Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung
Fabien Bazanegue, Unsplash.com

Heimat entdecken, Heimat erfahren

Ein Unterrichtsvorschlag für die Sekundarstufe I

Heimat. Was ist das? Heimat ist ein Ort, ist Heimatstadt
und Heimatland. Und Heimat ist
ein Nicht-Ort, ein Gefühl oder doch bloß ein
Gedanke, eine Erinnerung. Eine Erinnerung an den
Geschmack von Currywurst auf der Kirmes, den Duft
von Apfelkuchen in Omas Küche oder das Geräusch
der Kirchturmglocke auf dem Dorfplatz. Heimat lässt
uns sesshaft werden, treibt uns manchmal in die Fremde,
sie ist Lebensmittelpunkt und Ausgangspunkt, sie
prägt uns und ist ein Teil der menschlichen Identität.
Heimat ist eintönig und bunt, abgegrenzt und konturlos,
greifbar und unfassbar, real und trotzdem manchmal
unwirklich und noch so viel mehr. Aber Heimat ist
auch einfach typisch deutsch, denn für das Wort „Heimat“
gibt es keine Eins-zu-eins-Übersetzung in andere
Sprachen. Doch warum lässt sich ein solch bedeutungsstarkes
Wort nicht umstandslos übersetzen? Das liegt
insbesondere an der Bedeutungsvielfalt des Heimatbegriffs,
dessen sprachliche Herkunft im Germanischen
„heim“ (Haus, Wohnplatz) liegt. Das althochdeutsche
heimōti oder heimuoti (zu dem Heim gehörig) erweitert
das Bedeutungsspektrum über die bloße Verortung hinaus.
Deshalb gibt es keine adäquaten Bezeichnungen
zum deutschen Begriff in anderen Sprachen wie z.B.
Englisch (homeland), Französisch (lieu d´origine) oder
Spanisch (la patria). Heimat ist eben nicht gleich Heimat,
zumindest sprachlich betrachtet.

Heimat ist vor allem die Antwort auf die Fragen: Wo
komme ich her? Wo gehöre ich hin? Was macht mich
glücklich? Was gibt meinem Leben Sinn? Was Heimat
ist, verändert sich einhergehend mit Wendepunkten
des Lebens und abgrenzend zum Kindsein wie zum
Erwachsenwerden. Es sind immer dieselben Fragen,
die neu beantwortet werden auf der Suche nach dem
Ich, nach der eigenen Identität. Sich selbst anzunehmen
und die eigene Identität zu finden, zählt nach
Franz W. Niehl zu den zentralen Entwicklungsaufgaben,
die Schüler und Schülerinnen (SuS) lebens- und
lerngeschichtlich zu bestehen haben. Der Religionsunterricht
bietet hierzu vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten.
Das folgende Unterrichtsmaterial leitet die
Jugendlichen dazu an, sich mit dem facettenreichen
Begriff „Heimat“ persönlich und reflektiert auseinanderzusetzen.
Neben den beschriebenen Stunden kann
immer wieder auf verschiedene Themenfelder des
Lehrplans Bezug genommen werden, wie z.B. Abraham
und Sara, die ihr Heimatland verlassen und
einem ungewissen Ziel entgegenziehen, oder das Exodusereignis
– Heimat in der Erfahrung von Freiheit
und der Zusage der Heimatfindung. Die beschriebenen
Einzelsequenzen können bei Bedarf in eigene Unterrichtseinheiten
zur Ergänzung oder Erweiterung eingebunden
werden, beispielsweise beim Themenfeld
„Ein eigener Mensch werden. Entwicklung der Persönlichkeit“.

