Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung
Aus verlässlicher Quelle weiss ich... (Kampagne der Stadt Kaufbeuren in Bayern)

Von Alltagshelden und Verschwörungstheorien

Anregungen zu einer Unterrichtssequenz in der Sekundarstufe I

Die Auswirkungen der epochalen Folgen der Corona-
Krise werden die Menschen – nicht nur in
Deutschland – in vielerlei Hinsicht lange beschäftigen.
So ist der Lockdown im Frühjahr mit dem
einhergehenden Homeschooling für alle Beteiligten –
Schüler, Eltern und Lehrer – noch in lebhafter Erinnerung.
Mittlerweile prägen Abstandsgebote, Maskenpflicht
und der Versuch, eine Balance zwischen Nähe
und Distanz zu ermöglichen, den schulischen Alltag.
Der Religionsunterricht (RU) kann den nötigen Raum
bieten, um mit den Schülerinnen und Schülern (SuS)
nicht nur die durchlebten Erfahrungen zu reflektieren,
sondern darüber hinaus ganz verschiedene und
vielfältige Themen dieser einschneidenden Pandemie
zu beleuchten. Die hier skizzierte Unterrichtssequenz
nimmt dabei nur einen der vielen Teilaspekte in den
Blick und widmet sich einerseits den „Alltagshelden“
der Pandemie und andererseits den zunehmenden
Verschwörungstheorien, die scheinbar nicht totzukriegen
sind und sich „pandemisch“ in den sozialen
Netzwerken verbreiten.

Thank you, doctors (M1-M2)

Der Einstieg erfolgt über ein Kunstwerk der rumänischen
Illustratorin Wanda Hutira. Die Illustration
ist Teil einer Kampagne, die Krankenschwestern und
Ärzte als hinduistische Gottheiten und christliche
Heilige porträtiert. Dabei verbindet die Künstlerin
den Stil der Kirchenkunst mit der Cartoon- und Comic-
Ästhetik und schafft auf diese Weise eine eindrückliche
Metapher, um auf die Anstrengungen, die
Nächstenliebe und die Fürsorge des täglich an vor-
D derster Front kämpfenden medizinischen Personals
aufmerksam zu machen und ihnen zu danken. Insbesondere
in den ersten Wochen der Pandemie war es
vor allem das medizinische Personal, das teils über
die eigenen Grenzen hinweg bis zur Erschöpfung arbeitete.
Für die Kampagne hat Wanda Hutira mit der
internationalen Werbeagentur McCann Worldgroup
zusammengearbeitet.

Das Bild (M1) kann eingangs mit allen SuS gemeinsam
betrachtet und im Plenum besprochen werden.
Alternativ bietet sich die Möglichkeit, die Bildbetrachtung
in Einzelarbeit (M2) durchzuführen und
den SuS hierzu entsprechende Fragestellungen zu geben,
die den Blick auf die Elemente der Illustration
und den Gestaltungsstil lenken. Von Bedeutung ist
vor allem die Wirkung des Bildes, das stark an die
christliche Ikonographie von Heiligen erinnert. Zudem
erwecken die einzelnen Bildsegmente, die durch
auffallend schwarze Linien durchbrochen sind, den
Eindruck, dass es sich um ein Kirchenfenster handeln
könnte. Unwillkürlich führt die ikonographische Darstellung
dazu, nach der Botschaft des Bildes zu fragen
und „was“ im Betrachter hierdurch ausgelöst bzw. in
Gang gesetzt wird.

Alltagshelden (M3-M3.2)

Während der Zwangspause im Lockdown wurde vielen
Menschen erstmals bewusst, dass es neben dem
medizinischen Personal noch viele weitere „Helden“
gibt, die unermüdlich im Einsatz waren und sind, um
den ganz selbstverständlichen Alltag zu ermöglichen
und zu erleichtern: Busfahrer im öffentlichen Nahverkehr, Pflegekräfte in Seniorenheimen, Reinigungskräfte
in Krankenhäusern, Berufskraftfahrer auf den
Autobahnen, Paketzusteller und Kurierfahrer in Städten
und Dörfern, Verkäufer und Kassierer im Einzelhandel,
Polizisten im Einsatz für Recht und Ordnung
… Die Liste könnte unendlich fortgesetzt werden und
manchmal sind es die stillen Alltagshelden, die nicht
gleich in den Blick geraten. Es sind jene Menschen,
die für Risikopatienten den Einkauf erledigen, Masken
für Helfer nähen, die Regale mit Lebensmitteln
(und Klopapier) nach Ladenschluss befüllen, Obdachlose
in der Nacht mit Nahrung versorgen oder rund
um die Uhr am Telefon ein offenes Ohr für die Ängste
und Sorgen der Menschen haben …

