Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung
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Kommt da noch was? Was kommt da noch?

Impulse aus der katholischen Eschatologie der letzten Jahrzehnte

Neuere Entwürfe einer Lehre von den sog. letzten Dingen sind selten
geworden – so selten, wie in Predigt und Katechese der christliche
Jenseitsglaube vorgestellt und verteidigt wird. Bestenfalls eine
„präsentische Eschatologie“ wird noch akzeptiert.

Gleichzeitig führt man vielfach
Erik Petersons Wort vom „eschatologischen
Vorbehalt“ im Mund.
Damit ist die biblische Balance
zwischen „schon und noch nicht“ –
genauer: zwischen der Gegenwart
des Reiches Gottes und dem am individuellen
Ende und am Ende der
Zeiten zu erwartenden Gericht mit
nachfolgender Vollendung bei Gott
– gemeint. Nach Meinung von Exegeten
wie Thomas Söding und Gerd
Theißen wurde es mit hoher Wahrscheinlichkeit
von Jesus selbst
angekündigt. Der Glaube an die
Parusie, an die Wiederkunft Jesu
Christi am Ende der Zeiten, besagt
auch im Urchristentum und bei den
Kirchenvätern in der Regel beides:
Er ist präsentisch, insofern wir
nicht nur täglich mit der Ankunft
Christi rechnen müssen, sondern
in unserem Handeln von dieser
Erwartung bestimmt werden und
teilweise den Vorschein künftiger
Herrlichkeit erleben dürfen. Er ist
futurisch, insofern dieser Tag Christi
im Glauben proleptisch vorweggenommen
und in der Hoffnung als
Rettung aus der Vernichtung erwartet
wird.

Im Folgenden werden Entwicklungen
der jüngeren katholischen
Theologie abrisshaft dargestellt
und gewichtet mit Blick auf eine
Theologie, die die Endlichkeit von
Mensch und Schöpfung ebenso im
Blick behält wie die Allmacht und
Ewigkeit Gottes.

Vorgeschichte

Die evangelische Theologie des 19.
Jahrhunderts hatte lange Zeit eine
Eschatologie, die mit Auferstehung
und Gericht am Ende der Zeiten
rechnet (futurische Eschatologie),
unter Einfluss einer einseitig verstandenen
Aufklärungsphilosophie
ignoriert und Eschatologie
auf Moral verkürzt, teilweise sogar
theosophisch reduziert. Historisch
ältere katholische Neuansätze wie
etwa die der Tübinger Schule blieben
in der katholischen Theologie
bis auf Weiteres wirkungslos. Aber
das 20. Jahrhundert bietet dann
wesentliche und zukunftsweisende
Modernisierungen für das Verständnis
eschatologischer Bilder
und Denkmuster.

Christozentrische Eschatologie

Bei Karl Rahner (1904-1984) wird
die Eschatologie zentral von Anthropologie
und (biblischer) Christologie
her bestimmt. Er schreibt
in seinem kurzen wie wirkungsvollen
Text Theologische Prinzipien
der Hermeneutik eschatologischer
Aussagen: „Der Christ, der die Offenbarung
Christi annimmt, weiß,
um Christus zu kennen und weil
er ihn kennt, dass die Vollendung
eben die Christi ist, und sonst weiß
er von ihr eigentlich nichts. Anders
ausgedrückt: Der Mensch als
Christ weiß von seiner Zukunft,
weil und indem und darin, dass er
durch die Offenbarung Gottes von
sich selbst und seiner Erlösung in
Christus weiß. Sein Wissen um die
Eschata ist nicht eine zusätzliche
Mitteilung zu der dogmatischen
Anthropologie und Christologie,
sondern nichts anderes als eben
deren Transposition in den Modus
der Vollendung“. Hier spiegelt sich
Rahners gleichzeitig anthropologische
und christologische Wende,
die bis heute die katholische Theologie
prägt: Was über das Ende der
Welt und des Menschen auch immer
im Kontext des Christentums
ausgesagt wird, muss sich am gegenwärtigen
Verständnisvermögen
des Menschen sowie an der Person
Christi und seiner ein-für-allemal
geschehenen Erlösungstat messen
lassen.

