Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung
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»Was brauchst du für ein gutes Leben?«

Ein Kunstprojekt der Caritas sensibilisiert für das Thema Armut

Anlässlich der Armutswochen 2021 hat der Caritasverband
für die Diözese Limburg e. V. ein
eigenes Kunstprojekt entwickelt, um Kinder,
Jugendliche und Erwachsene für das Thema Armut zu
sensibilisieren. Umgesetzt wurde es gemeinsam mit
einer PivA-Klasse (praxisintegrierte vergütete Ausbildung
zur staatlich anerkannten Erzieherin/zum
staatlich anerkannten Erzieher) der Marienschule in
Limburg.

Armut lässt sich nicht allein mit der Höhe des Einkommens
beschreiben, denn Armut ist mehr als ein
Mangel an Geld und materiellen Einschränkungen.
Armut kann darüber hinaus auch Benachteiligungen
in anderen Lebensbereichen bedeuten, wie beispielsweise
Bildung, gesellschaftliche Teilhabe oder psychische
und physische Gesundheit. »Wer schon als
Kind arm ist und nicht am gesellschaftlichen Leben
teilnehmen kann, hat auch in der Schule nachweisbar
schlechtere Chancen. Das verringert die Möglichkeit,
später ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Armut
zu führen.« In diesem Zusammenhang kommt
den Kindertageseinrichtungen und Schulen eine
Schlüsselrolle zu. Erzieherinnen und Erzieher sowie
Lehrkräfte können strukturelle Armutsfaktoren kaum
beseitigen, sehr wohl aber eine wirksame und kindbezogene
Armutsprävention leisten. Frühzeitige und
präventiv ausgerichtete Maßnahmen können für Kinder
und Jugendliche eine kompensatorische Wirkung
entfalten, sodass Armut nicht zwingend zu Teilhabebarrieren
und verminderter Selbstentfaltung führen
muss. Pädagogische Handlungsansätze sollten daher
– neben den finanziellen Rahmenbedingungen in den
Institutionen – besonders mentale Verarbeitungspotenziale
in den Blick nehmen, da ein positives Selbstkonzept
in krisenhaften Lebenslagen ein wesentlicher
Schutzfaktor ist und problemlösende Bewältigungsmuster
begünstigt. Ziel des Kunstprojekts ist es, in
gesellschaftlichen, pädagogischen und individuellen
Kontexten für ein weites Inklusionsverständnis zu
sensibilisieren, das Armut als eine von vielen Persönlichkeitsfacetten
wahrnimmt und im alltäglichen pädagogischen
Handeln Selbstwirksamkeitserfahrungen
ermöglicht und Resilienz fördernd wirkt.

Zur Einführung in das Unterrichtsvorhaben lässt
sich Literatur zum Thema »Armut in Deutschland«
heranziehen. Besonders interessant, diskursiv und
adressatenorientiert gelingt die Einstimmung über
ein Interview mit einer Expertin oder einem Experten:
In diesem Fall waren es zwei Referenten des Caritasverbandes
für die Diözese Limburg, die sich in ihrer spitzenverbandlichen Arbeit intensiv mit dem Thema
»Armut« beschäftigen: Stefan Baudach, Referent Sozial-
und Arbeitsmarktpolitik, und Jessica Magnus,
Referentin Soziale Sicherung.

Unter dem Motto »Was brauchst du für ein gutes
Leben?« interviewten dann die angehenden Erzieherinnen
der PivA-Klasse ihre vier- bis fünfjährigen
Gesprächspartnerinnen und -partner für das Kunstprojekt
zu deren Begabungen, Stärken, Wünschen und
Bedürfnissen. Nicht die Erfahrung von Armut sollte
mit den Kindern ihrer Kita-Gruppe thematisiert werden,
sondern ihre Ressourcen, Bedarfe und die Kraft,
sich in einer beängstigenden Lage selbst zu helfen:
»Wir waren auf dem Bauernhof. Da hab‘ ich mal eine
Spinne gesehen. Ich glaub‘, das war eine Bananenspinne.
Da hab‘ ich mir einfach ein bisschen Mut gemacht
und an irgendwas geglaubt und dann bin ich
gerutscht. Ich habe an was anderes geglaubt, an Pferde,
mit denen ich in die Welt galoppiere.«

»Armut ist mehr
als ein Mangel an Geld«

Petra Broo

Bereits in dieser ersten Phase des Projekts erlebten
die Studierenden die Wirkung des intensiven
Austauschs. Die Kinder wuchsen förmlich an der Exklusivität
des Gesprächs und an dem Interesse, das
ihren Bedürfnissen von den Pädagoginnen entgegengebracht
wurde.

Aus Zitaten der Kinder sowie dazu assoziativ ausgewählten
Zeitschriftenmotiven fertigten die Auszubildenden
eine Collage als Kompositionsskizze für
farbintensive und zum Nachdenken anregende Malereien
an. Dabei sind sehr persönliche und berührende
Werke entstanden: Glück, Vertrauen, Mut, Liebe,
aber auch ganz konkrete Inhalte wie Fußballspielen
und Krafttiere sind auf den Bildern zu sehen. Mit jedem
Werk verleihen die angehenden Erzieherinnen
den Bedürfnissen und Wünschen eines Kindes eine
öffentliche Stimme und regen damit an, im Diskurs
zur Armutsprävention die Kinderperspektive zu betonen.
Die Ausstellung konnte vom 13. bis 20. November
2021 in der Limburger Einkaufspassage WERKStadt
besucht werden.

Das hier skizzierte Unterrichtsvorhaben »Was
brauchst du für ein gutes Leben« bietet sich ebenfalls
für Schülerinnen und Schüler an den weiterführenden
Schulen an. Die Materialien können auch über die
Website ru-digital abgerufen werden.

Hintergrundinformationen

Mit dem Format »Armutswochen« setzt der Deutsche
Caritasverband seit mehreren Jahren im Zeitraum
zwischen dem Internationalen Tag zur Beseitigung der
Armut am 17. Oktober und dem Welttag der Armen der
katholischen Kirche am 14. November Impulse, um die
verbandliche und öffentliche Aufmerksamkeit auf einen
besonderen Aspekt von Armut und Ausgrenzung zu
richten. Erstmalig wurden Armutswochen im Bereich der
verbandlichen Caritas im Jahr 2017 durchgeführt. 2021
standen besonders Kinder und Jugendliche im Fokus.