1. Stunde: Heimat bedeutet für mich …

Eine Klangcollage (M1) dient als Annäherung an den
vielschichtigen Begriff „Heimat“. Die Collage stellt
eine Technik in der Bildenden Kunst dar, bei der das
Bild ganz oder teilweise aus meist flächigen Materialien
entsteht, die aufgeklebt und häufig malerisch
bearbeitet werden, sodass ein neuer Zusammenhang
besteht. Diese Technik gibt es auch in der Musik, wobei
hier mehrere Geräusche und/oder Klänge zu einer
Komposition zusammengefügt werden. Die zweiminütige
Klangcollage (M1) dient zum Einstieg in die Stunde.
Die SuS begeben sich auf eine kleine „Klangreise“:
Straßenlärm, Kindergeschrei, Trubel am Bahnsteig,
Zuggeräusche, Donnerhall und Regen, Bachplätschern,
Vogelgezwitscher, Kühe und Alphornklänge,
Wellengang, Nebelhorn und Schritte im Sand. Die
Klangcollage (M1) kann Erinnerungen wachrufen an
Erlebnisse, Gedanken und Gefühle, an verschiedene
Orte und Begegnungen mit Menschen. Bei Bedarf kann
die Klangcollage (M1), die zum kostenlosen Download
bereitsteht (Link einfügen), durch weitere Klänge und
Geräusche ergänzt oder angepasst werden. Die Hörspielbox
(www.hoerspielbox.de) bietet bereits eine
Vielzahl an unterschiedlichen Geräuschen, Atmosphären,
Instrumenten oder Lauten zum Download an. Vor
dem Abspielen ist es empfehlenswert, den Raum für
die Klangreise und die nachfolgende Arbeitsphase
vorzubereiten. Tische und Stühle werden zur Seite
geräumt, sodass im Klassenraum ausreichend Platz
vorhanden ist, damit die SuS es sich auf dem Boden
bequem machen können. Yogamatten oder Decken
können als Unterlage zum Sitzen oder Liegen genutzt
werden. Sofern die Schule über einen Ruheraum oder
„Raum der Stille“ verfügt, kann dieser genutzt werden.
Nachdem alle SuS eine bequeme Position gefunden
haben, wird die Klangcollage abgespielt. Anschließend
erhalten die Jugendlichen einige Minuten Zeit,
um ihre Gedanken, Gefühle und Erinnerungen zum
Gehörten stichpunktartig zu notieren. Alternativ bietet
sich die Möglichkeit, dies in Form eines Tagebucheintrags, einer Reisenotiz oder Erzählung
zu verschriftlichen. Wer möchte, kann seine
Gedankengänge dann im Plenum vorstellen.
Das kann in einem offenen Austausch mit
der gesamten Lerngruppe geschehen oder
in Kleingruppen. Was kann Heimat sein und
wodurch zeichnet sich Heimat aus? Zum Abschluss
erhalten die SuS eine vorbereitende
Hausaufgabe (M3). Dazu wählt jeder Jugendliche
einen Gegenstand, ein Bild/Foto, einen
Text … aus, woran persönlich der Begriff
„Heimat“ festgemacht wird. Warum verbinde
ich gerade mit diesem Gegenstand, Bild
oder Text den Begriff „Heimat“?

»Heimat ist typisch deutsch.«

Andreas Thelen-Eiselen
Alternativstunde:
Heimat bedeutet für mich …

Was bedeutet Heimat für mich persönlich?
Wo finde ich meine Heimat? Was ist für mich
Heimat? Ist Heimat ein Ort, ein Gefühl, eine
Erinnerung? … Das Vier-Ecken-Spiel zum
Heimatbegriff gibt den SuS die Gelegenheit,
ihr Verständnis von Heimat zu artikulieren.
Zunächst wird in jeder Ecke des Klassenraums
ein DIN-A3-Blatt mit unterschiedlichen
Aussagen zu Heimat (M2) aufgehängt.
Nachdem die verschiedenen Aussagen zum
Heimatverständnis vorgestellt wurden,
sollen die Jugendlichen sich in der Ecke
aufstellen, mit deren Aussage sie sich am
ehesten identifizieren können. Die Aussagen
(M2) stellen dabei lediglich eine mögliche
Auswahl dar, die problemlos ausgetauscht
oder ergänzt werden kann, indem die jeweiligen
Wandseiten des Raumes mit weiteren
DIN-A3-Blättern einbezogen werden. Die
SuS notieren nun auf dem Blatt eine kurze
Begründung, warum sie sich für diese Aussage
entschieden haben. Anschließend findet
in der jeweiligen Gruppe ein Austausch
über die notierten Stichpunkte statt, sodass
jeder Mitschüler in der jeweiligen Ecke sein
Heimatverständnis darstellen kann. Gibt es
Gemeinsamkeiten? Worin bestehen die Unterschiede?

