Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Evy Billermann / Juliana Heidenreich: Ich geh mit dir durchs Trauerland

Das bemerkenswerte Bilderbuch „Ich geh mit dir durchs Trauerland“ geht mutig und sensibel an ein schwieriges Thema, es beschreibt nämlich die ersten Tage eines Kindes nach dem kaum zu fassenden unerwarteten Tod seines Vaters. Wenn in einer Familie der Vater oder die Mutter stirbt, dann gehören die Kinder oft zu der am stärksten benachteiligten Gruppe, denn das überlebende Elternteil ist ja selbst sehr mit seiner eigenen Trauer beschäftigt und kann kaum Trost spenden. Nicht selten fühlt sich das Kind ganz allein und hilflos mit seinem Verlust und kann sogar in die Rolle des Tröstenden geraten.

Evy Billermann, Sterbe- und Trauerbegleiterin in einem Hospiz, nimmt diese Einsamkeit in der Trauer ernst und stellt dem trauernden Kind im Buch eine verlässliche Freundin an die Seite, die sich...

Christian Lehnert: Ins Innere hinaus. Von den Engeln und Mächten

Christian Lehnert ist mit seinen bei Suhrkamp veröffentlichten Gedichtbänden bekannt geworden. Der evangelische Pfarrer, Librettist und Liturgiewissenschaftler hat, ebenfalls bei Suhrkamp, nach Essays über Paulus (2013) sowie über Kult und Gebet (2017) mit „Ins Innere hinaus“ (2020) einen weiteren Prosaband vorgelegt. Die dreiundsechzig Texte – manche nur eine Seite, andere über 10 Seiten lang – schauen auf die Natur und die eigene Biografie, befassen sich mit Musik, (Ausdrucks-)Tanz und bildender Kunst, beziehen sich auf Religionswissenschaft, Liturgie, Theologie und Philosophie oder legen Bibeltexte aus. Die Prosastücke sind nur locker über Leitworte miteinander verknüpft. Diese Form hängt mit dem Inhalt zusammen, den der Untertitel „Von den Engeln und Mächten“ (später kommen die...

Georg Langenhorst: Altes Testament und moderne Literatur

Auf die Frage nach dem für ihn wichtigsten Buch der Weltliteratur antwortete Bertolt Brecht: „Sie werden lachen, die Bibel!" Diesem Urteil würde sich sicher auch Georg Langenhorst anschließen, Professor für Didaktik des katholischen Religionsunterrichts und Religionspädagogik an der Universität Augsburg. Denn er ist  durch zahlreiche Veröffentlichungen als Fachmann zum Thema Bibel und moderne Literatur ausgewiesen und hat als Autor von Kriminalromanen seine persönliche Affinität zum literarischen Geschäft gezeigt. In der vorliegenden Veröffentlichung geht es ihm darum, die bleibende Wirkkraft alttestamentlicher Motive, Personen und Sprachformen in der deutschsprachigen Literatur, vor allem des 20. und 21. Jahrhunderts, aufzuzeigen. In acht Kapiteln, die jeweils zentrale und über den Kreis...

Uwe Birnstein: Forever Young, Bob Dylan

Entgegen dem dylanschen Lebensmotto „The Times They are a-Changin'” belässt es der Verlag bei der ideenlosen Umschlaggestaltung und einem für christliche Musikliteratur klischeehaft formulierten Untertitel, welche bereits in dieser Form die Veröffentlichung Uwe Birnsteins zu Leonard Cohens Lebenswerk zierten. Doch ebenfalls auf den zweiten Blick gleichen sich die Einschätzungen: Inhaltlich ist die vorliegende Veröffentlichung Birnsteins eine Lektüre wert.

Über einen autobiografischen Einstieg führt der Autor die Leserinnen und Leser durch die wechselhafte Biografie Bob Dylans. Birnstein verbindet Lebensphasen mit musikalischen Zeugnissen und bietet vertiefte Einblicke in theologische Fragestellungen und biblische Motive. Trotz des kompakten Formats gelingt dem Verfasser der Spagat, auf...

