Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Rüdiger Sünner: Zeige deine Wunde. Kunst und Spiritualität bei Joseph Beuys

Der Strom intellektueller Deutungen zur Kunst ist gewaltig; die Auffassung des Ästhetischen als eines „sinnlichen Scheinens der Idee“ (Georg W.F. Hegel) öffnete Schleusen, die die Abstraktion der Moderne und ihre konzeptuellen Ansätze noch weiter aufstießen.

Rüdiger Sünner, 1953 in Köln geborener und heute in Berlin tätiger Filmemacher und Musiker, stellt seine sensible spirituelle „Spurensuche“ im hochkomplexen und vielgestaltigen Gesamtwerk Joseph Beuys‘ eigenwillig mitten in diesen Strom hinein – ohne der akademischen Deutungslogik zu folgen. Was er erspürt hat, präsentiert der eindrückliche Film „Zeige deine Wunde“ von 2015. Fundierte Erkenntnisse sowie teils sehr persönliche Empfindungen und Gedanken schrieb der freie Autor während der Film-Produktion nieder und veröffentlichte sie...

Dan Diner/ Carl Friedrich Gethmann (Hg.): Herrschaft des Konkreten

Einem breiteren Lesepublikum bereitet die Lektüre von Tagungsbänden nicht selten Mühe: Oftmals werden Miniaturen fachspezifischer Diskursanalysen dargeboten, deren Referenzrahmen sich erst nach geraumer, kundiger Einarbeitung erschließt. Mit dem vorgelegten Band „Herrschaft des Konkreten“ werden die Herausgeber dem hochgesteckten Ziel der Mäzene hingegen mehr als gerecht, „im interdisziplinären Dialog zentrale Themen der globalisierten Gesellschaft in historischer und gegenwärtiger Perspektivierung zur erörtern und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen“.

Die tagespolitische Brisanz und Aktualität des bei erster Lektüre etwas enigmatisch erscheinenden Titels erschließt sich gleich im einleitenden Beitrag des Historikers und Publizisten Dan Diner, der hochinteressante und relevante...

Thomas Alexander Szlezák: Platon

Thomas A. Szlezák, international renommierter Platon-Kenner, weist in seiner neuesten, ebenso voluminösen wie kenntnisreichen Studie nach: Platon will zur klaren Welt des Geistes und der Ideen emporsteigen. Sein berühmtes „Höhlengleichnis“ in der Politeia zeigt es: Ohne Ab- und Umkehr, metanoia, gibt es kein Verhältnis zur Wahrheit. Die Wahrheit aber gilt es zu erkennen. Sie ist das eigentliche Ziel und die Erfüllung des menschlichen Lebens. Es geht darum, den Weg aus der dunklen Höhle zu finden, den Aufstieg aus der Schattenwelt ins Licht zu wagen.

Erkenntnis und Leben, Wahrheit und Interesse gehören nach Platon zusammen. Zugegeben: Den Standpunkt des Protagoras, der Mensch sei das Maß aller Dinge, teilte er in letzter, d.h. ontologischer Konsequenz nicht. Dennoch war für Platon die...

Jochen Hörisch: Hände. Eine Kulturgeschichte

„Wer nicht handelt, wird behandelt.“ Handel ist keineswegs nur eine Kategorie der Wirtschaft, und erst recht führen die Händel oder die sprichwörtlichen Handgreiflichkeiten in eine andere Welt. Bei Licht besehen ist also das Körperorgan „Hand“ weit mehr als eine raffinierte Vorrichtung zum Greifen. Haptisch geht es im Leben überhaupt zu, und Be-Greifen ist alles. Wer sich, mit Hilfe dieses Buches erst recht, erst einmal auf die Suche macht, in Alltagsleben und Sprachgebrauch die Bedeutung der Hände zu erkunden, wird überraschende Entdeckungen machen: Wer denkt schon bei Manieren oder Manager an die Programmatik ihrer sprachlichen Herkunft? Wer assoziiert mit Emanzipation das Faktum, dass wir Menschen erst einmal in die Hände anderer geraten, bevor wir unser Leben hoffentlich selbst in die...