Rahner wollte sich von einer
zuvor allzu konkret vorgestellten
Bilderwelt der „letzten Dinge“ abstoßen,
die in den Höllenpredigten
der sog. Gemeindemissionen bis
in die sechziger Jahre hinein vor allem die Drohung mit Gericht und
Verdammnis als Mittel der Pädagogik
im Diesseits instrumentalisiert
hatte. Er rückte zu Recht den
Christus der Evangelien in den
Mittelpunkt der Eschatologie. Das
ausdrückliche Reden von einer
„Hermeneutik theologischer Aussagen
über die Zukunft“ unterstreicht
die Auslegungsbedürftigkeit nicht
nur der biblischen Texte, sondern
auch der auf diesen fußenden Theologien.
Rahner fordert gleichzeitig
den Bezug apokalyptischer Aussagen
auf den historischen bzw.
kerygmatischen Christus und den
Verzicht auf ein allzu wörtliches
Verständnis, das oft mit einer Instrumentalisierung
dieser Aussagen
einhergeht.

Gleichzeitig werden jedoch neue
Probleme aufgeworfen: Wenn Christus
das hermeneutische Prinzip
aller eschatologischen Aussagen
ist, kommt der genauen Fassung
dieses Prinzips ein neues Gewicht
zu. Es stellen sich weitreichende
Anschlussfragen: Was wissen wir
tatsächlich von Jesus Christus?
Inwiefern ist dieses Wissen historisch?
Welche Aussagen über
Zukunft lässt es zu? Aber auch:
Welches Bild hatte insbesondere
der Autor der Offenbarung des Johannes
von Jesus dem Christus?
Welche sich wandelnden Bilder haben
dieses Bild im Verlauf der Rezeptionsgeschichte
abgelöst oder
überlagert? Im Anschluss daran
ergibt sich die Frage nach einer
angemessenen Anwendung dieses
Wissens als eines hermeneutischen
Schlüssels für ein zeitgemäßes Verständnis
biblischer Apokalyptik.

Rahner hat mit dem Verweis auf
„Christus allein“ in der Rede von
den letzten Dingen Bedeutendes geleistet,
aber bestimmte Traditionsstränge
des christlichen Glaubens
gekappt und ihre Anhänger mit
dem offenen Ende in der Hand allein
gelassen. Wie soll man z.B. mit
der breiten Tradition der abendländischen
Ikonographie und Architektur
des „Jüngsten Gerichts“
umgehen? Gewiss, sein Anliegen
ist zeitgeschichtlich verständlich,
und die Gefahren einer Instrumentalisierung
des apokalyptischen
Motivbestandes dürfen weiterhin
nicht unterschätzt werden. Heutige
Theologie ist dazu auffordert,
die Frage nach dem Verhältnis von
Form und Inhalt des Glaubens an
„letzte Dinge“ noch einmal differenzierter
anzugehen und dabei die
Anthropologie zu weiten und mit
ihr die Christologie.

Theozentrische Eschatologie

In seinen dramatologisch orientierten
eschatologischen Texten
scheint sich der zweite große
deutschsprachige Theologe des
20. Jahrhunderts, Hans Urs von
Balthasar (1905-1988), der Frage
nach einem Verstehen apokalyptischer
Texte methodisch explizit
kaum zu stellen. Dennoch vollzieht
er mit seinem Konzept der „Theodramatik“
immer wieder eine inszenatorische
Deutung biblischer
Texte und heilsgeschichtlicher Zusammenhänge.
So vermeidet er eine
Engführung des apokalyptischen
Dramas auf die historische Person
Jesu Christi.

Bezeichnenderweise heißt es
in seiner Theodramatik III: In der
Apokalypse sei es möglich, zugleich
auf Erden und im Himmel
zu sein. „Wir haben demnach mit
einer Wirklichkeit zu rechnen, die
den Abstand zwischen Himmel und
Erde überbrückt, ohne ihn aufzuheben;
es ist die Wirklichkeit der
Heiligkeit der Kirche oder der Kirche
der Heiligen.“

Die Eschatologie Balthasars
kann am besten als Ästhetik verstanden
werden. Er beschreibt dieses
Projekt wie folgt: „In der Theologie
gibt es keine ‚bloßen Fakten‘,
die man ohne jede (objektive und subjektive) Ergriffenheit und Teilnahme
[…] wie irgendwelche weltlichen
Fakten sonst feststellen
könnte, in der angeblichen Objektivität
des Teilnahmslosen, Unbeteiligten,
Sachlichen“.