Wolf Biermann: Mensch Gott!

In seinem literarischen Werk kommt Wolf Biermann immer wieder auf Gott zu sprechen. Pünktlich zu seinem 85. Geburtstag sind in der renommierten Bibliothek Suhrkamp Lieder und Gedichte zur Gottesthematik von den 1960er Jahren bis in die jüngste Gegenwart erschienen, die, in acht Abschnitte aufgeteilt, von erhellenden biografischen Vorbemerkungen eingeleitet werden. Um einen Eindruck von der poetischen Verve dieses Sprachschöpfers zu bekommen, soll er ausführlich selbst zu Wort kommen. Vergegenwärtigen wir uns zunächst einige Stationen seines Lebens, um seine pointierten Aussagen zu Gott und Mensch biografisch kontextualisieren zu können.

Geboren wurde der Dichter in Hamburg am 15. November 1936 „in einer jüdischen Kommunistenfamilie“ (13). Die Mutter Emma war Maschinenstrickerin und...

Sergio Ramirez: Sara. Roman

Sergio Ramirez bringt, wie bereits der Buchtitel verspricht, aus der Perspektive der Ahnfrau Sara alle wichtigen Stationen ihrer Lebensreise mit Abraham zur Sprache. Jedoch schwingt in Saras biographischem Erzählen stets Rebellion gegen ihren Mann und seinen Gott mit, da er niemals die Anordnungen des Höchsten hinterfragt. Der Autor versteht es, die biblischen Textvorlagen um Fiktives, kulturhistorisch Erforschtes zum Alltag der Ahneltern zu erweitern. Er erzählt in der für lateinamerikanische Schriftsteller urtümlichen Farbigkeit und einer zuweilen dem Phantastischen zuneigenden Fabulierfreude. Bisweilen kommentiert sein auktorialer Erzähler mit unterschwelligem Humor das Geschilderte und verknüpft es mit weiteren biblischen Geschichten bis hin zu Leben und Sterben Jesu von Nazareth. Der...

Helga Schubert: Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten

Die letzte und titelgebende der 29 Geschichten des neuen Buches von Helga Schubert „Vom Aufstehen“ war bereits zu einem Stück Literaturgeschichte geworden, als das gleichlautende Buch im vergangenen Jahr erschien: 40 Jahre nachdem die Schriftstellerin und Psychologin vom DDR-Regime daran gehindert worden war, einer Teilnahme am jährlichen Wettbewerb um den hoch angesehenen Ingeborg-Bachmann-Preis zu folgen, wurde sie als 80-Jährige 2020 erneut nach Klagenfurt eingeladen und ging als Siegerin hervor – mit eben dieser anrührenden, lakonischen Schilderung, die um die Schmerzpunkte ihres Lebens kreist.

Dabei sind die biographischen Auswirkungen des sozialistischen Totalitarismus, die minimalistisch, hoch präzise skizziert werden, gleichsam im äußeren Kreis der Leiderfahrungen angesiedelt, im...

Karl Josef Kuschel / Shahid Alam: Goethe und der Koran

Seit Katharina Mommsens Buch „Goethe und die arabische Welt“ von 1988 ist Karl Josef Kuschels Werk ein zweiter Versuch, in einer Monografie Goethes Verhältnis zur Welt des Orients zu erhellen. Als ausgezeichneter Kenner des interreligiösen Dialogs legt Kuschel den Akzent auf Goethes Beziehung zum Propheten Mohammed und zum Koran, während der allgemeine kulturhistorische Horizont am Rande bleibt.

In einem ersten Teil des Buches stellt Kuschel sämtliche Texte zusammen, die der Dichter innerhalb eines halben Jahrhunderts, von 1772 an bis zur endgültigen Gestalt des „West-östlichen Divans“ 1827, mit Anspielungen auf den Koran und auf den Propheten des Islams geschaffen hat. Die frühesten Zeugnisse sind Auszüge aus dem Koran, die Goethe überwiegend aus D. F. Megerlins Koran-Übersetzung „Die...