Als Nächstes stellt jede Gruppe ihre Ergebnisse
im Plenum vor. Hier bietet es sich
an, einen Sitzkreis zu bilden. Nachdem jede
Gruppe einen Gruppensprecher festgelegt
hat, fasst dieser die Ergebnisse des Austauschs
sowie die schriftlich notierten Ergebnisse auf
dem DIN-A3-Blatt kurz für die gesamte Lerngruppe
zusammen. Warum ist das Verständnis von Heimat
teils so unterschiedlich, ähnlich oder sogar gleich?
Zum Abschluss der Stunde werden die DIN-A3-Blätter
im Klassenraum aufgehängt, sodass darauf im weiteren
Verlauf nochmals Bezug genommen werden kann.
Des Weiteren erhalten die SuS auch hier die vorbereitende
Hausaufgabe (M3), einen Gegenstand, ein Bild/
Foto, einen Text … auszuwählen, woran sie persönlich
den Begriff „Heimat“ festmachen, und für die nächste
Stunde mitzubringen.

2. Stunde: Meine Heimat …

In der zweiten Stunde stehen die Bilder und Gegenstände
der SuS zum Heimatbegriff im Mittelpunkt.
Dazu werden die Tische in U-Form angeordnet. Die
Jugendlichen werden eingeladen, ihre Bilder, Texte
und Gegenstände (M3) mit etwas Abstand zueinander
auf den Tischen zu verteilen. Damit die Jugendlichen
an den Tischen entlanggehen und die mitgebrachten
Bilder oder Gegenstände ihrer Mitschüler betrachten
können, sollte genügend Platz vorhanden sein. Die
Lehrkraft legt anschließend Papierbögen zu den einzelnen
Bildern und Gegenständen aus und erläutert
den weiteren Ablauf. Die SuS schauen sich in Ruhe,
ohne miteinander zu sprechen, die ausgelegten Bilder
und Gegenstände in Form eines Museumsgangs an.
Wer möchte, kann auf den ausliegenden Papierbögen
eine Frage oder einen Kommentar notieren: Wo wurde
das Foto gemacht? Wer ist alles auf dem Foto zu sehen?
Warum erinnert dich das Bild an Heimat? Was
ist das für ein Gegenstand? Hat dir jemand den Gegenstand
geschenkt? Wo hast du den Gegenstand her?
Wie bist du auf den Text gestoßen? Warum gefällt dir
dieser Text? Gibt es eine Textstelle, die dir besonders
wichtig ist? … Während sich die SuS im Raum bewegen
und ihre Fragen oder Kommentare notieren, läuft
im Hintergrund ruhige Musik. Für den Museumsgang
sollten je nach Größe der Lerngruppe zwischen 10
und 15 Minuten eingeplant werden.

Nach dem Museumsgang versammeln sich alle im
Stuhlkreis. Jeder Schüler nimmt hierzu das eigene
Bild oder den eigenen Gegenstand und die von den
Mitschülern notierten Fragen sowie Kommentare an
den Sitzplatz mit. Wer möchte, kann nun sein Verständnis
von Heimat im Plenum anhand des Fotos
oder Gegenstands erläutern und die von den Mitschülern
notierten Fragen beantworten. Zudem besteht die
Möglichkeit, einen Mitschüler nach seinem Bild oder Gegenstand zu befragen. Hierbei kann es zu einem lebhaften und interessanten Austausch
über die Bedeutung und das Verständnis von Heimat kommen. Die Mitschüler
können Neues an ihren Klassenkameraden entdecken, mit dem sie nicht gerechnet
haben oder das sie beeindruckt. Mit dem Einverständnis der SuS können zum
Stundenende die Fotos und Texte (M3) mit den dazugehörigen Fragen und Kommentaren
im Klassenraum unter der Überschrift „Meine Heimat“ aufgehängt werden.

3. und 4. Stunde: Heimat – mehr als nur ein Ort

Exklusiv für die ARD-Themenwoche „Heimat“ wurde von dem Berliner Rapper
Sido das Lied „Die Wiese vor dem Reichstag“ produziert. Alle Hörer der jungen
Hörfunkangebote der ARD konnten unter dem Hashtag #meineheimat2015 Bilder
oder Videos zu den ganz persönlichen Heimatmomenten bei Instagram posten.
Eine Auswahl an Postings wurde im Musikvideo animiert. Vom hohen Norden bis
nach Bayern – Heimat wird im Liedtext vor allem geografisch beschrieben: das
Heimatland. Aber auch stereotype Eigenheiten, wie die deutsche Bürokratie, der
Urlaub „auf Malle“, die Passion für Fußball, der Schrebergarten …, finden einen
Platz. Das Musikvideo, u.a. bei YouTube zu sehen, greift dieses Heimatbild auf,
indem Menschen in unterschiedlichen Situationen abgebildet sind: bei Freunden,
mit der Familie zusammen, während einer Feier, im Urlaub, beim Hobby … Der
Liedtext zeichnet ein durchweg positives Bild von Heimat und spiegelt somit das
individuelle Empfinden der geposteten Fotos und Videos der Zuhörer wider. Auch
in der Auseinandersetzung mit Kindern und Jugendlichen zeigt sich – und das ist
in den vorangegangenen Stunden vermutlich erfahrbar gewesen – dass der Heimatbegriff
vorwiegend positiv konnotiert ist. Bei vielen SuS ist der Heimatbegriff mit positiven Gefühlen verbunden: Ein Ort, an dem ich mich wohl fühle oder das
Zusammensein mit Menschen, die mir am Herzen liegen.

