Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung
Grenzenlos / Kindermissionswerk Sternsinger

Arbeit, Gesellschaft und Konsum

Ideen für die Umsetzung in der Grundschule

Arbeit als Thema in der
Grundschule begegnet zunächst
einmal im Kontext
der Beschäftigung mit unterschiedlichen
Berufen. Am prominentesten
und bei vielen Schülern vermutlich
sehr beliebt sind die Berufsgruppen
Polizei, Feuerwehr oder der
Rettungsdienst. Hierzu gibt es
eine Fülle an Materialien für den
Sachunterricht, die zugleich das
Thema Arbeit im Zusammenhang
des beschriebenen Berufsprofils
aufgreifen. Es ist hervorzuheben,
dass das Arbeitsmaterial von Janine
Luchterhand-Dehn ebenfalls
Themen wie „Hausarbeit“ und „Arbeitslosigkeit“
berücksichtigt.

In den Darstellungen werden
indessen Tätigkeiten ausgelassen,
die, ähnlich wie die häusliche
Pflege durch Familienangehörige,
gesellschaftlich ebenfalls wenig
Beachtung finden. Doch stellt die
Entscheidung zur Aufgabe einer
Erwerbstätigkeit zur Begleitung
pflegebedürftiger Personen im familiären
Umfeld ein Phänomen
dar, das einerseits manchen Kindern
von zu Hause bekannt sein
dürfte und andererseits in Zukunft
immer häufiger anzutreffen sein
könnte. Vergleichbar mit den Beschreibungen
der anderen Berufe
kann unter Berücksichtigung des
Alters der Schüler über die Beweggründe,
die zur Entscheidung der
Übernahme der Pflege geführt haben,
nur vereinfacht gesprochen
A
PRAXIS
werden. Grund hierfür sind die
teilweise komplexen Zusammenhänge
von finanziellen Notwendigkeiten,
gesundheitlich-pflegerischen
Engpässen in der Versorgung
und persönlichen Entscheidungen,
die weder in einem komprimierten
Steckbrief dargestellt noch
adäquat in der Grundschule diskutiert
werden können. Ebenfalls
gilt es zu berücksichtigen, dass
den gewählten Darstellungen, wie
die der „Hausarbeit“, kein gesellschaftlich
politisches Programm
unterliegt.

In diesem Zusammenhang gilt
es auch die Rolle von beeinträchtigten
Menschen in einer auf Erwerbstätigkeit
orientierten Gesellschaft
zu bedenken. Es wäre
gefährlich, diese auf eine Form von
Bedürftigkeit zu reduzieren; allzu
schnell würde es Interpretationen
Vorschub leisten, die eine solche
als gesellschaftliche Last verstehen
wollen. Bewegungen dieser
Art entstammen Formen des „ungezügelten“
Kapitalismus, die den
Menschen auf den „homo oeconomicus“ oder den Wert einer Person
auf dessen Fähigkeit zur Erzeugung
von Mehrwert und Kapital
reduzieren.

Die wenigen genannten Beispiele
verdeutlichen, dass die Thematisierung
von Beruf und Arbeit
stets ideologisch ist und eine politisch-
gesellschaftliche Dimension
besitzt. Es ist stets mit einem gewissen
Menschenbild verbunden.
Arbeitsmaterial für die Grundschule
– vor allem, wenn es im Religionsunterricht
eingesetzt werden
soll – muss sich demnach daran
messen, inwieweit es an einem Gesellschaftsbild
interessiert ist, das
sich an chancengleicher Teilhabe
aller Menschen an gerechter Arbeit
orientiert, ohne bestimmte Tätigkeiten
speziellen Personengruppen
zuzuordnen.

Klassischerweise finden diese
Orientierungspunkte in Unterrichtsmaterialien
Beachtung, welche
die Rechte der Kinder in der
ganzen Welt in den Mittelpunkt
rücken. Unter dem Stichwort „Globales
Lernen“ bieten zahlreiche
Hilfswerke und Organisationen
Arbeitshilfen an. Das Material des
Kindermissionswerks „Sternsinger“
verknüpft hierbei die Themengebiete
„Kinderrechte“ mit „Fairem
Handel“.

In diesem Zusammenhang können
Schüler der Grundschule erfahren,
was unter „fair“ produzierten
Waren und ganz basal, was unter
dem Begriff „fair“ überhaupt zu
verstehen ist. Verbunden wird dies
mit der Erzählung von den Arbeitern
im Weinberg Mt 20,1-16 und
der anspruchsvollen Fragestellung
„Bietet dieses Gleichnis eine Hilfe
bei der Frage nach Gerechtigkeit/
Fairness?“ Es wird deutlich: die
Vorstellung von Gerechtigkeit ist
gemeinhin eine andere. Die sich
anschließende Begegnung mit dem
Herkunftsland des Tees, mit der
Kultur und dem Leben der Menschen,
dem Anbau und der Herstellung
des Tees wird sehr ausführlich
dargestellt, sodass die Schüler
viel über die Entstehung des Genussguts
lernen können.

