Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung
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Gaming nicht nur für digitale Eingeborene

Lohnt sich der Einsatz digitaler Spiele in jedem Religionsunterricht? Oder ist es eine reine Spielerei, die viel Zeit, eigenes Know-how und technische Ausrüstung erfordert? Sondierungen im Bereich Schule

Im März 2017 startete Linda Breitlauch, Professorin
für Game-Design in Trier, den Hashtag
#SoSehenGamerAus. Schnell sammelten sich
darunter die Porträts von Jung und Alt aller Couleur.
Gleichzeitig wurde viel darüber diskutiert: Sind »Gamer
« überhaupt eine eigene soziale Gruppe? Insgesamt
war der Tenor unter den Beteiligten eher dieser:
Wir sind Menschen, wie alle anderen, mit einem besonderen
Hang zum digitalen Spiel, es definiert uns
aber nicht. Ich möchte es gerne noch weiten: Es reicht
bereits Aufgeschlossenheit und Interesse, um erste
Schritte im Bereich Games und Religion zu tun, auch
wenn Sie sich eher zu den digitalen Einwanderern
zählen.

Schritt 1 geht der Frage nach, welche Bedeutung digitale
Spiele und das Spielen für den Religionsunterricht
haben können. Nach diesem Auftakt widmet sich
Schritt 2 der Frage, was die Besonderheiten digitaler
Spiele und digitalen Spielens sind, während Schritt 3
bereits in die Praxis hinübertritt und Herausforderungen
und Chancen beleuchtet. Der finale Schritt 4
bietet anhand von zwei Beispielen Orientierung, was
konkret im schulischen Rahmen möglich ist.

Die Bedeutung digitaler Spiele für den RU

Die breite Resonanz zum Hashtag #SoSehenGamer-
Aus zeigt, dass digitales Spielen unbestreitbar in der
Breite der Gesellschaft angekommen ist. Zahlen des
Branchenverbands game unterstützen dies: Mit 8,5
Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2020 und einem Plus
von 32% zum Vorjahr ist der deutsche Games-Markt
ein unglaublich großer Wirtschaftsfaktor. Die Hauptkonsumenten
sind dabei seit Jahrzehnten ungebrochen
die 12-19-Jährigen, wie die seit 1998 erscheinende
Studie »Jugend, Information, Medien« beweist.
Im Jahr 2020 nutzten 56% der Mädchen und ganze
79% der Jungen täglich oder mehrmals pro Woche digitale
Spiele. Lediglich 12% (weibl.) / resp. 5% (männl.)
der Jugendlichen spielt keine digitalen Spiele. Insbesondere
das ubiquitäre Smartphone wird dazu stark
frequentiert. Hier liegen die Mädchen mit 61% sogar
weit vor den Jungen mit nur 27%. Mit umgekehrten
Vorzeichen verhält es sich dann bei festen Spielekonsolen
und Computern/Laptops: Hier sind die Jungen
ca. 20% vor den Mädchen.

Doch abstrakte Zahlen allein beweisen noch keine
tatsächliche Relevanz für den Unterricht vor Ort.
Drei kurze Anekdoten sollen die Bedeutung von digitalem
Spielen untermauern: Kaum waren die Jungs in
meiner Klasse 12 Jahre alt, häuften sich die Anfragen
wie: »Herr Zirpel, spielst du mit uns Fortnite?«. Nachdem
die Erlaubnis der Eltern eingeholt war, spielten
wir – per Sprachchat Discord vernetzt – einzelne Runden
am Wochenende. Dabei ging es m. E. vor allem um
Teilhabe: Dass ich als ihr Klassenlehrer an der Passion
für »ihr Spiel« und ihrem Können partizipiere;
dass sie mir diesen subjektiv-wichtigen Teil ihres
Lebens zeigen konnten. Ich war im Vergleich furchtbar
schlecht in dem immer noch überaus beliebten
Shooter. Dafür waren die gemeinsamen Lacher umso
größer. Jetzt profitieren vor allem diejenigen Jungen,
die sich immer schon stark vernetzt haben im Wechsel-
und Distanzunterricht. Der eigene Discord-Server
ist immer gut besucht, Hilfe durch die Peers nur einen
Klick entfernt.

