Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Robert N. Bellah: Der Ursprung der Religion

Das Buch beginnt mit Hans Joas’ vorzüglicher Einleitung in die Biografie und das Denken im Themenkreis einer „Globalgeschichte der Religion“ (XIX) des bekannten Religionssoziologen Robert Bellah. Dann kommt der Autor selbst zu Wort. Bellah bezieht sich in seiner differenzierten Erarbeitung des begrifflichen Instrumentariums seiner Darstellung der Religiosität der „Achsenzeit“ (1. Jahrtausend vor Christus) immer wieder auf andere Autoren, deren Bedeutung für sein Denken er würdigt. Wenn ich im Folgenden seine grundlegenden Denkfiguren skizziere, dann verzichte ich der Übersichtlichkeit willen außer bei Zitaten auf Namensnennungen.

Bellah geht im ersten Schritt von der Voraussetzung aus, dass am Beginn der Religion die Erzeugung von dauerhaft wirkenden „Stimmungslagen und Motivationen“ (9)...

John von Düffel: Das Wenige und das Wesentliche

Der Einklang von Inhalt und Form, ist eine Kunst, die auch in der Literatur nicht selbstverständlich ist. Hier ist es John von Düffel gelungen, dem Titel seines Buches entsprechend, die Worte sparsam zu setzen und den Gedankengang auf der Spur des Wesentlichen zu halten. Der Text läuft wie ein Prosagedicht über die Seiten mit Absätzen zum Innehalten. Der Untertitel „Ein Stundenbuch“ hat seine Berechtigung. Der Text will nicht von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen werden. Er möchte immer wieder in einer ruhigen Stunde in die Hand genommen, bedacht und durchdacht werden. Die ansprechende äußere Gestaltung lädt dazu ein, das Buch an einem ruhigen Leseort zu deponieren, um immer wieder darauf zurückzugreifen. Oder man nimmt es als Begleiter auf eine längere Zugfahrt mit, um es in...

Peter Sloterdijk: Wer noch kein Grau gedacht hat

Wie immer spritzig und ungemein belesen, um keine Pointe verlegen und des Öfteren eine zu viel – aber Idee und Durchführung sind originell und anregend: Just jene Farbe bzw. Nichtfarbe ist Thema, die gemeinhin als eher überflüssig, störend oder banal gilt wie eben der berüchtigte graue Alltag. Erfrischend Neues kommt zu Tage – z.B. die „Enthierarchisierung und Entsymbolisierung“ im Farbenreich nach der Aufklärung: das göttlich-mystische Weiß als Ineinsfall aller Farben und Gegensätze wird entthront z.B., jede Farbe hat pluralistisch ihr Eigenrecht, und bunt soll es zugehen. Zu Tage tritt zudem, dass die gemischte Ein-Faltung aller prismatischen Farben nicht Weiß ergibt, sondern – Grau. Mit Platons Höhlengleichnis, Hegels Eule der Minerva und Heidegger kommen drei Stationen in den Blick,...

Josef Seifert: Erkenntnis des Vollkommenen. Wege der Vernunft zu Gott

Für einflussreiche aktuelle Strömungen der Theologie ist Gott in absoluter Transzendenz verborgen und damit unerkennbar. Kant, auf dessen Erkenntnistheorie sich diese Richtung beruft, hat mit seinem Subjektivismus, nach dem Erkenntnis erst durch das gebildet wird, was die im Menschen angelegten Anschauungs- und Denkformen an das sinnlich Wahrgenommene herantragen, scheinbar jeder Metaphysik den Boden entzogen. Die Konsequenz ist entweder ein blinder Sprung in den Glauben oder ein radikaler Agnostizismus, von dem es nur ein kleiner Schritt zum Atheismus ist, der Kants Subjektivismus radikalisiert und in Gott eine Erfindung des Menschen zur Selbsttröstung sieht, wie etwa bei Feuerbach.

Das ist die Ausgangslage, an der diese Schrift von Josef Seifert (geb. 1945) ansetzt. Der katholische...