Insofern greift Sidos Lied „Die Wiese vor dem Reichstag“ das Grundbedürfnis
und -gefühl vieler Menschen auf. Allerdings blendet der Text dadurch problematische
Aspekte aus, weshalb „Die Wiese vor dem Reichstag“ teils als verklärtes
Heimatlied kritisiert wird. Natürlich stellt dies einen angemessenen und gerechtfertigten
Kritikpunkt dar, doch welcher Zuhörer/-schauer will im Rundfunk angesichts
einer Themenwoche der ARD mit einem Schlechte-Laune-Lied konfrontiert
werden.

Nichtsdestotrotz zeigt gerade diese Debatte, dass der Heimatbegriff vielschichtig
ist und eine differenzierte und kritische Betrachtung von Bedeutung ist, damit
die Heimat nicht zu einem verklärten, kitschigen Rückzugsort verkommt, an dem
man sich einigelt und den Blick auf das Ganze verliert oder diesen ausblendet.
Heimat hat eben auch Schattenseiten: Menschen werden aus ihrer Heimat vertrieben,
sie werden aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt. Heimat kann
einengen und unterdrücken. Heimat setzt Grenzen und kann Menschen ausschließen
... Daher sollen die SuS den Liedtext unter beiden Aspekten betrachten (M4).
Zunächst wird der Blick darauf gerichtet, woran Sido den Heimatbegriff festmacht
und welche Gefühle der Text bei den Jugendlichen auslöst. Inwieweit spiegelt der
Text das eigene Verständnis von Heimat wider oder auch nicht. Ebenso sollen die
Jugendlichen begründet zur Liedkritik Stellung beziehen. Anschließend bietet es
sich an, eine eigene Strophe zu verfassen. Hierin kann das eigene (kritische) Heimatverständnis
eingebunden werden. In der kritischen Auseinandersetzung können zudem Fragen zum Lied gesammelt werden, welche
die SuS in einem Interview Sido stellen würden.
Wenngleich die Fragen nicht beantwortet werden,
kann dies doch zu einer kontroversen Diskussion führen,
die über den Liedtext hinausgeht.

5. bis 6. Stunde:
Heimat – Der Ort, an dem die Seele wohnt

Dass Heimat mehr als ein Ort ist, haben bereits die
vorangegangenen Stunden gezeigt, denn der Heimatbegriff
ist immer auch mit Gefühlen verbunden.
Der radioWissen-Podcast von Bayern 2 hat sich dem
Thema in der Sendereihe Heimatbilder gewidmet.
In dem 20-minütigen Beitrag mit dem Titel „Heimat
– Der Ort, an dem die Seele wohnt“ wird der Begriff
Heimat auf vielfältige Weise beleuchtet: Woran lässt
sich nach der Definition des Brockhaus „Heimat“ festmachen
und was prägt die Vorstellung von Heimat?
Was bedeutet nach einer Meinungsumfrage für viele
Menschen Heimat? Neben der Definition des Heimatbegriffs
von Bernhard Schlink geht die Sendung auch
auf die „dunklen“ Seiten von Heimat ein, wie die Verklärung
des Begriffs während der Industrialisierung
im 19. Jahrhundert oder den Missbrauch durch die
Nationalsozialisten. Ebenso wird das neue und moderne
Verständnis von Heimat in einer globalisierten
Welt thematisiert, sodass der Zuhörer insgesamt
einen guten Überblick des facettenreichen Begriffs
erhält. Auf der Website von Bayern Radio steht der
Podcast als MP3 zum Download bereit. Gemeinsam
wird der Beitrag „Heimat – Der Ort, an dem die Seele
wohnt“ angehört. Die SuS erhalten einige Fragen (M5)
zum Podcast, die auf verschiedene Aspekte des Beitrags
eingehen. Anschließend findet
ein Austausch zum Hörbeitrag
im Plenum statt und die beantworteten
Fragen werden besprochen.
Für die Lehrkraft steht ein Lösungsbogen
(M5.1) bereit.