Eine weitere Inspiration für eine
zeitgenössische katholische Eschatologie
kann von Balthasars subtiler
Theologie des Todes ausgehen. Diese
schließt systematisch an seinen
Ansatz einer theologischen Ästhetik
an: Er schlägt vor, zu einem bewussten
„mich zu meinem eigenen
Sterben verhalten“ zu finden; d.h.:
sich nicht wie im „klassischen Judentum“
hinter dem Volksganzen zu
verstecken; anders als Plato an eine
Erschaffenheit der Seele zu glauben
und anders als dieser die völlige
Einmaligkeit der Existenz einzusehen;
sich nicht wie in der Stoa mit
der Vorstellung eines „natürlichen
Todes“ zu beruhigen. Zugleich darf
der Anspruch auf persönliche Würde
im Tod nicht aufgegeben werden;
damit würde man ja auf ein Ernstnehmen
und „Gelten“ des eigenen
Lebenswerkes verzichten. Letzteres
gilt wegen der dann möglich werdenden
„fabrikmäßige[n] Vernichtung“
gesichtsloser Individuen. Der
Tod lässt sich nicht befrieden, er
bleibt eine unheilbare Wunde, ein
Riss – und wird deshalb zum Entstehungsort
immerfort kompensierender
narrativer und fiktionaler
Zugänge.

Wie kann auf der Spur Balthasars
heute an die Inhalte der biblischen
Schriften geglaubt werden?
Der Theologe hält mit Blick auf
den Text der Offenbarung des Johannes
ausdrücklich drei Mysterien
fest, die sich unter irdischen
Bedingungen nicht auflösen lassen:
Christus, also die geheimnisvollen
Namen des Lammes und der vom
Lamm Auserwählten, das Antichristliche,
also das widergöttliche
Böse („Hure Babylon“), und die katholische
Kirche in der organischen
Vielfalt von sieben Gemeinden, die
sich selber nur von Christus her
kennen (7 Sendschreiben). Zugleich
werden die verwendeten Wortbilder
selbst zum Teil einer neuen
„Negativen Theologie“, die nicht
schweigt, sondern im Gegenteil
immer neu eine Fülle von Bildern
produziert, die sich gegenseitig
„tiefer auslegen“. Ob ein solches
„Oszillieren“ dem Leser/der Leserin
plausibel gemacht wird, darüber
schweigt Balthasar: „Das Zentrum
der Apokalypse besteht für
ihn aus einer Folge von Bildern, die
‚in Spiegel und Rätsel‘ [...], die zwischen
Himmel und Erde, Zeit und
Ewigkeit sich entfaltenden Folgen
des evangelischen Christusgeschehens
zeigen. Aber die Apokalypse
steht diesem Geschehnis nicht einfach
als visionäre der realen Wirklichkeit
gegenüber.“

Die Apokalypse ist real, insofern
sie dem Christen/der Christin
„theodramatisch“ das Kreuzesopfer
Christi nachzuvollziehen hilft.
Sie zeigt die Welt nach Christi
Himmelfahrt im Kampf zwischen
Gut und Böse in einer spirituellen
Perspektive, die existentiell in die
Entscheidungssituation zwischen
Lamm und Tieren, zwischen Christ
und Antichrist zwingt, ohne diese
als historisch-gegenwärtige Größen
oder Personen eindeutig definieren
zu müssen. Sie kann kein
„Trostbuch“ sein, weil der Kampf
noch nicht zu Ende gekämpft und
folglich noch nicht entschieden ist,
auf welcher Seite der Leser stehen
wird.

Gericht ist bei Balthasar interpersonal
und netzwerkartig angelegt.
Es stehen sich – anders als in
der Apokalypse – augenscheinlich
nicht einfach zwei Fronten von
Gut und Böse gegenüber, die Lage
ist komplexer: Mit Verweis auf Joh
12,48 legt er nahe, dass Christus
und die Heiligen eher als Katalysatoren
und Echo auf die eigenen
Handlungen und nicht im buchstäblichen
Sinne richten – ein Gedanke,
der in jüngeren Debatten
um Vergebung nach Auschwitz eine
wichtige Tür geöffnet hat. Insgesamt
nimmt die Offenbarung des
Johannes keinesfalls die Aussage
„Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8) zurück.