Dass Alltagshelden viele Gesichter haben, zeigt
eine Auswahl an Zitaten (M3), die der MDR Sachsen
unter dem #alltagshelden während der Corona-Krise
gesammelt hat. Problemlos kann bei Bedarf die Zitatauswahl
ergänzt werden, zumal zahlreiche Printund
Onlinemedien ähnliche Aktionen in den vergangenen
Wochen durchgeführt haben. Die Zitate werden
in ausreichender Anzahl mehrfach kopiert und im
Klassenraum ausgelegt, vorausgesetzt, dass genügend
Platz zur Verfügung steht und die Hygieneregeln
eingehalten werden können. Alternativ kann auf
den Schulhof, die Aula oder – sofern vorhanden – den
Lernflur ausgewichen werden. Die SuS lesen sich in
Ruhe die einzelnen Zitate durch und wählen eines aus,
das sie persönlich besonders anspricht. Anschließend
beziehen die SuS zum ausgewählten Zitat Stellung
(M3.1), indem sie erläutern, weshalb es sich bei dieser
Person um einen Alltagshelden handelt und was
einen Alltagshelden auszeichnet. Im Anschluss folgt
ein gemeinsamer Austausch im Plenum. Hierbei sollte
der „Heldenbegriff“ thematisiert werden. Was ist ein
Held? Und wie wird man zum Helden? … Zudem können
die SuS ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse
zu Alltagshelden einbringen.

Im Folgenden stehen daher die Alltagshelden der
SuS im Fokus (M3.2). Die Jugendlichen stellen in Form
eines Steckbriefs eine Person (aus ihrem Umfeld) vor,
die sich in besonderer Weise während der Corona-Krise
für Mitmenschen engagiert. Gleichzeitig können
die SuS reflektieren, ob und inwieweit sie sich selbst
im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv engagieren. Vor
allem aus dieser Reflexion heraus kann ein Projekt
initiiert werden, das von der Klasse oder dem Kurs
gemeinsam entwickelt und gestaltet wird. Alternativ
hierzu könnte ein Videoporträt von den SuS erstellt
werden, das den Alltagshelden im Rahmen eines
Kurzinterviews vorstellt. Bei dieser Herangehensweise
besteht zudem die Möglichkeit,
dass ggf. Aufnahmen von der konkreten
Hilfeleistung gemacht werden können. Der
Aufwand für ein Videoporträt ist gering und
kann auf das Wesentliche beschränkt werden.
Beispiele für die Vorstellung von Alltagshelden
in Form eines kurzen Videoclips
finden sich ebenfalls auf der Website des
MDR Sachsen2.

Aus verlässlicher Quelle weiß ich … – Die Wahrheit über die Lüge (M4-M6)

„Aus verlässlicher Quelle weiß ich … dass
es am Nikolaus liegt, dass ich kein Millionär
bin!“, lautet eine der frei erfundenen Aussagen,
die Teil der aktuellen Kampagne der
Stadt Kaufbeuren in Bayern ist. Entstanden
ist die Kampagne im Rahmen des Bundesprogramms
„Demokratie leben!“ des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend. Ziel ist es, das demokratische
Engagement und die Mitbeteiligung am politischen
Geschehen zu stärken. Vor allem
sollen Kinder und Jugendliche hierdurch angesprochen werden. Wenngleich die Aussagen auf
den Plakaten für den Betrachter zunächst unterhaltsam
erscheinen, widmet sich die Plakatserie einem
ernstzunehmenden Thema. Die Kampagne reagiert
damit auf die aktuelle Situation, in der Verschwörungstheorien
– u.a. durch die Corona-Pandemie
– neuen Aufschwung erhalten, Ängste schüren und
die Gesellschaft spalten. Gerade bei verunsicherten
und misstrauischen Gruppierungen fallen Verschwörungstheorien
auf einen fruchtbaren Boden. Die offizielle
Berichterstattung wird angezweifelt und hinter
allem werden übermächtige oder gar teuflische von
Habgier und Macht angetriebene Drahtzieher vermutet:
So entwickelt sich ein Narrativ, das die zunehmend
undurchschaubare und komplexer werdende
Welt mit einfachen Antworten erklärt und begreifbar
macht.