Da die SuS sich nun auf vielfältige Weise mit dem
facettenreichen Heimatbegriff auseinandergesetzt
haben, erstellen die Jugendlichen anhand der gewonnenen
Erkenntnisse und Informationen aus dem Podcast
einen eigenen Umfragebogen „Heimat“ (M6). Die
Umfrage kann – je nach Aufwand und Umfang – auf
unterschiedliche Weise durchgeführt werden: im familiären
Kreis, in der Schule, in der (Kirchen)Gemeinde
oder auf öffentlichen Plätzen (z.B. Fußgängerzone,
Haltestelle, Parkplätz …). Unter Umständen ist daher
eine weitere Stunde für die Durchführung der Umfrage
und die anschließende Auswertung einzuplanen.
Die SuS bilden zunächst Kleingruppen (ca. 5 Personen)
und erarbeiten bis zu zehn Fragen. Für das weitere
Verfahren gibt es nun zwei Möglichkeiten: 1. Jede
Kleingruppe stellt nach der Erarbeitungsphase ihren
Fragenkatalog vor und überarbeitet/ergänzt diesen
ggf. anhand der Rückmeldungen. Diese Herangehensweise
ermöglicht ein breiteres Spektrum an Fragen,
stellt aber auch eine größere Herausforderung bei der
Auswertung dar. 2. Die Ergebnisse der Kleingruppen
dienen als Grundlage, um hieraus einen Fragenkatalog
zu erstellen, den alle Kleingruppen später nutzen.
Parallelen und Überschneidungen hinsichtlich der
Fragestellungen und -absicht wird es geben. Die Jugendlichen
haben nun die Möglichkeit, sich auf eine
bestimmte Formulierung derselben Frage zu verständigen,
und können mithilfe der Gruppenergebnisse
weitere Fragen einbinden. Da alle Kleingruppen letztlich
denselben Fragenkatalog nutzen, können die SuS
sich Gruppierungen zuordnen, die befragt werden
sollen wie z.B. die Passanten in der Fußgängerzone,
die Schülerschaft oder die (Kirchen)Gemeinde.

»Für das Wort „Heimat“ gibt es keine
Eins-zu-eins-Übersetzung in anderen Sprachen.«

Andreas Thelen-Eiselen
Einsatz der Umfrage-Software PINGO

Eine weitere Möglichkeit stellt der Einsatz der kostenlosen
Umfrage-Software PINGO (Peer Instruction for
very large groups) dar. Das von der Universität Paderborn
entwickelte webbasierte Live-Feedback-System
eignet sich nicht nur für große Lehrveranstaltungen,
sondern auch für Schulklassen. Mithilfe des Tools
kann der User nach der Registrierung den Wissensstand
seiner Schüler abfragen oder ein Feedback einholen.
Ein kurzes Video zur Einführung bietet einen Überblick zu den Funktionen von PINGO, die sich u.a.
in einem Demo-Zugang testen lassen. Für die Arbeit
mit den SuS hat man die Wahl zwischen vier Fragetypen:
Single-Choice-Fragen, Multiple-Choice-Fragen,
Freitextfragen oder numerische Fragen. Im Rahmen
einer Umfrage zum Thema „Heimat“ bieten sich die
Single-Choice-Fragen an. Jede gestellte Frage kann
mit bis zu neun Antworten versehen werden. So
könnte beispielsweise die Frage „Heimat ist mir persönlich
wichtig“ mit den Antwortmöglichkeiten „A =
sehr wichtig“, „B = wichtig“, „C = weniger wichtig“ und „D = gar nicht wichtig“ versehen werden. Da
die Umfrage vermutlich über einen längeren
Zeitraum (z.B. einen Tag oder eine ganze
Woche) stattfinden soll, wird in der Dropdown-
Liste „Wie lange“ die Umfragedauer
„ohne Countdown“ eingestellt. Jede Umfrage
kann zudem mit einem Titel und einem
Kommentar versehen werden. Ist alles eingestellt
– das geht recht schnell –, wird die
Umfrage gestartet. Dazu erhält jede gestellte
Frage eine sechsstellige Zugangsnummer.
Wer an der Umfrage teilnimmt, muss lediglich
über ein internetfähiges Gerät verfügen
(Smartphone, Tablet, Computer), die Website
von PINGO (www.pingo.coactum.de) aufrufen,
die Zugangsnummer eingeben und die
Frage beantworten. Fertig! Am Ende der gesamten
Umfrage können die Ergebnisse der
Einzelfragen in Form eines Diagramms, einer
Tabelle oder einer Tagcloud aufbereitet
werden. Somit müssen die SuS nicht selbst
die Auswertung aller Fragen übernehmen
und können direkt mit der Besprechung der
Ergebnisse beginnen.