»Spielende erleben sich
in den digitalen Welten als
Aktiv-Gestaltende«

Thimo Zirpel

Und die jungen Damen meiner Klasse? Sie freuen
sich schon sehr auf eine Runde »Just Dance« auf der
Nintendo Switch, sobald das in der Schule wieder
möglich ist. Bei der Planung der Abschlussfahrt 2022
kamen sie schnell auf die Idee, einen Partyabend für
alle mit einem freundlichen Wettstreit zu organisieren.
Natürlich müssen auch die Klassenlehrerin und
der Klassenlehrer ihre Moves zum Besten geben. Dass
die Konsole von mir gestellt wird, ist zwar eine Nebensache,
unterstreicht aber, dass ich es ernst meine
und nicht nur den Anschein von Interesse wahren
will. Wichtiger jedoch ist hier erneut, was über das
digitale Spielen erfahrbar wird: Gemeinschaft und
Lebensfreude.

Doch was hat all das mit Religionsunterricht zu
tun? Wo sind da die »religiösen Inhalte«? In meiner
Dissertation habe ich gezeigt, dass sie bereits in der
Spielkultur und dem Akt des Spielens enthalten sind.
Ich muss nicht erst eine Unterrichtsreihe zum Thema
»Was ist mir heilig?« durchführen, um dies aufzudecken,
denn es reicht schon eine kurze Recherche in
den Kommentaren zu beliebten YouTube-Videos: »Ich habe mich seit Monaten auf diesen Moment gefreut!

Wenn ein Spiel allerdings auch auf der Ebene der
Darstellung religiös geprägt ist, besteht eine weitaus
größere Chance, dass im Spielakt oder der sich
daran anschließenden Kommunikation Religion zum
Tragen kommt. »The Binding of Isaac: Rebirth« (Platz
15 auf Steam) ist vom Namen her bereits mehrfach
religiös signiert. Der Titel zitiert zum einen die berühmte
Erzählung aus Gen 22,1-19, zum anderen ist
mit »Wiedergeburt« ein theologischer Topos aufgerufen.
Erstaunlicherweise spielt all das auf der Oberfläche
des Spiels nur eine geringe Rolle, denn das Spiel
ist ein actionreiches Bullet-Hell-Szenario, wo es vor
allem um Angriff und Ausweichen geht. Erst in der
Auseinandersetzung mit einem der beiden Entwickler,
Edmund McMillen, wird deutlich, was im Hintergrund
des Spiels verarbeitet wird und wie die Fan-Gemeinde
des Spiels darauf reagiert.

Besonderheiten digitaler Spiele

Während also im Religionsunterricht vor allem dezidiert
religiöse Spielinhalte und Darstellungsweisen
interessant erscheinen, darf nicht vergessen werden,
dass erst durch den Akt des Spielens und die sich oftmals
anschließende Kommunikation Religion wirksam
wird. Gerade in Online-Spielen ergeben sich Möglichkeiten
– emergent Gameplay –, die die Entwickler
nicht antizipiert oder gar im Spiel angelegt haben: So
trafen sich in »World of Warcraft« Spielerinnen und
Spieler aus der ganzen Bundesrepublik und darüber
hinaus digital, um einem verstorbenen Mitspieler das
letzte Geleit zu erweisen.

Digitales Spielen umfasst also weitaus mehr als
nur den vom Entwickler bereitgestellten Inhalt auf
den verschiedensten Plattformen. Das obige Beispiel
weist auf die Unabgeschlossenheit gerade von Multiplayer-
Spielen hin. Insbesondere Sandboxes, also
Spiele, die einen Rahmen für die eigene Kreativität
bieten, sind dafür zentral. Niemand hat den Spielerinnen
und Spielern gesagt, dass sie den Cristo Redentor
aus Rio de Janeiro in Minecraft nachbauen sollen.
Das sind selbstgesteckte Ziele, angefeuert durch die
Gemeinschaft, die hinter diesem Spiel steht und bewundernd
(oder auch kritisierend) Feedback gibt.

Digitales Spielen ist zudem stets handlungsorientiert.
Darin besteht der Reiz und oftmals auch der Spielspaß: Ich muss (gemeinsam) etwas tun, um ein
Hindernis zu überwinden oder um die Spielwelt zum
Leben zu erwecken. Spielerinnen und Spieler erfahren
darin in hohem Maße Selbstwirksamkeit: Durch
ihr Handeln kann sich alles verändern – zum Guten
wie zum Schlechten, wie es z.B. in der Göttersimulation
»The Universim« der Fall ist. Die Spielenden
sind zudem die Agenten dieser Veränderung. Anders
als vielleicht in ihrem Alltag erleben sie sich in den
digitalen Welten als Aktiv-Gestaltende, im Gegensatz
zu Passiv-Widerfahrenden. Selbst in den derzeit sehr
beliebten Horror-Spielen wie »Dead by Daylight« oder
»The Medium«, in denen die Spannung maßgeblich
durch Macht- oder Hilflosigkeit entsteht, bleibt genügend
Agency erhalten, dass man sich als »Schmied
seines eigenen Schicksals« verstehen kann.