»Verschwörungstheorien
verbreiten sich pandemisch in
den sozialen Netzwerken«

Andreas Thelen-Eiselen

Anhand der Plakatserie (M4-M4.3) nähern sich die
Jugendlichen der Thematik um die Verschwörungstheorien
an. In Kleingruppen (3-5 Personen) analysieren
die SuS (M4.4) den Aufbau und Inhalt der Plakate,
stellen den Zusammenhang von Bild und Text dar und
deuten die Botschaft an den Betrachter. Des Weiteren
diskutieren die Jugendlichen, wie sie selbst diese
Kampagne gestalten würden. Die Ergebnisse hierzu
können im weiteren Verlauf zum Abschluss der Unterrichtssequenz
nochmals aufgegriffen werden. Für
den Austausch in Kleingruppen bieten sich z.B. die
Messenger-Dienste schul.cloud oder Threema an, die
DSGVO-konform sind. Eine weitere Möglichkeit kann
darin bestehen, den Austausch beispielsweise über
die Bearbeitung eines gemeinsamen Dokuments in
Office 365 oder Google Docs durchzuführen.

Die 43-minütige ZDF-Dokumentation „Ein Fall für
Lesch & Steffens. Die Wahrheit über die Lüge“ (M5-
M5.1) fühlt den Verschwörungsideologien auf den
Zahn und führt vor Augen, dass selbst wissenschaftliche
Belege nicht zum Verschwinden des Irrglaubens
führen und ständig neue „erfundene Wahrheiten“ anhand
„alternativer Fakten“ um die Welt gehen. Lesch
und Steffens entdecken bei ihren Recherchen immer
wieder dieselben Muster. Inhaltlich thematisieren
die Journalisten die erste Mondlandung, gehen der Theorie der Flacherdler nach, entlarven das Geschäft
mit der Angst, nehmen die Chemtrail-Theorie unter
die Lupe, decken die Verschwörung hinter dem Mythos
der Tempelritter auf und weisen experimentell
den Treibhauseffekt nach. Die Dokumentation steht in
der ZDF-Mediathek bis zum 17.10.2025 bereit. Während
des Films beantworten die SuS einige inhaltliche
Fragen (M5), die bei Bedarf erweitert werden können.
Ein Lösungsbogen für die Lehrkraft (M5.1) ist ebenfalls
enthalten. Zur weiteren Vertiefung der Thematik
ist die Internetseite der Bundeszentrale für politische
Bildung6 empfehlenswert, die im Bereich Medienpädagogik
ein „Spezial“ zu Verschwörungstheorien bereitstellt,
das neben Aufsätzen auch Filmbeiträge und
Podcasts einschließt.

Zum Abschluss der Unterrichtssequenz können die
Jugendlichen ihr Wissen kreativ einbringen, indem sie
selbst ein Plakat zum Thema „Die Wahrheit über die
Lüge“ gestalten. An dieser Stelle kann auf die Ergebnisse
aus dem Austausch zur Kampagne in Kaufbeuren
(siehe M4.4) zurückgegriffen werden. Bevor die SuS jedoch
mit der Gestaltung beginnen, wird ein Konzept
erarbeitet, das einerseits die Aussageabsicht und Zielgruppe
beschreibt und andererseits die Gestaltung in
Form von Aufbau, Farbgebung, Text und Bild skizziert.
Hier bietet sich die Zusammenarbeit mit dem Fach bildende
Kunst an. Denkbar ist zum Abschluss eine Ausstellung
der entstandenen Plakatserie.