Balthasars Eschatologie ist im
Ganzen weniger christozentrisch,
sondern theozentrisch akzentuiert.
Die Zornes- und Gerichtselemente
versteht er als Verfremdungen, die
ein vorschnelles Verstehen dessen,
was wir für Liebe halten, verhindern:
„Wir können das Feuer der
Liebe Gottes nicht nach unserem
armseligen irdischen Flämmchen
bemessen. [...] die Liebe des dreieinigen
Gottes bleibt ewig größer
und unbegreiflicher als alles, was
in unsere Begriffe eingeht“.

Vergebung im Angesicht der Opfer

In den letzten beiden Jahrzehnten
wurde die Eschatologie mehrheitlich
als pastoraltheologischer Traktat
verstanden. Ottmar Fuchs (geb.
1945), Pastoraltheologe in Tübingen,
etwa knüpfte bereits 1995 an
Balthasars Eschatologie an, wenn
er dessen Rede von der Eschatologie
als „Wetterwinkel in der Theologie
unserer Zeit“ zunächst aufgriff
und im Sinne Rahners an die
Christologie band. Mit Verweis auf
die historisch fatalen Folgen der Annahme einer „ewigen Hölle für
die Andern“ führt Fuchs einen Jesus
der Evangelien ein, der angeblich
von einer Ewigkeit der Hölle
nichts und ansonsten „nichts über
das traditionell Verfügbare hinaus“
wissen wollte, sondern in einer Art
„Pädagogik der Höllendrohung“ lediglich
„eine diesseitige Steigerung
von Mitmenschlichkeit und Gewaltlosigkeit“
angezielt habe.

Auch für Fuchs muss es freilich
eine endzeitliche Gerechtigkeit
geben, jedoch keine abgrundtiefe,
ewige, denn: Für endlichen
Schmerz in endlicher Zeit soll kein
unendlicher Schmerz Vergeltung
sein. Es braucht also keine Hölle,
Gott selbst ist Feuer. Eine wirkliche
Wiedergutmachung ist nur möglich
„im Lebenszusammenhang mit
Gott und den Opfern selbst“. Fuchs
stärkt hier also die Wahrnehmung
der „Verlorenen der Geschichte“
durchaus im Sinne der Politischen
Theologien und versteht Gericht
wie Balthasar als freiheitliche Läuterung
durch Gott und die Heiligen.
Damit ist eine universellen Vergebung
unter Ausschluss der Opfer
unmöglich geworden: „Ein vom Gesicht
der Opfer abgewandtes und
abgespaltenes Strafleiden wäre
sinnlos, weil dann die Sühne nicht
an dem Ort eingeklagt und fruchtbar
würde, wo die Schuld verursacht
wurde und Leid zugefügt hat.“

In einem bemerkenswerten Beitrag
hat der Wiener Dogmatiker
Jan-Heiner Tück (geb. 1976) 1999
die skizzierten Vorgaben von Fuchs
aufgenommen und sie an mehreren
Punkten präzisiert: Zum Ersten
stellt Tück das Modell eines
interpersonalen Gerichts in den
Zusammenhang der Theologie nach
Auschwitz. Zum Zweiten klärt er die von Fuchs bereits entwickelte
Täter-Opfer-Relation insofern, dass
„auch die Opfer solange unerlöst
bleiben, als sie über das Trauma
ihres Leidens nicht hinwegkommen“
und dass „man die Identität
des Täters nicht auf seine Untaten
reduzieren kann“. Zum Dritten weist
Tück schließlich im Rückgriff auf
Balthasar und Paulus ausdrücklich
auf die zentrale Rolle Jesu Christi
in einem offenen Versöhnungsgeschehen
hin – eine Perspektive, die
sich eröffnet, weil er diesen aus
der Rolle des Anklagenden befreit.
Der Freiheit von Tätern und Opfern
wird Christus gerecht, indem er mit
unendlicher Geduld auf ihre Versöhnung
wartet; dem ungeheuren
Leid, das es rückblickend zu ertragen
gilt, begegnet er als derjenige,
der „den Weg der Leidenden bis in
die äußerste Ohnmacht des Todes
mitvollzogen hat“.