»Sind Gamer eine eigene
soziale Gruppe?«

Thimo Zirpel

Schließlich eröffnet digitales Spielen einen Erfahrungsraum,
wie er für viele Menschen kaum anderswo
erlebbar ist. Wir können mit Altair in »Assassin’s
Creed« durch das mittelalterliche Jerusalem streifen,
uns in »Diablo 3« oder der »Darksiders«-Reihe
live ins apokalyptische Geschehen werfen und in einer
kurzen Partie »Among Us« nur allzu menschliche
Seiten entdecken. Wir sind Androiden-Messias in
»Detroit: Become Human« oder zwei verletzliche Brüder
auf der Suche nach einem Heilmittel für den todkranken
Vater in »Brothers – A Tale of Two Sons«. Hinzu
kommen die nahezu unendlichen Möglichkeiten,
die uns Open-World-Spiele und die oben bereits erwähnten
Sandbox-Games bieten. Vielfach sind solche
Spiele besonders erfolgreich, die den Spielerinnen
und Spieler die Möglichkeit an die Hand geben, durch
Mods (Modifikationen) selber das Spiel zu verändern
und zu erweitern. Nicht zuletzt gibt es inzwischen
derart leicht zugängliche Software und Hilfe zur Erstellung
eigener Spiele – RPGmaker ist eine beliebte
Option –, dass ich zur Not die Erfahrung, die ich erleben
und teilen möchte, selbst gestalten kann. So ist
es mit »Devtheism« geschehen. Die zentrale Aussage
dieses kurzen Spiels wird bereits durch den Untertitel
deutlich: Es ist ein »Story-Driven Game About
Respecting Other People’s Beliefs«. Spiele wie dieses
ermöglichen Perspektivübernahmen in einer sehr anschaulichen
Form.

Herausforderungen und Chancen in der Praxis

Doch wie lässt sich so etwas konkret in der Praxis anbahnen?
Sollte jetzt ein Bild im Kopf entstanden sein
von einer Lehrkraft, die bis an die Zähne bewaffnet mit
Tablets, Konsolen und Smartphones womöglich auch
noch den hochfrequentierten Informatikraum belegt,
so kann Entwarnung gegeben werden: Bereits 2006
stellten Köhler-Goigofski und Scholtz eine Matrix für
das Arbeiten mit Computerspielen auf, die dezidiert
digitales Spielen ohne Software im Unterrichtsraum
in den Blick nimmt. Denn selbst mit der – zum Glück!
– steigenden Anzahl an besser ausgestatteten Schulen
ist ein Hauptproblem nicht beseitigt: Gute Software
kostet teures Geld! Rechtlich gesehen muss für jedes
Gerät eine Lizenz erworben werden oder aber man
kauft eine Klassen-, Jahrgangs-, Fachschafts- oder
Schullizenz. Für Spiele existiert so etwas – mit Ausnahmen
wie »Minecraft-EDU« – kaum. Will man also
aktuelle Titel im Unterricht thematisieren, so muss
man automatisch auf andere Ansätze ausweichen.

Grundsätzlich lässt sich digitales Spielen als eigenes
Thema oder als Medium im klassisch vermittelnden
Sinne einsetzen. Letzteres ist mit Popmusik, Fernsehserien
usw. vielfach erprobt. Warum aber nicht
einmal die »Diablo« und »Darksiders«-Reihen ins
Zentrum z.B. einer Unterrichtsreihe der Einführungsphase
stellen und daran Elemente von Anthropologie,
Christologie und Eschatologie andocken? Dazu können
die Schülerinnen und Schüler in Referaten die jüdischen
Wurzeln der Dämonen in »Diablo« erforschen
oder kulturhistorisch den Reitern der Apokalypse in
»Darksiders« auf den Grund gehen. Das (Spiel)Material
hierzu finden sie auf YouTube und zahlreichen offiziellen
und inoffiziellen Internetseiten. Software ist
hierzu nicht unbedingt nötig.

