Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Sibylle Lewitscharoff / Heiko Michael Hartmann: Warten auf. Gericht und Erlösung: Poetischer Streit im Jenseits

„Unser keiner lebt sich selbst, und niemand stirbt sich selber.“ Der dezidierte Vers aus dem Römerbrief (14,7) steht am Eingang dieses Dialogbuches, und man darf in ihm einen Schlüssel sehen für alles, was folgt. Denn bekanntermaßen sind Leben und Tod, Zeit und Ewigkeit, Leib und Seele, sicherlich auch Schuld und Sühne samt der Idee der Gerechtigkeit irdisch inkommensurabel. Nur die Zusatzannahme Gott eröffnet eine Dimension, die auf eine Aufhebung dieser Gegensätze, auf ihre Versöhnung hoffen lässt. Die christliche Kunde von der Trinität wagt sich hier weit voran, wenn sie davon spricht, dass Gott „in“ Jesus Christus Mensch wurde; dass in Jesu Auferstehung der garstige Todesgraben zu einem Hoffnungszeichen wurde. Christen halten an dieser Kunde fest, daran, dass sie nach diesem Leben der ...

Thomas Hieke / Konrad Huber (Hg.): Bibel falsch verstanden

In der Arbeit mit Studierenden, deren schulischer Religionsunterricht rein altersmäßig nicht allzu weit zurück liegt, ist der Rezensent mitunter sehr verwundert, wie lang die Halbwertszeit mancher bibeltheologischer und exegetischer Fehldeutungen ist. Oder anders formuliert: Der von Thomas Hieke und Konrad Huber herausgegebene und aus insgesamt 33 (…eine bewusst gewählte Zahl?) Beiträgen evangelischer und katholischer Exegetinnen und Exegeten bestehende Band ist letzten Endes ein Kaleidoskop dessen, was in den zurückliegenden Jahrzehnten kirchlich und exegetisch-theologisch gelehrt wurde und auch heute zum Teil noch zu lesen und zu hören ist und sich ins Gedächtnis tief eingegraben hat. Gleichzeitig zeigen die Beiträge indirekt auf, welche Folgen es zeitigt, wenn biblische Texte ohne...

Jens Schröter: Jesus. Leben und Wirkung

Unvergleichliche Faszination, Inspiration und Irritation seit zweitausend Jahren: Mit diesen Begriffen umreißt Jens Schröter, Professor für Neues Testament und antike christliche Apokryphen an der Humboldt-Universität Berlin, die immense Wirkung Jesu von Nazareth. Angesichts dieser Wirkungsgeschichte, aber auch der unzählbaren vorhandenen Jesus-Bücher ist es eine Kunst für sich, so knapp, präzise und in verständlicher Sprache über das historisch Gesicherte zum Leben Jesu zu informieren. Der Autor legt dabei vorab wohltuend die Selektivität und Perspektivität einer jeglichen historischen Darstellung offen. Dazu gehört Transparenz hinsichtlich seiner eigenen Verortung als (west)europäischer Wissenschaftler zu Beginn des 21. Jahrhunderts, der auf der Grundlage historisch-kritischer...

Walter Homolka: Der Jude Jesus

Das Buch ist mehr als nur eine Bestandsaufnahme und Kommentierung der verschiedenen christlichen und jüdischen Auseinandersetzungen mit der Person Jesu. Dem Autor geht es darum, alte Vorbehalte abzubauen und neue Wege der Aussöhnung aufzuzeigen. Diese können aber erst dann beschritten werden, wenn die tiefe Verortung des Jesus von Nazareth im Judentum den Christen deutlicher gemacht wird. Der Leser ist zunächst erstaunt, wenn er die vorangestellte Widmung liest. Sie gilt Christian Stückl, dem Spielleiter der Oberammergauer Passionsspiele. Eine solche Ehrung ist außergewöhnlich, waren es doch gerade die Passionsspiele, die sich seit ca. 300 Jahren eines subtilen und teilweise sogar offenen Antijudaismus bedient haben. Rabbiner Homolka, der Christian Stückl den Abraham-Geiger-Preis 2020 für...