Ralph Ghadban: Allahs mutige Kritiker

In einem Satz: Es ist ein lohnendes Unterfangen, dieses Buch ab Seite 128 zu lesen – den Teil davor vergessen Sie besser! Dort stellt der Autor seinem Anliegen ohne Not selber ein Bein.

Doch fangen wir mit dem Guten an: Seine Stärken entwickelt Ghadban (ab Seite 128) in einer kompetenten Darstellung der großen innerislamischen Vielfalt zur Sicht auf die eigene Religion, wie sie in den meist urbanen Milieus gebildeter Muslime in vielen islamisch geprägten Ländern seit den Reformbestrebungen des 19. Jahrhunderts gelebt wurde – und bis in die aktuelle Zeit hinein gelebt wird. Hier wird die bunte Diversität der Meinungen zwischen konservativen Theologen, Reformtheologen, Main-Stream-Muslimen, „Koranisten“ (welche die orthodoxe Tradition der Sunna kritisch sehen oder ablehnen), Muslim-Brüdern,...

Felix Körner: Politische Religion

Felix Körner hat in den letzten Jahren zahlreiche Beiträge zu Sammelbänden und eine Reihe von Monographien vorgelegt. Sie alle gehören zum weiten Themenbereich Kirche bzw. katholisches theologisches Denken im Angesicht des Islams. Nach und nach entsteht ein bedeutendes Opus origineller und ganz eigener Prägung. Es stellt sich umfassend den Fragen, die sich dem katholischen theologischen Denken im Kontext der kulturellen und religiösen Pluralität der gegenwärtigen Welt stellen und will vor allem auch von den Zeugnissen der Muslime lernen.

Der vorliegende Band stellt Körners neuestes Werk dar. Es behandelt ein Kernthema politischen und theologischen Denkens historisch weitausgreifend, tiefschürfend, in prägnanter, treffsicherer Sprache. In sechs Anläufen beschreibt er, wie Religionen als...

Pierre Claverie: An der Nahtstelle zweier Welten. Muslime und Christen im Dialog

Mit einiger Ehrfurcht nimmt man diese Auswahl von Texten des 2018 seliggesprochenen Dominikaners Pierre Claverie über den Dialog zwischen Muslimen und Christen zur Hand, denn um den Preis seines eigenen Lebens hat sich Claverie im nachkolonialen Algerien in einer von Gewalt gegen Christen geprägten Zeit für ein friedliches Zusammenleben der Religionsgruppen eingesetzt. Als Bischof von Oran wollte er mit unbedingtem Willen zum Dialog auch angesichts des zunehmenden Terrors nicht resignieren und seine ihm anvertraute Herde der noch im Land verbliebenen Christen nicht verlassen. Doch der Hass sparte ihn nicht aus und so fiel er am 1. August 1996 zusammen mit dem erst 21-jährigen Mohamed Bouchikhi, der als Moslem ehrenamtlich für ihn arbeitete, einem Bombenanschlag zum Opfer.

Wer also wäre...

Ivan Ivanji: Hineni. Roman

„Hineni“ lautet der Titel des Abraham-Romans von Ivan Ivanji. Das aus dem Hebräischen übersetzte „Hier bin ich“ ist nach biblischer Überlieferung die Antwort des Ahnvaters auf den Anruf Gottes und Beginn eines langen, intensiven Dialogs. In Ivanjis Roman ist das „Hier bin ich“ weniger Antwort als verzweifelte Selbstvergewisserung eines den nächtlichen Sternenhimmel betrachtenden Ratlosen. Der Autor lässt aus dem Mund Avrams, wie er den Ahnvater alttestamentlich nennt, dessen Lebensgeschichte als Konstruktion seines Selbstentwurfs erzählen. Gott bleibt für Avram ein Schweigender, ein Unergründlicher. Vielleicht ist dies den eigenen Erfahrungen des 1929 geborenen jüdischen Autors, einem Überlebenden der Shoa, geschuldet.

Der Anlass, diesen Roman zu schreiben, war für Ivanji ein Erlebnis,...