Natürlich ist selber spielen deutlich interessanter.
Die niedrigste Hürde stellen sog. Browsergames dar.
Sie sind über eine Internetseite aufrufbar und können
sofort gespielt werden, ohne dass etwas installiert
werden muss. »Martin Luther auf der Spur« und
»Everyday the same dream« sind zwei interessante
Beispiele hierfür. Doch Vorsicht: Oftmals sperren die
städtischen und privaten Anbieter für ihre Netzwerke
alle Internetseiten, die etwas mit Spielen/Games zu
tun haben. Kontaktieren Sie vorher den Administrator
oder prüfen Sie, ob im Netzwerk für Lehrkräfte
evtl. andere Regeln vorherrschen als im Netzwerk für
Schülerinnen und Schüler.

Mit Einwilligung der Erziehungsberechtigten können
zudem Geräte inklusive Software von zu Hause
mitgebracht werden. Moderne Konsolen wie Switch,
Playstation und Xbox oder Tablets sind leicht zu
transportieren und sollten nach Benutzung bei den
Lehrkräften aufbewahrt werden. Dabei muss nicht
jedes Kind ein eigenes Gerät besitzen. Es empfiehlt
sich, Beobachtungsgruppen mit geeigneten Arbeitsaufträgen
auszustatten und für eine bestimmte Zeit
ganz aus dem Spielprozess herauszuziehen. Denn der
bei digitalen Spielen schnell entstehende Flow-Effekt,
dass ich involviert und mitgerissen bin, widerspricht
aus der praktischen Erfahrung der meist reflexiven
Natur von Aufgaben über das Gespielte.

Große Chancen bieten die vermehrt vorkommenden
Tablet-Koffer bzw. Tablet-Klassen. Gerade kostenlose
Software lässt sich zentral über den Administrator
auf allen Geräten installieren und für eine gesamte
Lerngruppe einsetzen. Achten Sie darauf, dass Sie an
längere Phasen der Erkundung der Spielwelt auch
ergebnissichernde und reflexive Elemente anhängen.
Einzelne Beobachterinnen und Beobachter können
aus der Metaperspektive die Spielenden und das Spielen
betrachten und so zur Entwicklung von kritischer
Medienkompetenz beitragen (vgl. die Medienkompetenzrahmen
Ihres Bundeslandes).

Bei allem ist das größte Hemmnis jedoch die Zeit. Nur
wenige Spiele, wie z.B. die bereits erwähnten Browsergames,
sind in einer Doppelstunde oder gar Einzelstunde
als Ganzes zu erleben. Eine gute Möglichkeit bieten
Spiele mit episodischer Natur, mit Kapitel-Marken oder
Codes, die die Spieler direkt an einer bestimmten Stelle
im Spiel anfangen lassen (so z.B. bei »Das Jesus-Pergament
«). Außerdem können vorbereitete Speicherstände
das Nachspielen zentraler Passagen ermöglichen. Suchen
Sie außerdem nach Synergie-Effekten mit anderen
Fächern: Eine Coming-of-Age-Geschichte wie »Life is
Strange« kann arbeitsteilig im Fach Deutsch (Charakterportraits,
Plot, Setting …), Englisch (amerikanisches
High School-Leben …) und Religion/Ethik (Erwachsenwerden,
Mobbing, Vorbildlernen, Ethik …) behandelt
werden. Motivieren Sie geneigte Schülerinnen
und Schüler, ihr Lieblingsmedium in selbstständigem
Lernen, Facharbeiten und Projekttagen zu behandeln.
Dafür müssen Sie als Lehrkraft kein Experte sein. Sie
stellen kritisches Reflexionsvermögen und das aus
anderen Medien bekannte Handwerkszeug zur Analyse
bereit, die Schülerinnen und Schüler bringen ihren
Schatz an Erfahrungen mit dem Medium ein.

