Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Peter Jentzmik: Der Blick aus dem Fenster

 

Wer während der Corona-Pandemie des Öfteren am Fenster stand, hat an dieser „Schwelle“ wohl eher die von außen kommende Bedrohung und die sich von innen her breitmachende Beklemmung empfunden als über jene darin erfahrenen existentiellen Dimensionen nachgedacht, die Joseph von Eichendorff in seinen Werken beschreibt. Seine Dichtungen sprechen von „Sehnsucht“ und „Geborgenheit“, und immer wieder taucht dabei das Motiv des Fensters auf, wie Peter Jentzmik in seiner schönen Abhandlung über den großen Dichter herausstellt. So auch in dem berühmten Gedicht „Es schienen so golden die Sterne, / Am Fenster ich einsam stand / Und hörte aus weiter Ferne / Ein Posthorn im stillen Land. / Das Herz mir im Leib entbrennte, / Da hab ich mir heimlich gedacht: / Ach, wer da mitreisen könnte / In der...

Georg Langenhorst: „In welchem Wort wird unser Heimweh wohnen?"

Einer Anekdote zufolge habe der berühmte liberale Theologe Adolf von Harnack beim Einrichten einer Bibliothek gesagt: „Die Dogmatik stellen wir zur schönen Literatur." Was im 19. Jahrhundert irritierend wirken musste, ist vor dem Hintergrund einer säkularisierten Moderne und einer selbstkritischen Theologie plausibler geworden. Die Annäherung von Theologie und Literatur hat Forschungsschwerpunkte mit eigenen Periodika, Sammelbänden und einem gewaltigen Ausstoß an einschlägiger Literatur hervorgebracht. Zu den prominentesten Autoren in dieser Grenzregion gehört der Augsburger Religionspädagoge (und nebenberufliche Krimiautor) Georg Langenhorst, der in der vorliegenden Veröffentlichung eine Zwischenbilanz dieser Forschungen zieht und die deutschsprachige Gegenwartsliteratur auf religiöse...

Sibylle Lewitscharoff / Heiko Michael Hartmann: Warten auf. Gericht und Erlösung: Poetischer Streit im Jenseits

„Unser keiner lebt sich selbst, und niemand stirbt sich selber.“ Der dezidierte Vers aus dem Römerbrief (14,7) steht am Eingang dieses Dialogbuches, und man darf in ihm einen Schlüssel sehen für alles, was folgt. Denn bekanntermaßen sind Leben und Tod, Zeit und Ewigkeit, Leib und Seele, sicherlich auch Schuld und Sühne samt der Idee der Gerechtigkeit irdisch inkommensurabel. Nur die Zusatzannahme Gott eröffnet eine Dimension, die auf eine Aufhebung dieser Gegensätze, auf ihre Versöhnung hoffen lässt. Die christliche Kunde von der Trinität wagt sich hier weit voran, wenn sie davon spricht, dass Gott „in“ Jesus Christus Mensch wurde; dass in Jesu Auferstehung der garstige Todesgraben zu einem Hoffnungszeichen wurde. Christen halten an dieser Kunde fest, daran, dass sie nach diesem Leben der ...

Martin Ramb / Holger Zaborowski (Hg.): Zeichnung und Verantwortung

 

Ausstellungskataloge sprechen eine bestimmte Klientel an: Menschen, die eine Ausstellung besucht haben, gerne besucht hätten oder dies beabsichtigen, Menschen, die die Künstler hinter den Werken bereits kennen und ihr Wissen vertiefen möchten oder auch eine breit interessierte Leserschaft, die – zufällig oder thematisch suchend – diesen 79-seitigen ansprechenden Katalog mit ca. 50 Seiten Abbildungen in die Hände bekommt. Der Ausstellungskatalog ist eine Würdigung ausgewählter Werke des zeitgenössischen, renommierten Künstler-Duos Alexandra Kardinar und Volker Schlecht mit Künstlernamen „Drushba Pankow“ (russisch, übersetzt in etwa: „Freundschaft in Pankow“).

