Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung
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Schulgottesdienste

Religionsunterricht am Altar?

Es ist bald ein halbes Jahrhundert her, dass der regelmäßige Besuch des Schulgottesdienstes noch fester Bestandteil des Schulalltags war. Heute gilt es als Anerkennung der negativen Religionsfreiheit, dass der Schulgottesdienst für keinen Schüler mehr verpflichtend ist. Nur noch in geringem Ausmaß wird einer so intensiven religiösen Handlung wie dem Schulgottesdienst durch die Schulen Raum gegeben. Dabei zwingt das Toleranz- und Neutralitätsgebot den Staat nicht zur völligen Zurückhaltung in religiösen Belangen.

Der Staat ist nicht verpflichtet, sich im öffentlichen Schulwesen jeder religionsfördernden Tätigkeit zu enthalten, solange eine Schule dadurch nicht gleichsam zur missionarischen Schule wird. Daher hat das Bundesverfassungsgericht vor einigen Jahrzehnten beispielsweise das damals übliche Schulgebet als durchaus zulässig betrachtet. Dieses sei zwar eine schulische, dem Staat zuzurechnende, aber keine unterrichtliche Veranstaltung. Das Verfassungsgericht hat hierin eine Ausprägung des Rechts der freien Religionsausübung gesehen. Die staatliche Schule identifiziere sich dabei weder mit dem Inhalt des Glaubensbekenntnisses noch nehme sie eine Verbindlichkeit für christliche Glaubensinhalte in Anspruch. Als ein überkonfessionelles religiöses Bekenntnis sei das Schulgebet erlaubt, solange die Freiwilligkeit der Teilnahme auf Seiten der Schüler und der Lehrer gewährleistet ist. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bekannten Entscheidung zum Kruzifix im Klassenraum vor wenigen Jahren weit restriktiver entschieden und die positive Religionsfreiheit eingeschränkt: Die Schüler sollen keinen unzumutbarern weltanschaulichen Konflikt, der mit dem „Lernen unter dem Kreuz“ verbunden sein könnte, hinnehmen müssen. Dieses aus kirchlicher Sicht enttäuschende Urteil hat jedoch einen Aspekt, der, anders als in der Entscheidung zum Schulgebet, zu begrüßen ist: Das Kreuz wird nicht lediglich als Kulturgut gesehen, sondern in seinem religiösen Bedeutungsgehalt ernst genommen.

Dass regelmäßige Schulgottesdienste anders als in früheren Zeiten keine feste Berücksichtigung in den Stundenplänen mehr finden, ist in mancher Hinsicht zu bedauern, jedoch drückt sich darin auch aus, dass der Schulgottesdienst nicht einfach ein Unterrichtsgang zum experimentellen Nachholen dessen ist, was im Religionsunterricht gelehrt wird, sondern weitaus mehr: Als Feier des Sakramentes der Eucharistie kann auch der Schulgottesdienst praktizierte Konfession sein. Er darf daher nicht staatlich vereinnahmt werden. Jedoch kann der Schulgottesdienst auch nicht völlig losgelöst von der Schule sein und zur reinen Privatsache degradiert werden. So ist zu differenzieren zwischen Schulgottesdiensten im engeren Sinne und Schülergottesdiensten, die eine geringere Verzahnung mit der Schule aufweisen.

In Hessen regelt der Erlass zum Religionsunterricht vom 1. Juli 1999 (ABl. S. 695) gem. VIII Nr. 2, dass Schülergottesdienste Veranstaltungen der Kirchen sind und eine Teilnahmepflicht für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte nicht besteht. Die Schülergottesdienste sollen in der Regel außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden. Zugleich jedoch gibt es Ausnahmen: Diese Regeln gelten nämlich nicht für solche Gottesdienste, die bei der Einschulung und Entlassung sowie am Beginn und Ende eines Schuljahres gefeiert werden. Auch gibt es Sonderegeln dort, wo traditionsgemäß schon immer während der Unterrichtszeit Gottesdienste stattfinden. Hier ist die Verbindung mit der Schule eng und Schulleitungen zur entsprechenden Rücksichtnahme verpflichtet. Damit dieses Recht nicht verfällt, sollten diese Traditionen aber auch gepflegt werden.

Neben den Regelungen im Religionserlass gewährt das Hessische Feiertagsgesetz ein Recht zur Teilnahme an Gottesdiensten, die keine Schulgottesdienste im engeren Sinne sind: Wie die Arbeitgeber Mitgliedern der Kirchen Gelegenheit zu geben haben, an bestimmten Feiertagen, auch wenn diese nicht zugleich gesetzliche Feiertage sind, den Gottesdienst zu besuchen (soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen), ist an diesen Feiertagen den Schülern die zum Besuch des Gottesdienstes erforderliche Freizeit zu gewähren (§ 4 Abs. 1, 2). Konkret bedeutet dies gemäß der Verwaltungsvorschrift zum Hessischen Feiertagsgesetz vom 15. Dezember 1994 geändert durch Gesetz vom 16. Januar 1998, dass Schülerinnen und Schüler aller Schulen für die Dauer von 2 Stunden zum Besuch des Gottesdienstes am Aschermittwoch, Mariä Himmelfahrt (15. August), Reformationstag (31. Oktober), Allerheiligen (1. November) und am Buß- und Bettag vom Unterricht freizustellen sind. Schriftliche Arbeiten, die der Leistungsbewertung der Schüler dienen, sind in diesen Stunden unzulässig. Sonstige Nachteile, die den Schülerinnen und Schülern entstehen können, wie eventuell entstehende Wissenslücken, müssen sie aber in eigener Verantwortung ausgleichen. Diese Gottesdienste stehen ausschließlich in der Verantwortung der Kirchen.

Grundsätzlich können die Gottesdienste für Schüler ökumenisch sein, müssen es aber nicht; schulpraktische Gründe oder sonstige Erwägungen können nicht herhalten, um die Möglichkeiten für die Gottesdienste jenseits der Vorschriften zu begrenzen oder bspw. multireligiöse Feiern einzufordern. Druck von Seiten der Schulleitungen, aus welchen Gründen auch immer, ist unzulässig und kann zurückgewiesen werden. Lehrkräfte, die sich für den Schülergottesdienst einsetzen, sollten sich durch die genannten Rechtsgrundlagen, die Ausprägung der durch das Grundgesetz gewährten Religionsausübungsfreiheit sind, in ihrem Engagement bestärkt fühlen. Im Übrigen stehen auch anderen Religionsgemeinschaften ähnliche Rechte zur Verfügung, so dass die Religionslehrkräfte sich nicht dem Vorwurf der Sonderbehandlung auszusetzen brauchen.