Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung
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"Von Menschen und Göttern"

Film-Tipp

Ein Mann wandert durch eine Landschaft, vorbei
an einem mächtigen Baum, dessen Stamm er berührt,
ja gleichsam zärtlich erkundet mit seiner Hand, vorbei
an einer Herde Schafe, er geht mit ihnen, dann ein
Schwarm Vögel, der über Bäumen aufsteigt und über
einem See kreist – Bilder aus einem Film, der neben
solchen geradezu idyllischen auch Bilder von Gewalt
und Tod zu bieten hat, der von Bedrohungen erzählt
und von dem Bemühen, ihnen um Gottes und der Menschen
Willen standzuhalten.

„Des hommes et des dieux“ von Xavier Beauvois
greift einen realen Fall auf, die Entführung und spätere
Ermordung von sieben Trappistenmönchen des Klosters
Notre Dame de l’Atlas von Tibhirine in Algerien im
März 1996, bei dem bis heute nicht völlig geklärt ist, ob
nun tatsächlich die zur Tat sich bekennenden radikalislamischen
Rebellen oder aber das damalige Militärregime
Algeriens selber für die Tat verantwortlich ist.
Die eingangs geschilderte Szene ist dabei geradezu paradigmatisch
für die Haltung des Films, verklammert
sie doch zwei Bilder aus unterschiedlichen kulturellreligiösen
Kontexten zu einem: das biblische Bild vom
Hirten und der Herde, das der Abt des Klosters bemüht,
um seinen Mitbrüdern zu verdeutlichen, dass ihr Platz
bei den Dorfbewohnern sei, die sie nicht durch Rückkehr
nach Frankreich im Stich lassen dürften, und das
Bild von den Vögeln, das zunächst ein Bruder bemüht,
um die Unsicherheit der Mönche zu beschreiben: „Wir
sind wie Vögel auf einem Baum, wir sind nicht sicher,
ob wir weiterziehen müssen“, das aber dann der muslimische
Dorfbewohner gleichsam „korrigiert“ – „die
Vögel sind wir, ihr seid der Baum“ – und damit die Bedeutung
dieser christlichen Gemeinschaft für das Dorf
herausstellt.

Ein Film voller Spannungen und Gegensätze, und er erzählt
von ihrer Instrumentalisierung ebenso wie von
deren Aufhebung: die Spannung zwischen contemplatio
und actio, das zurückgezogene Leben der Mönche
im Kloster und deren Sorge um die (muslimischen)
Dorfbewohner, mit denen sie Handel treiben und die
sie medizinisch versorgen; zwischen Gebet und (politischem)
Handeln, das manchmal eben nicht zu trennen
ist; zwischen Flüchten und Standhalten (sowohl gegenüber der Gewalt der Rebellen wie gegenüber den
Drohungen der Militärs, womit zugleich aber auch ein
Standhalten in den eigenen Glaubensüberzeugungen
bis zur letzten – tödlichen – Konsequenz gefordert ist);
zwischen Glauben und Zweifel, die nicht voneinander
zu trennen, nur gemeinsam auszuhalten sind. Auch in
den Bildern und der Ästhetik des Films sind solche
Spannungen präsent: zwischen Innen und Außen, der
intensive Blick in die Gesichter der Figuren, der ihre
inneren Kämpfe und ihre Entscheidungen zeigt und die
äußere Aktion von Dialog und Handlung; zwischen Bewegung
und Ruhe, laut und leise u. a. m.

Als der Film in der Adventszeit letzten Jahres in
die Kinos kam, gewann er eine bedrückende Aktualität
durch den Anschlag auf die koptischen Christen
wenige Tage vor dem Weihnachtsfest. „Von Menschen
und Göttern“ lieferte gleichsam eine filmische Folie für
die Ängste und Verunsicherungen, die sich damit verbanden.
Und zugleich erscheint er wie ein hellsichtiger
Kommentar zu den Fragen, die diese und andere Ereignisse
unseres jungen Jahrhunderts aufwerfen: Die
Instrumentalisierung der Religion durch politische
Gruppen. Ihr Missbrauch durch religiösen Fanatismus
wird hier sinnenfällig deutlich, ebenso wie „Rehabilitierung“
des Märtyrers, der den Tod nicht sucht – und
schon gar nicht den der anderen – sondern ihm nur
nicht um jeden Preis ausweicht, gegenüber – jedenfalls
aus christlicher Sicht – Zerrformen des Märtyrertums,
welche das eigene wie das Leben anderer missachten,
ja bewusst zerstören wollen. Nicht zuletzt wird das
den großen Religionen des Christentums wie des Islam
einwohnende gemeinsame Humanum in einem ebenso
berührenden wie eindrücklichen „Testament“ des ermordeten
Abts heraus- und in den Figuren des Films
einfühlsam vor Augen gestellt, was den Film nicht nur
theologisch-intellektuell, sondern auch emotional zu
einem Erlebnis macht, das lange nachklingt.

Für Schülergruppen, die in der Lage sind, dem ästhetischen
und narrativen Konzept des Films und seinem
ruhigen Rhythmus zu folgen, ist der Film in schulischen
Zusammenhängen einer Bearbeitung wert. Der
Film ist als DVD ab Oktober mit öffentlichen Vorführungsrechten
über die Ämter für katholische Religionspädagogik
zu beziehen.