Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Christian Heidrich: Hunde des Himmels. Gedichte

Der meistbesprochene Auftritt bei der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Joe Biden war der einer Poetin. Die junge Lyrikerin Amanda Gorman trug vor einer weltweiten und beeindruckten Öffentlichkeit ihr Gedicht „The hill we climb“ vor. Mit ihren Versen entwarf sie einen eigenen Blick auf die USA der Gegenwart und löste in den Feuilletons die Frage aus, welche Rolle Lyrik in unserer Gesellschaft spielen kann. Doch welche Kraft und Bedeutung mag Lyrik als eigenes Genre auch in Theologie und Kirche zukommen? Der Theologe, Publizist und Lehrer Christian Heidrich gibt mit seinen neuen Gedichten vielfältige, tief nachdenkliche wie heitere Antworten auf diese Frage.

„Hunde des Himmels“ lautet der im Echter-Verlag erschienene Band, der rund einhundert Gedichte des Poeten versammelt. Dabei transformiert Heidrich so existenzielle und metaphysische Erfahrungen wie ebenso explizit kirchliche Fragen in kunstvolle Verse, die den Leser einnehmen und bewegen. Für Heidrich, der von sich selbst sagt, er sei „am liebsten zu Fuß und mit Rucksack“ zwischen Texten und Welten unterwegs, lässt der Alltag unaufhörlich etwas von der Geheimnisdimension menschlichen Daseins erahnen, die sich für ihn im Glauben an einen den Menschen und der Welt zugewandten Gott ausdrückt. Dieser Glaube ist für Heidrich „hinter jedem Staubkorn“ zu entdecken und so sind seine Gedichte mehr als bloß virtuose, bisweilen wahrhaft überraschende Sprachspiele, sondern eine bestimmte Art, in Welt, Theologie und Kirche zu sein. „Hinter jedem Staubkorn“, so lautet beispielsweise auch eines der Gedichte, das den unaufgeregten Untertitel „Der Küster spricht“ trägt und in dem die vielfältigen Aufgaben eines Küsters beschrieben werden, die für Heidrich schließlich zu viel mehr werden, als Gottesdienste vorzubereiten: „Vor Sturm die Stille. Vor Ostern / stets Karsamstag. Die Zeit der Küster, / die prüfen, richten auf die Dochte / und manchmal auch die Seelen.“

Heidrich spielt mit solch überraschenden und unberechenbaren Wendungen der Formulierungen. In seinen Gedichten spürt dieser Autor immer wieder Momenten hoher Intensität nach, wenn er etwa in dem Gedicht „Schlafes Bruder“ eine allabendliche Bad-Routine und das Hören des Deutschlandfunks reflektiert und es schließlich heißt: „Ich greife zur Zahnbürste, / schaue kurz in den Spiegel, / etwas länger in mein Herz. / Herr, ich glaube, / hilf meinem Unglauben.“ Es sind solch dichte Verse, mit denen Heidrich Formen der Weltwahrnehmung erprobt und Profanes und Sakrales spielend verbindet. Dabei scheut sich Heidrich nicht, auch Diskurse der Theologie in Verse zu kleiden, wenn er in dem titelgebenden Gedicht „Hunde des Himmels“ der neutestamentlichen Diskussion zu dem Verhältnis von Jesus und den Kynikern virtuos und lebendig nachsinnt, oder mit dem Gedicht „Pius XII., später“ die kontroverse Rolle des Papstes während der Zeit des Nationalsozialismus kritisch beleuchtet. Auch brisante kirchliche Fragen wie die Bedeutung des Zölibats oder eine zukunftsfähige Seelsorge umformt Heidrich, der vielfach auch als Übersetzer von Gedichten aus dem Polnischen tätig ist, gekonnt in die Sprache der Poesie, verwehrt sich und dem Leser dabei endgültige Antworten, sondern lädt durch seine Verse ein, die eigenen Denkräume Wort für Wort zu erweitern.

So kann der schmale Band mit den Gedichten von Christian Heidrich, die nicht in erwartbaren Konventionen und Formen des Lyrischen aufgehen, zu einem kostbaren, tiefsinnigen und humorvollen Wegbegleiter werden und einmal mehr veranschaulichen, welche luziden Impulse von der Poesie als eigenem Zugang zu Welt, Theologie und Kirche ausgehen können.

Würzburg: Echter Verlag. 2020
112 Seiten
12,80 €
ISBN 978-3-429-05555-4

Zurück