Im Jahr 2020 gewannen sie den 3. Platz in der Kategorie „Book und Editorial Illustration“ des „European Design Award“ für ihre so...

Uwe Birnstein „Hallelujah“, Leonard Cohen!

Zugegebenermaßen: Die ideenlose Umschlaggestaltung wie auch der Titel des Buchs lassen kritische Leser zurückweichen. Der Untertitel „Wie Leonard Cohen Gott lobte, Jesus suchte und unsere Herzen berührt“ klingt nach dem programmatischen Dreischritt jener christlichen Musikliteratur, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit christlicher Brille Biografien und Werke von Künstlern zu analysieren und dann eine Nähe zum Christentum zu attestieren, um eine gewisse (Selbst-)Bestätigung der Cohen‘schen Hörerschaft im christlichen Milieu zu evozieren. Alle anderen Hörer mögen angesichts dieses Titels, der bereits die kitschige Vereinnahmung und Nivellierung des Musikers vorwegzuschicken meint, das Buch stirnrunzelnd beiseitelegen. Der Titel der 2014 erschienenen Biografie von Liel Leibovitz wirkt...

Ingo Reuter: Weltuntergänge

Dass die „Apokalypse des Johannes“ kein Weltuntergangsbuch, sondern ein Hoffnungs- und Trostbuch für die unterdrückten Gemeinden innerhalb des Römischen Reiches darstellte, betont der in Paderborn lehrende Ingo Reuter in seinem neuen Büchlein. Darin nimmt der kulturhermeneutisch arbeitende Theologe multiperspektivisch das Phänomen von Weltuntergangserzählungen (WUE) auf – seien sie nun schriftlich oder in der filmischen Popkultur umgesetzt – um zu fragen, welchen Sinn solche Erzählungen transportieren. So gibt es Fluterzählungen, wie die biblische Sinfluterzählung, die letztlich kathartisch wirken sollen. Daneben existieren WUE, die den Untergang durch Gefahren von außen (Angriff durch Aliens oder Zombies) beschreiben oder Untergänge in Form technischer Hybris. Reuter greift auch das Motiv...

Brigitte Maria Mayer: Wohnort Gottes

„Wohnort Gottes“ ist ein ungewöhnliches Buch. Zum einen aufgrund seiner Vorgeschichte. Denn es geht auf ein höchst ungewöhnliches Projekt zurück. Die Filmemacherin Brigitte Maria Mayer wollte in Äthiopien einen Film über Jesus drehen. Dieses Projekt scheiterte, weil der Film, wie Mayer schreibt, aufgrund von Gerüchten und Unterstellungen – über den Judaskuss, den man als eine sexuelle Handlung deutete – in ein antichristliches Licht gestellt wurde. Später hat sie diesen Film unter dem Titel „Jesus Cries“ in Berlin verwirklicht. Der Film ist großartig geworden. Freilich fragt man sich, wenn man die Bilder ihrer äthiopischen Reise betrachtet, die in „Wohnort Gottes“ veröffentlicht sind, welch ein Film entstanden wäre, wenn Mayer ihn in Äthiopien mit äthiopischen Schauspielern gedreht hätte....

Gerhard Mevissen: Perlen Weinen. Neue Zurufe

Der Titel „Perlen Weinen“ irritiert: Können Perlen weinen – oder können Perlen geweint werden? Und was sind „Zurufe“? Wird jemandem etwas zugerufen – oder ruft jemand etwas zu? Werfen wir zunächst ein Blick auf den Werdegang des Autors.

Der 1956 geborene Gerhard Mevissen studierte Theologie, machte eine sozialpädagogische wie kunsttherapeutische Ausbildung und arbeitete in der Jugendarbeit; seit 1999 ist der verheiratete Vater von fünf Kindern freier Künstler und lebt in der Eifel nahe Monschau. Hervorgetreten ist er in zahlreichen Ausstellungen vornehmlich als Maler abstrakter Aquarellbilder, die über einen längeren Zeitraum hinweg durch weitere Eingriffe „heranwachsen“. Mevissens Bilder entstehen aus der Stille und haben die Stille zum Thema; er versteht sich selbst als „kontemplativer“...