Dazu gehört auch, dass anhand
einer Bildergeschichte die Ausbeutung
der örtlichen Produzenten
(Teebauern) durch einen Einkäufer
erzählt wird, der den Kaufpreis so
weit nach unten drückt, dass der
Bauer seinen Kindern nicht den
Besuch einer Schule zu finanzieren
vermag. Sicherlich wird die recht
schematische Darstellung des „bösen“
Einkäufers, der den armen
Bauern ausbeutet, den komplexen
Zusammenhängen der Weltwirtschaft
nur unzureichend gerecht,
berücksichtigt jedoch gewissermaßen
das moralische Einschätzungsvermögen
der Schüler. Weiterhin
lässt sich anführen, dass
ähnlich diese Bildergeschichte dadurch
pädagogisch an Wert gewinnen
kann, indem sie einen Ansatzpunkt
bietet, der darauf verweist,
dass das Handeln des „bösen“ Käufers
als Teil eines komplexen Wirtschaftssystems zu verstehen ist.
Zwar begründet der Händler sein
unzureichendes Angebot durch
den gefallenen Weltmarktpreis,
doch erscheint dieses Argument
für die Leser im Grundschulalter
vermutlich nur vorgeschoben, da
die zeichnerische Darstellung der
Personen eher die Einschätzung
nahelegt, dass er den Preis allein
aus Interesse an persönlicher Bereicherung
nach unten drückt.
Ohne Zwischenhändler für Lebensmittel
in Produktionsländern aus
ihrer Verantwortung entlassen zu
wollen, ist die Preisgestaltung des
Marktes einer Vielzahl an weiteren
Einflussfaktoren unterworfen
– nicht zuletzt, dass Lebensmittel
und -grundlagen Spekulationsgegenstand
sind und Verbraucher
der vermarkteten Endprodukte in
der Regel bemüht sind, das beste
Produkt für den geringsten Preis
zu erwerben.

Erweitert wird das Angebot des
Kindermissionswerks „Sternsinger“
durch multimediale Angebote
im Internet. Hierzu gehört ein Video,
das in ungefähr drei Minuten
den Sinn von „Fair Trade“ erklärt.

Unterrichtsmaterialien, die sich
mit der gerechten Produktion von
Waren beschäftigen, erweitern die
zuvor für unsere Gesellschaft formulierten
Beobachtungen auf deren
globalen Zusammenhang. Das
Konsumverhalten in Deutschland
beeinflusst die Arbeitsbedingungen
in den Herkunftsländern der
Produkte: angefangen von den in
Südeuropa durch Migranten gepflückten
Feldfrüchten, über in
Bangladesch produzierte Kleidungsstücke
bis hin zu in Ghana
„recyceltem“ Elektronikschrott.

Durch ein größeres Bewusstsein
der Verbraucher lassen sich nicht
alle Probleme lösen, doch gibt es
zu vielen Produkten und eingefahrenem Konsum- und Verbraucherverhalten Alternativen,
die es aufzuzeigen gilt, um deutlich werden zu
lassen, dass man durch sein Handeln vor Ort an einer
gerechteren Arbeitswelt mitwirken vermag.

Abschließend darf für das Hintergrundwissen der
Lehrkraft jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass das
Auffinden von Alternativen, die deckungsgleich mit
den hehren Zielen eines bewussten und sensiblen Verbraucherverhaltens
sind, den Konsumenten im Alltag
vor große Probleme stellt. Hierzu gehört unter anderem,
dass der Kauf von Lebensmitteln, die mit bekannten
Labeln, wie dem „Fair Tade“ Logo, versehen
sind, nicht automatisch der Vorstellung des Käufers
entspricht, ein Produkt erworben zu haben, das vollständig
den vermuteten Richtlinien des aufgedruckten
Logos entspricht. Nur ein Beispiel in dieser Hinsicht
stellt der kurze Hinweis „Mengenausgleich“ auf
Fair Trade-Produkten dar.

Die immer wieder aufkommende Kritik an Logos,
Labels, Richtlinien verunsichert und der Verbraucher
fragt sich, ob der Aufpreis gegenüber den „Standardprodukten“
wirklich denen zu Gute kommt, die er mit
dem Kauf unterstützen möchte.

Es ist zu überlegen, ob zusätzlich zur globalen
Perspektive die Verwendung von Beispielen aus dem
Erfahrungsraum der Schüler eine weniger komplexe,
jedoch lohnende Erweiterung darstellt. Ein möglicher
Ansatz ist hier die Idee, regionale Produkte direkt
beim Erzeuger zu erstehen statt über Ketten des
Lebensmittelhandels. Auch wenn die Milch aus hygienischen
Gründen nicht – „wie früher“ – direkt vom
Bauern gekauft werden kann, gibt es durchaus, ähnlich
wie bei Obst und Gemüse, Möglichkeiten, diese
über einen Direktvertrieb zu kaufen. Ein derartiger
regionaler Ansatz soll die globale Perspektive nicht
ersetzen, sondern komplementieren, denn dieser entspricht
der Idee grundschulgerechten Lernens: im
Kleinen und Nahen lässt sich etwas über das Große
und Ganze lernen.