Thomas Weckerle (Hg.): Michael Morgner. Werkverzeichnis Bilder und Plastiken

Bereits im ersten Jahr an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig weiß ein junger, 1942 in Chemnitz geborener Student ganz genau, was er nicht will: keinen sozialistischen Realismus – „es darf nicht“, sagt er 2020 rückblickend, „aussehen wie DDR-Kunst“. Nach dem Studium (1961-1966) kehrt er zurück ins nahe gelegenen Einsiedel, wo er bis heute als freischaffender Künstler lebt und arbeitet.

Der junge Student heißt Michael Morgner und ist als Zeichner, Druckgrafiker, Maler und Stahlplastiker, aber auch als Aktionskünstler hervorgetreten. Nach Jahren des Suchens hat er zu einem eigenständigen und unverwechselbaren Stil gefunden. Er wurde mit etlichen Preisen – wie 2012 dem „Gerhard-Altenbourg-Preis“, dem Kulturpreis des Landes Thüringen, und 2018 dem „Kunstpreis zu Ehren von Karl...

Richard Schaeffler: Transzendentale Theologie

Das vorliegende Werk ist eine posthume Veröffentlichung, mit der Richard Schaeffler selbst noch sein religionsphilosophisches Lebenswerk zusammengefasst hat. Es setzt an als Auseinandersetzung mit Immanuel Kant, der in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ zeigt, dass unser Bewusstsein die gegebene Wirklichkeit nicht passiv aufnimmt, sondern empirische Sinneseindrücke so organisiert, dass sie sich zu Erscheinungen und diese sich letztlich zur Einheit einer Welt zusammenfügen. Die Formen unserer Urteilsbildung werden dabei einstweilen als unveränderlich vorausgesetzt. Kants Ideal ist hier noch „das universal vertretbare Forschersubjekt“, als das ein Individuum die Stelle eines anderen übernehmen kann.

Ohne dass er dies im Einzelnen ausgeführt hätte, hält Kant jedoch prinzipiell auch einen...

Wolfgang Baum: Wie kommt Gott ins Denken?

Als Handreichung zu Prüfungszwecken gedacht, legt Wolfgang Baum unter der Perspektive des Verhältnisses zwischen Denken und Glauben ein Kompendium des Gottdenkens von der Antike bis zur Gegenwart vor. Der Autor richtet sich an einen größeren Leserkreis, der sich mit dem philosophischen Hintergrund des christlichen Glaubens beschäftigen möchte. Baums historische Tour d’Horizon hat zudem ein existentielles Motiv. Der Überblick dient einer zeitgemäßen Metaphysik. Diese ist notwendig, wenn man an dem Bekenntnis zum biblischen Gott festhalten will.

Nach kurzen einleitenden Ausführungen zu den Anfängen und zur Bedeutung der Schrift (I) bildet beim Gang durch die Antike der Wechsel zwischen einer idealistischen und einer realistischen Denkweise den roten Faden (II). Danach (III) steht das von...

Byung-Chul Han: Vita contemplativa

Byung-Chul Han holt zum Frontalangriff gegen Hannah Arendt aus. Betitelt wird der knapp über 100 Seiten lange Kreuzzug mit „Vita contemplativa. Oder von der Untätigkeit“. Damit positioniert sich das kleine Büchlein von Anfang an klar als Gegenentwurf zu Hannah Arendts philosophischem Hauptwerk „Vita activa. Oder vom tätigen Leben“, erstmals erschienen 1958 auf Englisch und 1960 auf Deutsch. Dazu ein Blick auf Aufbau, Gestaltung und Inhalt des Werkes:

Der Band beinhaltet sechs kürzere Essays, die einzeln und in unterschiedlicher Reihenfolge gelesen werden können. Han arbeitet sich an unterschiedlichen Denkerinnen und Denkern ab, die am Ende in einen allzu bekannten Standardkanon eingeordnet werden können, der landläufig „Kontinentale Philosophie“ (Heidegger, Benjamin, Agamben) genannt...