien als Musterbeispiel eines friedlichen Zusammenlebens der abrahamitischen Religionen und als zweite Sicht die gesellschaftspolitischen Verhältnisse in Europa. Die Fülle der Textbeiträge lässt sich in drei Perspektiven unterteilen: erstens Positionen mit einem weiten, fast utopischen Toleranz-Begriff; zweitens solchem, die diesen noch als zu restriktiv kritisieren und schließlich drittens Stimmen,...

Christoph Türcke: Natur und Gender

Christoph Türcke, Professor für Philosophie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, wird damit leben müssen, künftig in bestimmten Meinungsmagazinen als „umstrittener Autor“ geführt zu werden. Diese Annahme rechtfertigt der Untertitel seines Buches: „Kritik eines Machbarkeitswahns“. Während der Haupttitel die Art der Beziehung zwischen den beiden Gliedern „Natur“ und „Gender“ offenlässt, dürfte der Untertitel eine pure Provokation für den Zeitgeist darstellen, besteht für ihn die vor einem Machbarkeitswahn zu schützende Natur doch, konkret gesprochen, vorrangig in dem vom Kohleabbau bedrohten Hambacher Forst, sehr viel weniger in dem von der Windkraftlobby begehrten Pfälzer Wald und erst recht nicht in dem, was der Mensch bei sich selbst im Sinne der Selbstoptimierung...

Nicola Gess: Halbwahrheiten

 

Wahrscheinlich sollte man sich freuen, wenn die Literaturwissenschaft heute stärker „Tatsachenwahrheiten“ in den Fokus nimmt, als sich wie bisher für Texte, ihre Echos und damit vor allem für die Wirklichkeit von Erzählungen, letztlich fürs Fiktionale zu interessieren. Denn mit dieser Neuausrichtung ist die Literaturwissenschaft auf der Höhe der Zeit angekommen und dient sich dem allgemeinen und inzwischen dominanten Paradigma des Empirischen an. So gewinnt sie an interdisziplinärer Anschlussfähigkeit und natürlich an Relevanz, wenn und insoweit sie sich am akademischen Wettbewerb um die angemessene Deutung der Wirklichkeit beteiligt.

Das vorliegende Buch der Schweizer Literaturwissenschaftlerin Nicola Gess ist ein Antrag in diese Richtung und schon von daher eine interessante...

Meltem Kulaçatan / Harry Harun Behr (Hg.): Migration, Religion, Gender und Bildung

Der Sammelband „Migration, Religion, Gender und Bildung. Beiträge zu einem erweiterten Verständnis von Intersektionalität“ entstand als Ergebnis der Jahrestagung 2017 des Rates für Migration. In diesem Netzwerk haben sich 160 Migrationswissenschaftlerinnen und Migrationswissenschaftler zusammengeschlossen. Dabei verwahren sich die Herausgeber in Ihrem Vorwort gegen den Vorwurf, „intersektionale Perspektiven seien ‚linke Wissenschaft‘“. Vielmehr trauen sie gerade diesem Ansatz zu, „das menschliche Subjekt in seiner Beunruhigung in den Blick [zu nehmen], und dies in einer Zeit, in der Menschen vermehrt in Merkmalskollektive verpackt werden und in der deren Erfahrungen und Befürchtungen einfach in Abrede gestellt werden“ (11). Daher möchte der Band gesellschaftliche Debatten um das Thema...

Christiane Frey / Uwe Hebekus / David Martyn (Hg.): Säkularisierung

Heinrich Heine schon meinte, das Totenglöckchen für den sterbenden Gott zu hören. „Es ist der alte Jehova selber, der sich zum Tode bereitet“, schrieb er. Und Friedrich Nietzsche sah erstaunt, dass die Menschen immer noch die Kirchen bevölkerten, diese »süßduftenden Höhlen«, die für ihn ja nichts anderes waren als „Grüfte und Grabmäler“ des von ihm totgesagten Gottes. Sie tun es auch heute noch, aber tatsächlich leeren sich die Kirchen zunehmend, zumindest in Europa. Die Religion ist hier seit gut drei Jahrhunderten auf dem Rückzug und einflussreiche Philosophen, Soziologen, Psychoanalytiker und Literaten sitzen am Krankenbett dieses Gottes, eifrig bemüht, Sterbehilfe zu leisten und den Prozess der Säkularisierung immer weiter voranzutreiben, also die Verdrängung der Religion aus der...

Hermann Stinglhammer / Bernhard Kirchgessner (Hg.): Einführung in das Christentum – für heute

Die beiden Herausgeber legen mit „Der Glaube an Gott“ den ersten eines auf drei Bände konzipierten Glaubenskurses vor. Am Apostolischen Glaubensbekenntnis orientiert, sind sie Joseph Ratzingers Buch „Einführung in das Christentum“ verpflichtet, wollen heutigen Adressaten die grundlegenden Inhalte des Glaubens aus unterschiedlichen Perspektiven vermitteln. Sie werden in sechs interessanten Kapiteln als Beiträge verschiedener Autoren klar und übersichtlich dargestellt.

Noch vor ihren Ausführungen steht das Gespräch der beiden Herausgeber mit dem Passauer Bischof Stefan Oster: „Ich glaube, wir glauben“ (13-33): Glaube ist als ein personales Verhältnis zu Jesus Christus zu verstehen, in dessen Heiligem Geist der Einzelne gemeinsam mit anderen in der Beziehung zu Gott, dem Vater, leben kann.

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Agnès Poirier: Notre Dame

Eine Verlusterfahrung besteht darin, dass man bemerkt, was fehlt. Eine Verlustkommunikation liegt in der schieren Unendlichkeit der Klage darüber, dass etwas fehlt und nicht zurückkommt – wie im omnipräsenten Krisen-Sprech unserer Tage angesichts der Covid-19-Pandemie und unserer Sehnsucht nach „neuer Normalität“. Wie aber ist der Vorgang zu bezeichnen, dass man erst dann merkt, was man hatte, wenn es einem zu fehlen beginnt?

Nostalgie ist es nicht, hängt damit aber zusammen. Es ist deshalb keine Nostalgie, weil diese lediglich den Gemütszustand jenes Vorgangs angibt, ihn aber noch nicht qualifiziert. Der Vorgang selbst liegt in einer Gedächtnisfunktion. Genauer gesagt liegt er in der Fähigkeit, den Gedächtnisbesitz zu mobilisieren und verwertbar zu machen – für (mehr oder weniger...