Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Felicitas Hoppe: Fährmann, hol über!

Das Thema „Religion und Literatur“ kann man wissenschaftlich angehen, indem man die religiösen Erfahrungen, die sich in literarischen Texten niedergeschlagen haben, beschreibt und deutet. Wer zu diesem Büchlein von Felicitas Hoppe greift, nimmt unmittelbar Anteil am Entstehungsprozess religiös grundierter Literatur und begegnet einer belesenen Schriftstellerin, die fähig ist, selbstreflexiv Rechenschaft von ihrem eigenen Leben und Schreiben zu geben.

Die 1960 geborene Schriftstellerin, Trägerin des renommierten Büchner-Preises und zahlreicher anderer literarischer Auszeichnungen, stammt aus einer „katholischen Familie von Tag- und Nachtträumern, von schlesischen Vielrednern auf der Flucht, die auch ihre Träume einander nicht vorenthielten; Träume, von denen ich bis heute nicht weiß, ob...

Thomas Menges / Martin W. Ramb / Holger Zaborowski (Hg.): Horst Sakulowski

Im Angesicht des gefolterten Jesus von Nazareth soll ausgerechnet der Statthalter Pontius Pilatus, ein Funktionär der römischen Besatzungsmacht in Jerusalem – damals Teil der Provinz Syria – „Siehe da, der Mensch!“ ausgerufen haben, bevor er ihn zur Kreuzigung verurteilte. Der hellsichtige Erkenntnismoment des Römers verhinderte die staatlich exekutierte Gewalttat nicht – und stimmte nicht einmal die Basis, die jüdische Menschenmenge, zur angebotenen Begnadigung um. Dennoch begründete der Blick auf das menschliche Leiden einen Perspektivwechsel, der die christliche und humanistische Sicht auf den Menschen initiierte.

Mit dem Titel „ECCE HOMO“ umreißen die drei Herausgeber das malerische, graphische und zeichnerische Werk des 1943 in Saalfeld/Thüringen geborenen Künstlers Horst Sakulowski...

Nicola Gess: Halbwahrheiten

 

Wahrscheinlich sollte man sich freuen, wenn die Literaturwissenschaft heute stärker „Tatsachenwahrheiten“ in den Fokus nimmt, als sich wie bisher für Texte, ihre Echos und damit vor allem für die Wirklichkeit von Erzählungen, letztlich fürs Fiktionale zu interessieren. Denn mit dieser Neuausrichtung ist die Literaturwissenschaft auf der Höhe der Zeit angekommen und dient sich dem allgemeinen und inzwischen dominanten Paradigma des Empirischen an. So gewinnt sie an interdisziplinärer Anschlussfähigkeit und natürlich an Relevanz, wenn und insoweit sie sich am akademischen Wettbewerb um die angemessene Deutung der Wirklichkeit beteiligt.

Das vorliegende Buch der Schweizer Literaturwissenschaftlerin Nicola Gess ist ein Antrag in diese Richtung und schon von daher eine interessante...

Philippa Rath (Hg.): „Weil Gott es so will.“ Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin oder Priesterin

Das von St. Philippa Rath, Benediktinerin der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim-Eibingen, herausgegebene Buch verdankt sein Entstehen dem „Synodalen Weg“. Sr. Philippa wurde nämlich als Delegierte des „Synodalen Weges“ in das Forum „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ gewählt und arbeitet dort in einer Untergruppe mit, die sich mit der theologischen Argumentation im Blick auf die Teilhabe von Frauen am sakramentalen Ordo befasst. In diesem Zusammenhang kontaktierte sie zwölf Frauen mit der Bitte, ihre persönliche Berufungsgeschichte zur Diakonin oder Priesterin zu berichten. Innerhalb von 5 Wochen erreichten sie dann 150 Zeugnisse von Frauen, die sich zum Diakonen- oder Priesteramt berufen fühlen, aus bekannten Gründen diese Berufung aber nicht leben können.

Der Hauptteil des Werkes...