Dennoch ist mit diesem letzten Punkt eine weitere
Hürde benannt: Wie gut muss ich mich als Lehrkraft
auskennen oder gar selber digital spielen? Nach einer
dreitägigen Fortbildung für Lehrkräfte im Erzbistum
Hamburg zum Thema »Alte Mythen – Neue Welten«
war der Tenor unter den anfangs eher skeptischen
Teilnehmerinnen und Teilnehmern: Kleine Schritte
wagen und auf zuverlässige Schülerinnen und Schüler
vertrauen. Niemand wird über Nacht zum Medienguru.
Das ist auch nicht nötig. Begleiten Sie kritisch, aber
aufgeschlossen die Interessen Ihrer Lerngruppen.
Versuchen Sie sich im forschenden bzw. entdeckenden
Lernen. Gerade in den »toten Stunden« vor Zeugnissen
oder Ferien lassen sich so noch sehr ertragreiche
Stunden gestalten.

Zwei Beispiele: Reus und The Passage

Im Kernlehrplan des Landes Nordrhein-Westfalen ist
für die Jahrgänge 5 und 6 vorgesehen, Religionen und
ihre Gottesvorstellungen im Hinblick auf grundlegende
Merkmale zu beschreiben. Vertreter der Göttersimulationen
wie das oben erwähnte »The Universim«,
»Black & White« oder das recht überschaubare »Reus«
(niederl. für Riesen) bieten die Möglichkeit, anschaulich
und handlungsorientiert Gottesvorstellungen zu
entdecken. In »Reus« steuert der unsichtbare Spieler
vier Riesen, die einen öden Planeten in ein Paradies
für Menschen verwandeln sollen. Die Menschen sind
jedoch nicht direkt steuerbar, sondern reagieren darauf,
wie lebenswert man ihnen die Umgebung gestaltet.
Doch sollte eine Gruppierung zu schnell wachsen,
wird sie gierig und übermütig und droht die friedliche
Koexistenz zwischen Riesen und (Mit)Menschen aus
dem Gleichgewicht zu bringen. Lass ich es geschehen?
Oder schreite ich ein und »weise sie zurück an ihren
Platz«? Bin ich eine eher passive Schöpferin oder mische
ich mich doch mit Erdbeben, Seuchen und Überflutungen
aktiv in die Belange meiner Menschen ein?

Zu diesem Spiel und den weiteren Göttersimulationen
lohnt sich m. E. durchaus der Ansatz digitaler
Spieler als Thema mit Software. Zu Spielevideos können
von interessierten Schülerinnen und Schülern
einzelne Stationen vorbereitet werden, andere Stationen
umfassen die Beobachtungsgruppen, Auseinandersetzung
mit Sachtexten zu göttlichen Eigenschaften,
Gottesvorstellungen in anderen Religionen. Eine
abschließende Station lässt die Spielerinnen und
Spieler ihr eigenes God Game designen und schließt
damit den Bogen von der Rezeption zur Produktion.

Der klassische Ansatz des impulsgebenden Mediums
mit Software eignet sich für »The Passage«. Das
nur 5-minütige Browsergame stellt das Leben einer Figur
als Übergang/Passage zwischen jungem Erwachsensein
und Tod dar. Die Zeit läuft dabei unerbittlich
ab und am Ende wartet nichts als ein Grabstein (und
der Neustart?). Doch was zwischendrin geschieht und
ob das schon alles sein kann, sind spannende Fragen,
die durch das Spiel aufgeworfen werden: ein Memento
Mori. Dabei lohnt sich eine gezielte und verlangsamte
Betrachtung und ein mehrfaches Spielen mit der
gesamten Gruppe. Auch mit Interpretationen sollte
man sich erst zurückhalten, denn das auf der Oberfläche
geradezu simpel erscheinende Ein-Mann-Projekt
hat in der spielerischen und graphischen Gestaltung
einiges zu bieten: Während die Spiel- bzw. Lebenszeit
verstreicht, rückt die Spielfigur immer weiter vom linken
zum rechten Bildschirmrand. Alles, was anfangs
verschwommen vor einem lag, wird nun leichter erkennbar,
dafür verschwimmt nun alles hinter einem.
Der Mann und ggf. auch die Frau, auf die man trifft, altern
sichtbar: Die Haare werden grau bzw. fallen aus,
der Gang wird gebückter. Auch der Hintergrund wirft
Fragen auf: Zuerst läuft man durch eine Art Garten,
später ähnelt der Boden edlen Fliesen. Thematische
Anbindungen ergeben sich im Inhaltsfeld »Menschsein
in Freiheit und Verantwortung« (Sinn des Lebens)
und »Jesus der Christus« (Tod und Auferstehung). Viel
Spaß und Erfolg beim Ausprobieren und lassen Sie
mich gerne wissen, ob und wie es funktioniert hat!