Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Thomas Hieke / Konrad Huber (Hg.): Bibel um-gehen

Die Herausgeber Thomas Hieke und Konrad Huber, beide Professoren in Mainz, sind überzeugt: „Wer seine Reserven gegenüber dir Bibel aufgibt, der … taucht hinein ins volle Leben und darf sich überraschen lassen.“ (13) Weil manche dieser Überraschungen aber nicht nur angenehm sind, wollen sie zum Umgang mit solchen „provokativen und irritierenden Texten“ helfen: Man solle solche Texte nicht vermeiden, sondern sie stattdessen sorgfältig lesen und auch aus ihrem jeweiligen Kontext und historischen Umfeld heraus verstehen lernen.

Nach einer Einleitung werden in 37 kurzen Kapiteln 20 Texte aus dem AT und 17 aus dem NT von ebenso vielen Fachleuten erklärt. Alle Autorinnen und Autoren haben zumindest promoviert, die meisten lehren im akademischen Kontext, vor allem an katholischen Fakultäten....

Sandra Huebenthal: Gedächtnistheorie und Neues Testament

Überraschenderweise gab es vor dieser „methodisch-hermeneutischen Einführung“ kein Lehrbuch, das die neutestamentlichen Texte mit Blick auf eine Gedächtnistheorie auslegt. Sandra Huebenthal schließt diese Lücke.

Die Verfasserin gliedert ihr Lehrbuch in drei Teile. Im ersten Teil (13–135) geht es um die hermeneutischen Grundlagen für einen kulturwissenschaftlich-gedächtnistheoretischen Zugang, der es ermöglicht, neutestamentliche Texte als Artefakte kollektiver Gedächtnisse, ähnlich wie Momentaufnahmen frühchristlicher Identitätsbildungsprozesse, zu lesen (25). Huebenthal stellt drei Formen kollektiver Gedächtnisse heraus: 1. Das „soziale Gedächtnis“, das von dem Tod der Träger ausgelöst wird und zeitlich begrenzt zwei Generationen dauert, von unterschiedlichen Perspektiven gekennzeichnet...

Ursula Ulrike Kaiser: Neutestamentliche Exegese kompakt

Die von Ursula Ulrike Kaiser im Vorwort skizzierte Ausgangslage, es gebe „schon genügend Exegesebücher auf dem Markt“, stimmt skeptisch gegenüber dem Mehrwert eines weiteren exegetischen Methodenbuchs zum Neuen Testament. Die seit 2019 an der TU Braunschweig lehrende Professorin für Biblische Theologie betritt jedoch mit ihrem Lehrbuch „Neutestamentliche Exegese kompakt“ Neuland mit der systematischen Integration von jüngsten hermeneutischen und technologischen Umwälzungen innerhalb der exegetischen Fachkultur.

So ist der Arbeit mit neuester Bibelsoftware nicht nur ein eigenes Kapitel gewidmet, sondern es finden sich im gesamten Buch QR-Codes, die Lesende sofort mit E-Books oder Websites versorgen, die für das jeweilige Thema nützlich sind. Der innovative Ausgriff auf das Genre...

Stefan Seidel: Nach der Leere

Wir erfahren in der Kirche die Leere: leere Kirchen, Menschen, denen der Glaube nichts mehr sagt, den Zusammenbruch vertrauter Gewissheiten. Wir stehen im Schatten der Säkularisierung. Glauben wir selbst noch an Gott? An welchen Gott kann man noch glauben? Brauchen wir Religion? Muss man in der Kirche sein oder kann man jenseits institutioneller Bindungen ein religiöses oder spirituelles Leben führen? Vieles ist im Umbruch. Doch was wird kommen – nach der Leere? Was könnte, was sollte kommen? Der Theologe und Journalist Stefan Seidel widmet sich in seinem neuen Buch diesen heute so zentralen Fragen und versucht, Konturen eines Glaubens nach der Leere aufzuzeigen – in einer dichten, oft poetischen und zugleich glasklaren Sprache.