Der wartende Christus

Tück greift auf das Theologoumenon
des „wartenden Christus“
zurück, dessen Bedeutung in der
gegenwärtigen eschatologischen
Diskussion zunimmt und sich aus
mehreren Quellen speist. Fuchs
hatte vor dem Hintergrund des
Hörspiels „Festianus, Märtyrer“
von Günter Eich den höllensprengenden
Herabstieg eines Unschuldigen
aus dem Himmel mit der
Bemerkung zitiert: „Ich bin zu den
Sündern zurückgegangen, ich kann
nicht im Paradies leben, solange es
noch Menschen gibt, die leiden“.
Schon 1977 hatte der Freiburger
Fundamentaltheologe Hansjürgen
Verweyen (geb.1936) mit Bezug auf
1 Kor 15,22 prägnant formuliert:
„Himmel bedeutet für alle den Entscheid
für eine Geduld, die grundsätzlich niemals aufgibt, sondern
unendlich lange auf den andern
zu warten bereit ist.“ Er verweist
dabei auf analoge Traditionen in
der Bodhisattva-Tradition des
Mahāyāna-Buddhismus und einer
chassidischen Legende über den
Rabbi Hayim von Volozhyn. Wartenkönnen
wird unter diesen – eschatologischen
– Bedingungen eine
Handlungskategorie der liebenden
Nachfolge und nicht ein göttliches
Attribut und damit Objekt (zu) weit
reichender Spekulation.

Worum geht es bei dem Ganzen,
was ist neu? Eine erlösend-richtende
Vermittlung der Opfer- und
Tätergeschichten im Sinne eines
geduldig auf das freie Ja zur Versöhnung
wartenden und so zur
Nachfolge auffordernden Gottes
endet nicht mit dem irdischen Tod,
der für die Allmacht und Ewigkeit
Gottes keine Grenze darstellt. Nach
dem Sterben des Leibes hat die mit
den leiblichen Prägungen eines gelebten
Lebens gesättigte Seele die
Konfrontation mit seinem Leben
zu erwarten. Dies geschieht in der
Frage nach ihrer Übereinstimmung
mit einer von Beginn an guten
Schöpfung bzw. nach der gelungenen
Jesusnachfolge (Mt 25). Das
als „Gericht“ bezeichnete Geschehen
folgt aus Schuld und abgründiger
Niedertracht mit geradezu
„logischer“ Notwendigkeit und hat
in vielen Hochreligionen zu ähnlichen
Vorstellungen einer außerirdischen
Gerechtigkeit geführt.

Die Annahme eines Zwischenzustandes
– seit dem 11. Jahrhundert
„Purgatorium“, Reinigungsort
oder –situation, genannt – steht für
die Gelegenheit, sich zum eigenen
Leben und der darin vollzogenen
Abwendung von Gott noch einmal neu zu verhalten. „Gericht“ bedeutet
die Begegnung mit den Opfern
des eigenen Verhaltens im Angesicht
Christi als eines „Raumes“
der Versöhnung. Insgesamt geht
es um einen Prozess, der wegen
der Schau auf eigene und fremde
Abgründe sich auf das Feuerwort
des Apostels Paulus, dass wir „gerettet
werden, doch so wie durchs
Feuer hindurch“ (1 Kor 3,12–15),
stützen kann. Nach dem Zu-Ende-
Kommen aller Spätfolgen menschlicher
Schuld und nach der in unbedingter
Freiheit der Menschen
vollzogenen „Reinigung“ darf als
Ergebnis eines komplexen Prozesses
der Begegnung von „Tätern“
und „Opfern“, der sich in einem von
der unendlichen Geduld des Erlösers
eröffneten Raum abspielt, Allversöhnung
erhofft werden.

Eine solche Eschatologie eröffnet
aus der Perspektive einer
gedachten Ewigkeit Gottes ein
Verständnis von Zeit und Geschichte,
das die universelle Leid- und
Schuldverstricktheit sichtbar werden
lässt, ohne eine sinnlose Verlorenheit
des einzelnen Menschen
und der gesamten Menschheit in
ihr proklamieren zu müssen.