Leider ist es derzeit nicht möglich, unter
einem Hauptthema mehrere Fragen zu bündeln,
die mit einer einzigen Zugangsnummer
beantwortet werden können. Möchte man
nun zum Thema „Heimat“ insgesamt zehn
Fragen stellen, müssen die Teilnehmer daher
zehn verschiedene Zugangsnummern
eingeben. PINGO wurde für den direkten
Einsatz in Lehrveranstaltungen eingesetzt,
sodass diese Option zunächst nicht in Betracht
gezogen wurde. Eine Version für den
schulischen Einsatz ist allerdings schon im
Gespräch, sodass sich der User auf Neuerungen
mit weiteren Features freuen darf.
In jedem Fall bietet das kostenlose Tool vielfältige
Möglichkeiten für den schulischen
Einsatz.

7. bis 9. Stunde:
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn

„Vom verlorenen Sohn“, „Die Ohnmacht des
allmächtigen Vaters“, „Gleichnis von den
beiden Söhnen“ oder „Die Freude des Vaters“
– die Parabel Lk 15,11-32 hat je nach
Auslegung unterschiedliche Überschriften
und gehört zu den biblischen Texten, die
vom Reich Gottes erzählen. Die Hauptpersonen
sind ein Vater und seine zwei Söhne,
eine Männergeschichte, die sich in drei Teile
gliedert: 1. Exposition (15,11), 2. Erzählung
vom jüngeren Sohn in Beziehung zum Vater
(15,12-24), 3. Erzählung über das Verhältnis
von älterem Sohn und Vater (15,25-32).
In der Exposition werden die drei Hauptpersonen
kurz vorgestellt, eine Dreiecksgeschichte:
„Zwei Personen (die Söhne) haben
grundsätzlich den gleichen Status, die dritte
Person stellt ihnen gegenüber eine Autorität
dar.“ Im ersten Teil der Parabel (V. 12-16)
erzählt Lukas, dass der jüngere Sohn von
seinem Vater verlangt, den ihm zustehenden
Erbteil auszuzahlen. Der Vater teilt das
Vermögen unter seinen Söhnen auf und der
jüngere Sohn zieht daraufhin in ein fremdes
Land. Er macht sich sprichwörtlich vom
Acker und setzt sich von seiner Familie und
der Heimat ab. In der Fremde „führte er ein
zügelloses Leben und verschleuderte sein
Vermögen“ (V. 13b). „Die Szene steigert sich
von Mittellosigkeit über zunehmenden Mangel
angesichts der aufkommenden Hungersnot
bis zur lebensbedrohenden Situation des
Schweinehirten, der nicht einmal Schweinefutter
zum Essen erhält.“ Da die Schweine
zu den unreinen Tieren zählen, stellt diese
Arbeit eine überaus große Erniedrigung
dar und es ist ihm nicht einmal erlaubt,
vom Schweinefraß zu nehmen. Es geht ihm
richtig dreckig und es ist die existenzbedrohende
Not, die Angst zu verhungern, die
dem jüngeren Sohn in einem „inneren Zwiegespräch“ die Erkenntnis (V. 17-20a) bringt
und letztlich den Entschluss, etwas an der
eigenen Lebenssituation zu verändern und
in die Heimat zurückzukehren. Denn „wie
viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot
im Überfluss, ich aber komme hier vor
Hunger um“ (V. 17). Vor Hunger und Elend
zermürbt, fasst er den Entschluss, heimzukehren.
Er überlegt sich, was er seinem
Vater bei seiner geplanten Rückkehr sagt,
und übernimmt die Verantwortung für sein
Scheitern: „Vater, ich habe mich gegen den
Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin
nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach
mich zu einem deiner Tagelöhner“ (V. 18-19). Der jüngere Sohn bekennt sich dazu, „dass er seine
Sohnschaft verwirkt hat … (und) bittet … um eine
existenzsichernde Anstellung als Tagelöhner.“ Er ist
sich bewusst, dass sein Verhalten unmöglich war, und
hofft allerhöchstens auf eine Anstellung für niedere
Dienste.

