Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Christoph Böttigheimer: Die Reich-Gottes-Botschaft Jesu

Die Botschaft Jesu vom Reich Gottes, um dessen Kommen die Christen im Vater unser beten, hat zentrale Bedeutung. Sie steht aber in der kirchlichen Verkündigung und im christlichen Glaubensleben am Rand als die „verlorene Mitte“. Der Untertitel des Buches überrascht, fordert heraus und motiviert zur Lektüre. Christoph Böttigheimers gut verständliche, eingängige Darstellung besteht aus vier übersichtlichen, klar strukturierten, plausibel miteinander verknüpften Teilen.

Abschnitt A, Botschaft Jesu (17-89) bildet das bibeltheologische Fundament: In seiner Predigt verkündigt und in seinem Handeln vergegenwärtigt Jesus, woraus er selbst lebt, die Nähe Gottes als Beziehungswirklichkeit menschlichen Miteinanders. Weil es sich dabei nicht um Herrschen, sondern um eine von Gottes Gegenwart durchdrungene Wirklichkeit handelt, benutzt Böttigheimer den Begriff „Reich Gottes“. Wichtig für die weitere Argumentation: Das Reich Gottes steht als neue Schöpfung zwar noch immer aus. Die von Jesus verkörperte heilvolle Gegenwart Gottes, an der die Menschen teilhaben, die sie annehmen und aus der sie das Leben gestalten können, ist aber durch Gottes Initiative bereits gegenwartswirksam. Auf diesem Hintergrund werden in den folgenden als „Fragezeichen“ charakterisierten Kapiteln drei Aspekte thematisiert: B. Nähe der Basileia (91-135), C. Parusie Christi (137-201) und D. Kreuzestheologie (203-240). Offene Fragen zum Weiterdenken stehen am Ende jedes dieser Kapitel. Am Schluss seines Buches (241-244) gibt der Autor einen zusammenfassenden Überblick.

Die Nähe der Basileia vollzieht sich als Wirksamkeit Gottes im noch bestehenden alten Äon. Mitten in der weiter fließenden Zeit ereignet sich der Kairos, die Wende als Heilsgabe, die Wirklichkeit neu qualifiziert. Als Fülle der Zeit ist das Reich Gottes nicht temporal, sondern qualitativ aufzufassen: Es bezeichnet das Sinnziel, das dem Einzelnen schon in seinem Leben anfanghaft zuteilwird. Dabei ist eine Unterscheidung wesentlich: Mit Jesu Auftreten und Anspruch beginnt die messianische Zeit. Sein Tun ist aber nicht die Verwirklichung, sondern die Voraussetzung des Reiches Gottes. Gott bereitet damit das Kommen der Basileia vor. Dieses ist ein futurisches Ereignis. Denn trotz des Auftretens Jesu bestehen Unrecht und Not fort, gehören zur Schöpfung destruktive, leidvolle Vorgänge. Die mit dem Reich Gottes gegebene Hoffnung hat aber neben der individuellen eine kosmische Dimension. Sie bezieht sich auf die gesamte Wirklichkeit. Durch diese ganzheitliche Sicht deutet Böttigheimer interessante Möglichkeiten zum Gespräch mit kosmologischen Verstehensmodellen in den Naturwissenschaften an.

Die Heilung und Vollendung der Schöpfung erwarten die treffend als adventliche Menschen bezeichneten Christen mit der Parusie Christi. Die Hoffnung auf seine Wiederkunft motiviert dazu, für andere einzutreten. Eine solche Proexistenz kennzeichnet das ganze Leben und die Botschaft Jesu. Sein Tod am Kreuz ist die Folge seines gesamten Auftretens. Im Schlusskapitel zeigt Böttigheimer, dass mit Bezug auf die Reich-Gottes-Botschaft Jesu eine einengend auf das Kreuz verbundene problematische Erlösungsvorstellung überwunden werden kann.

Christoph Böttigheimer schreibt kenntnisreich und unprätentiös über die christliche Hoffnung. Das ganze Buch oder Teile daraus bieten vielfältige Anregungen für das Gespräch und für die Weitergabe des Glaubens.

Verlorene Mitte des christlichen Glaubens
Freiburg Herder Verlag. 2020
272 Seiten
28,00 €
ISBN 978-3-451-38754-8

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