Ohne Scheu diagnostiziert Seidel das Leben unter säkularen...

Dieter Henrich: Furcht ist nicht in der Liebe

Eine verborgene religiöse Musikalität kennzeichnet das reichhaltige Schrifttum des deutschen Philosophen Dieter Henrich (1927-2022). Besonders seine Werke über den Deutschen Idealismus fanden große Beachtung und über die Philosophie hinaus Resonanz. Henrichs Denken lässt sich lesend als geistig weiträumig erfahren, in dem – wie nun in der letzten von ihm publizierten Schrift – ein Ausblick über die Endlichkeit hinaus möglich erscheint.

Behutsam und sensibel nähert sich der Philosoph dem titelgebenden Satz aus dem ersten Johannes-Brief an, den er existenziell als berührend und ergreifend wahrnimmt. Menschen, die in Not seien, vielleicht geistlich obdachlos und zugleich sehnsüchtig nach Gott sind, lassen sich von der „überwältigenden Einsichtigkeit“ ansprechen. Oder sollte eine...

Helga Schubert: Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe

Helga Schubert wurde 1940 in Berlin geboren, in der DDR als Literatin diskriminiert, und 2020 für eine Geschichte des Vorgängerbuches „Vom Aufstehen“ mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Im neuen Titel erstaunt das aus der Zeit gefallene „Stundenbuch“, das üblicherweise täglich wiederkehrende Texte klösterlicher Gebete und Gesänge enthält. In der Tat: Die titellosen, oft nur wenige Seiten langen Kapitel öffnen intime Räume einer täglichen Routine. Diese besteht hier in keinem verbalisierten Gotteslob, sondern in den Beschwernissen des Alltagslebens eines hochbetagten Paares – geschildert aus der Perspektive der pflegenden, über 80-jährigen Icherzählerin, die weitestgehend mit der Autorin identisch ist. Ein erneuter Ansatz, das Alter und seine Gebrechen literarisch aus der...

Gesine Schwan: Warum ich die Hoffnung nicht aufgebe

Vielen dürfte die vielfach ausgezeichnete Politikwissenschaftlerin, Universitätspräsidentin, Koordinatorin der Bundesregierung für die grenznahe und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit Polen, Leiterin der Grundwertekommission der SPD und amtierende Präsidentin der Berlin Governance Platform Gesine Schwan vor allem durch ihre zweimalige Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten und 2019 für den Parteivorsitz der SPD bekannt sein. Anlässlich ihres 80. Geburtstags ist nun ein Gesprächsband erschienen, der ihren christlichen Glauben als Grundlage ihres wissenschaftlichen und politischen Engagements herausstellt. Im Gespräch mit Holger Zaborowski, Theologe, Philosoph sowie Klassischer Philologe und Lehrstuhlinhaber für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der...

Etty Hillesum: Ich will die Chronistin dieser Zeit werden

Immerhin ganze 80 Jahre nach ihrer Ermordung in Auschwitz ist nun endlich auch auf Deutsch jenes Tagebuch ungekürzt erschienen, das Kennern längst als außerordentliches Dokument nicht nur der Zeitgeschichte, sondern authentischer Spiritualität bekannt ist. Die junge Niederländerin jüdischer Herkunft Esther Hillesum ist trotz der mörderischen Machenschaften der Nazis in der Tat das geworden, was sie werden wollte: genaue Chronistin der perfiden Einschnürung der Juden im besetzten Amsterdam und den Niederlanden, weit mehr aber noch Kronzeugin einer unglaublichen Humanität und Spiritualität in finsteren Zeiten, Vermächtnis und Verpflichtung zugleich. Ihr Tagebuch erzählt, zusammen mit den zahlreichen Briefen, von einem faszinierenden Schnellkurs in menschlicher Reifung, weiblicher...