Die folgende Rückkehrszene beginnt völlig unerwartet
mit dem Entgegenkommen des Vaters, der
seinen Sohn von weitem sieht. Der Vater umarmt und
küsst ihn zum Zeichen der Vergebung und nimmt ihn
wieder auf. Die Bitte, als Tagelöhner Arbeit zu erhalten,
trägt der jüngere Sohn allerdings nach seinem
Schuldbekenntnis nicht vor. „Mit einer Reihe von Imperativen
in V. 20 wird vielmehr die überschwängliche
Festvorbereitung hervorgehoben, die nun beginnt: Der Sohn wird neu eingekleidet, erhält Ring (als Symbol
eines freien Mannes) und Schuhe, ein Mastkalb
wird geschlachtet.“ Der Sehnsuchtsort des väterlichen
Hofs wird zum Ort der erhofften Zuflucht und
Sicherheit. So endet der erste Teil der Parabel freudig
mit einem Fest und die Erzählung erreicht durch den
Gegensatz von Verlust und Wiederfinden des Sohnes
ihren ersten Höhepunkt.

»Was Heimat ist, verändert
sich im Laufe des Lebens.«

Andreas Thelen-Eiselen

Der zweite Teil der Parabel ist parallel dazu gestaltet:
Der ältere Sohn kehrt von der Arbeit auf dem Feld
nach Hause und hört, wie das Fest bereits in vollem
Gange ist (V. 25). Nachdem ein Knecht ihm den Grund
für die Feier mitteilt, wird der ältere Sohn „zornig und
wollte nicht hineingehen“ (V. 28). Er kann das Verhalten
seines Vaters nicht nachvollziehen und fühlt sich
ungerecht behandelt, eine nur allzu menschliche Verhaltensweise:
„Kaum aber ist der hier gekommen, dein
Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht
hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet“
(V. 30). Im Zorn verweigert er seinem jüngeren Bruder
den „Brudertitel“ und spricht lediglich von „der
hier“ und „dein Sohn“. Da das Vermögen des Vaters
vom jüngeren Sohn gänzlich „verprasst“ wurde, ist die
vorwurfsvolle Reaktion des älteren Bruders nachvollziehbar.
Doch der „Vater nimmt den Älteren in gleicher
Weise emotional an wie den anderen Sohn: ‘Kind,
du bist doch immer bei mir, und alles, was mein ist,
ist dein.’ Es geht um die Freude und deren Anlass: das
Wiederfinden des Verlorenen.“ Im Zentrum der Parabel steht daher der Vater. Das unterschiedliche
Verhalten der Söhne „stellt die Größe
des väterlichen Handelns heraus.“ Ob sich
der ältere Sohn am Ende von seinem Vater
überreden lässt, an der Feier teilzunehmen,
bleibt offen. Hier ist die Phantasie des Lesers
gefordert, den Teil der Erzählung abzuschließen.

Es ist eine Alltagsgeschichte, die bei Verhältnissen
ansetzt, die jeder nachvollziehen
kann und auf diese Weise Raum zur Identifikation
schafft. Während der jüngere Sohn
den Sünder darstellt, verkörpert der Vater
den barmherzigen Gott. Er nimmt auch diejenigen
Menschen in sein Reich auf, die in
ihrem Leben Fehler begangen haben. Wer um
Vergebung bittet, dem wird sie gewährt. Der
ältere Bruder wirkt hingegen wie ein Mahnmal,
die eigenen Denk- und Verhaltensweisen
zu hinterfragen, denn wer ohne Sünde
ist, werfe den ersten Stein (Vgl. Joh 8,7).

Von der Heimat in die Fremde (7. Stunde)

Die Parabel wird in drei Abschnitten behandelt.
Zum Einstieg liest die Lehrkraft den ersten
Teil (M7) vor. Parallel hierzu werden die
Skizzen (M8-M8.2) des Künstlers Rembrandt
van Rijn zum Gleichnis vom verlorenen Sohn
projiziert: Die Auszahlung des Erbteils (V. 11-
12); Der verlorene Sohn unter den Schweinen
(V. 13-14); Der Weg in die Fremde (V. 15-17).
Im Anschluss sollten Fragen und Unklarheiten
hinsichtlich des Gehörten gemeinsam
besprochen werden. Kann man sich sein
Erbe schon vorher auszahlen lassen? Warum
hat er seine Familie verlassen? Was ist
ein Tagelöhner? … Ebenso sollte der soziale
Absturz des jüngeren Sohnes kurz thematisiert
werden, bevor sich die SuS nochmals
eingehender mit dem ersten Teil der Parabel
auseinandersetzen. Dazu verfassen die Jugendlichen
in Einzel- oder Partnerarbeit einen
inneren Monolog (M9), der die Gedanken
und Gefühle des „abgestürzten“ Sohnes zum
Ausdruck bringt, während er hungernd die
Schweine auf dem Feld hütet. Wie wird es mit
ihm weitergehen? Was würde sein Vater/sein
Bruder sagen, wenn er ihn so sähe? Kann er
der Not entkommen? … Die Ergebnisse werden
abschließend im Plenum besprochen.