Michael Blume: Verschwörungsmythen

In dem Film „Fletchers Visionen“ von 1997 deckt Jerry Fletcher (Mel Gibson) zusammen mit der Staatsanwältin Alice Sutton (Julia Roberts) eine ungeheure Verschwörung auf: Die CIA hat Menschen mit Hilfe von illegalen Experimenten zur Bewusstseinskontrolle gezielt zu Mördern ausgebildet, die in ihrem Auftrag unliebsame Zeitgenossen töten. Jerry Fletcher ist einer dieser Killer. Was den Film sehr spannend macht, ist nicht nur seine rasante Handlung, sondern auch, dass Jerry Fletcher in dem Film glaubhaft weiteren Verschwörungstheorien einen hohen Wahrheitsgehalt verleihen kann, die als moderne Sagen oder Legenden im kollektiven Bewusstsein gespeichert sind, wie z.B. die Versetzung des Trinkwassers mit Drogen durch die Regierung oder die Chemtrails.

Was dem Film „Fletchers Visionen“ einen...

Terry Eagleton: Opfer

Einer in dieser Hinsicht zutreffenden Rezension im Feuilleton einer großen deutschen Tageszeitung zufolge geht es dem britischen Literaturwissenschaftler Terry Eagleton, der eine Professur für Englische Literatur an der Lancaster University innehat, in seinem hier angezeigten Buch um die Suche nach einem Übergang von einem katholisch geprägten Christentum zu einem unorthodoxen Marxismus. Das neueste Werk des Autors zahlreicher, auch in deutschen Verlagen veröffentlichter Publikationen erschien in englischer Sprache im Jahr 2018 und in seiner deutschen Übersetzung zwei Jahre später im Wiener Promedia-Verlag. Möglicherweise kein amüsanter Zufall, denn im Jahr 2018 gab der 200. Geburtstag von Karl Marx Anlass zu einer Flut zahlreicher Veröffentlichungen und noch zahlreicherer Veranstaltungen...

Philippe Wampfler: Digitales Schreiben

„Was etwas Geschriebenes bedeuten mag, erfahren Menschen erst, wenn andere es lesen.“ Dieser Satz der Einleitung beschreibt gut, worum es in diesem Buch geht: Nämlich um das Schreiben an sich, wie es in den Unterricht eingebettet werden kann und vor allem welche Resonanzen es beim Leser und daraufhin auch beim Schreiber selbst hervorrufen kann. Dieser nicht unbedingt ganz neue Ansatz wird um das Feld der digitalen Möglichkeiten erweitert und erfährt so durchaus neue Perspektiven und Möglichkeiten.

Ein Schreiben als Ausdruck einer Kultur der Digitalität erstreckt sich auf verschiedene Ebenen (Schreiben im Netz, Schreiben mit Schreibsoftware, Schreiben mit digitalen Endgeräten) und nimmt unterschiedliche Funktionen wahr, eine psychische, eine soziale sowie eine kognitive Funktion. Analog zu...

Frauke Fischer / Hilke Oberhansberg: Was hat die Mücke je für uns getan?

 

Der dramatische Verlust von Biodiversität, welches als das größte massenhafte Aussterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier gilt, dürfte vielen bekannt sein. Aber das Wissen über die Ursachen und Folgen für das menschliche Leben ist nicht so verbreitet, wie es notwendig wäre. Und erst recht hat sich die Erkenntnis nicht im Handeln der Politik und der Bevölkerung niedergeschlagen. Klimawandel und Artensterben sind eng wechselwirkend miteinander verknüpft. Hier leisten die Biologin Frauke Fischer und die Umweltwissenschaftlerin Hilke Oberhansberg mit ihrem Buch nötige Aufklärung. Es ist fachlich solide und dennoch locker geschrieben, dass sowohl Schülerinnen und Schüler der Mittel- und Oberstufe als auch Vorstände es begreifen – wobei ich mir bei denen von Bayer/Monsanto nicht so sicher...