Eugen Drewermann: An den Quellen des Lebens

 

Eugen Drewermanns perspektivreiches Denken richtet sich in seinem Kern weder auf den Menschen noch Gott allein, sondern auf das „Dazwischen“ – jene Beziehung zwischen Mensch und Mensch und Gott und Mensch, die das Individuum von seinen quälend-beklemmenden Kontingenzerfahrungen zu heilen vermag und ihm ein „Jenseits" aller irdischen Beschränkungen eröffnet. Ein wiederkehrendes Symbol für dieses lebensbedeutsame „Dazwischen“ ist bei Drewermann das Fenster. Denn er begreift das einzelne, auf sich selbst fixierte Leben als bloßes Dahinvegetieren in einem „unentrinnbaren Gefängnis", in dem der Mensch wie ein unschuldig zum Tode Verurteilter auf den Tag der Hinrichtung warte (39). Als Gefangener erscheint das Individuum bei Drewermann geradezu krankhaft verkapselt, abgeschnitten von der als...

Peter Kliemann: Glauben ist menschlich

„Glauben ist menschlich“: Fatal oder beabsichtigt: Wer denkt bei diesem Titel nicht an eine Verwechslung des Glaubens mit dem Irren? Einem banalen, Descartes-freien Verständnis nach würde das eine Provokation darstellen: Glaube bedeute, typisch menschlich an Fake Realities ausgeliefert zu sein, sei also mit Anselm: Torheit. „Torheit vom gekreuzigten Gott“, so spricht konsequent der Untertitel. Das klingt fast wie Paulus nach Moltmann oder Jüngel, ist es aber nicht und wäre so auch irreführend.

Und jetzt könnte es losgehen mit dem Theologisieren – was nicht geschieht. Denn die folgenden 350 Seiten handeln von etwas anderem, wie es der Klappentext und einige Fußnoten zu erklären versuchen. Das Buch handelt tatsächlich erstens von der überarbeiten Sammlung der Oberstufenkurse im Fach...

Stefanie de Velasco: Kein Teil der Welt. Roman

Versalzene Seelen!

„Oben an der Decke flog eine winzige Motte gegen die Neonröhren, sie raste ins Licht, immer und immer wieder, prallte ab und fiel irgendwann tot auf uns herab.“ Nach ihrem Romandebüt „Tigermilch“ erzählt Stefanie de Velasco mit ihrem neuen Roman die Geschichte von Esther, die kurz nach der Wende mit ihren Eltern unfreiwillig nach Ostdeutschland, der ursprünglichen Heimat ihres Vaters, zieht, um dort für Jehova Menschen zu fischen. Wie die Autorin selbst wächst Esther in einer Zeugen Jehovas-Familie auf: Gottkonformes Verhalten, extensives „Bibelstudium“, das sie zu wissensakrobatischen Höchstleistungen treibt – Bibelwissen abfragen zählt zu den Lieblingsbeschäftigungen am familiären Abendtisch –, kaum Kontakte zu den „Weltmenschen“, kein weltliches Engagement und...

Christian Heidrich: Hunde des Himmels. Gedichte

Der meistbesprochene Auftritt bei der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Joe Biden war der einer Poetin. Die junge Lyrikerin Amanda Gorman trug vor einer weltweiten und beeindruckten Öffentlichkeit ihr Gedicht „The hill we climb“ vor. Mit ihren Versen entwarf sie einen eigenen Blick auf die USA der Gegenwart und löste in den Feuilletons die Frage aus, welche Rolle Lyrik in unserer Gesellschaft spielen kann. Doch welche Kraft und Bedeutung mag Lyrik als eigenes Genre auch in Theologie und Kirche zukommen? Der Theologe, Publizist und Lehrer Christian Heidrich gibt mit seinen neuen Gedichten vielfältige, tief nachdenkliche wie heitere Antworten auf diese Frage.

„Hunde des Himmels“ lautet der im Echter-Verlag erschienene Band, der rund einhundert Gedichte des Poeten versammelt. Dabei...