Von der Fremde in die Heimat (8. Stunde)

Im Folgenden steht die Rückkehr des Sohnes
in seine Heimat im Mittelpunkt. Hierzu liest
die Lehrkraft den zweiten Teil der Parabel
(M7) vor und projiziert parallel hierzu die
entsprechende Zeichnung von Rembrandt
(M10). Anschließend können die Ergebnisse
des inneren Monologs (M9) nochmals eingebunden
und mit dem Fortgang der Parabel verglichen werden. Treten Gemeinsamkeiten
auf? Gibt es etwas Überraschendes oder
Unerwartetes? Was wirft Fragen auf? Für
eine eingehendere Auseinandersetzung mit
der Rückkehr des Sohnes bilden die SuS zunächst
Kleingruppen und stellen die Szene
spielerisch nach (M11). Der biblische Text
darf dabei von den Jugendlichen in eigenen
Worten formuliert werden. Ebenso können
die Personen zu Wort kommen, die in der
Zeichnung von Rembrandt im Hintergrund
zu sehen sind. Wer sind diese Personen und
was könnten sie sagen oder denken? Der ältere
Bruder taucht in den bislang vorgelesenen
Bibelauszügen noch nicht auf. Daher
kann dieser im Vorgriff auf den Abschluss
der Parabel nun schon zu Wort kommen. Wie
wird er auf die Rückkehr seines jüngeren
Bruders reagieren? Zum Ende der Stunde
präsentieren die SuS ihre szenischen Spiele.

Vom Reich Gottes (9. Stunde)

Die abschließende Stunde zum Gleichnis
vom verlorenen Sohn beginnt erneut mit
einem Lehrervortrag. Der dritte und letzte
Teil der Parabel (M7) wird von der Lehrkraft
vorgelesen. Somit knüpft auch diese Stunde
an die Überlegungen und Ergebnisse der
Vorstunde an. Nun tritt der ältere Bruder
in der biblischen Erzählung auf, und zwar
genau so, wie es wohl die meisten Leser erwarten.
Dabei will eben diese provozierte
Leserreaktion zum Nachdenken anregen, sie
will geradezu wachrütteln, genauer hinzuschauen
und das eigene Handeln und Denken
zu hinterfragen. Denn Jesus erzählt in
diesem Gleichnis vom Reich Gottes. Das
wird ersichtlich, wenn den SuS die „Zweigipfeligkeit“ der Parabel verständlich ist:
Der Vater (Gott) bestätigt dem älteren Sohn
(Gerechten), dass er gerecht gelebt hat, doch
er führt ihm mit der Wiederaufnahme des
jüngeren Sohnes (Sünder) vor Augen, dass er
vergibt. Es ist der Heilsweg durch Buße, den
der Evangelist Lukas zeigt. Denn „ich bin
gekommen, die Sünder zur Umkehr zu rufen
und nicht die Gerechten“ (Lk 5,32).

Die SuS erhalten zur Auseinandersetzung
mit dem Schlussteil der Parabel verschiedene
Arbeitsaufträge (M12). Zunächst fertigen
die Jugendliche eine Skizze ähnlich der
von Rembrandt zum Text an. Im weiteren
Verlauf erläutern sie, was uns das Gleichnis
von Gott erzählt. Abschließend schreiben
die SuS die Geschichte weiter, denn ein Gespräch
zwischen den beiden Brüdern hat im
biblischen Text nicht stattgefunden. Wie der
ältere Bruder auf die Argumente seines Vaters
reagiert, bleibt offen. Wird er das Fest
besuchen oder später mit seinem Bruder das
Gespräch suchen und falls ja, was würde er
seinem jüngeren Bruder mitteilen? Die SuS
verfassen hierzu in Einzel- oder Partnerarbeit
einen Dialog. Die Ergebnisse werden
dann im Plenum vorgestellt.