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Johannes Heger / Thomas Jürgasch / Ahmad Milad Karimi (Hg.): Religion? Ay caramba!
Theologisches und Religiöses aus der Welt der Simpsons
Unter Mitarbeit von Fabian Freiseis und Florian Ruf
Gewichtig und schwer zu beantworten ist die Frage geworden, wie sich Theologie und Popkultur zueinander verhalten können. Dabei reicht das Verhältnis bisweilen von ignoranter Ablehnung bis zur billigen Anbiederung. Mit „Religion? Ay Caramba! Theologisches und Religiöses aus der Welt der Simpsons“ haben junge Theologinnen und Theologen einen fulminanten Band vorgelegt, der zeigt, wie die Beziehung von Theologie und Popkultur kritisch rezipiert werden kann und welch ergiebiges Potential durch eine solche Beschäftigung zu heben ist.
Seit über 25 Jahren hält die amerikanische Zeichentrickserie „Die Simpsons“ der westlichen Welt den humorvollen Spiegel der Zuspitzung, Übertreibung und Verzerrung entgegen. Im Mittelpunkt der von Matt Groening geschaffenen und vielfach ausgezeichneten Serie steht die Familie Simpson aus Springfield mit ihrem Vater Homer, Mutter Marge, den Töchtern Lisa und Maggie und Sohn Bart. Mit der wohl berühmtesten Fernsehfamilie der Welt werden aktuelle politische, gesellschaftliche, soziale oder kulturelle Themen verhandelt. Vor diesem Hintergrund sind „Die Simpsons“ nicht bloß eine kurzweilige Erheiterung, sondern ebenso Anlass zur kritischen Reflexion der Wirklichkeit. Dabei erscheint es als mindestens bemerkenswert, dass das Thema Religion zu den am meisten dargestellten Themen der Serie zählt. In der gelben Welt wird Religion in ihren komplexen Formen, die von zunehmender Individualisierung bei gleichzeitiger Pluralität und möglicher Institutionalisierung reichen, abgebildet; damit ist mit den „Simpsons“ unter einem popkulturellen Brennglas zu beobachten, wie sich Glaube und Religion in der Postmoderne darstellen und verändern.
Nicht zuletzt dieser Umstand mag für die Freiburger Theologen Johannes Heger und Thomas Jürgasch und den Münsteraner Islamwissenschaftler Ahmad Milad Karimi Anlass gewesen sein, den theologischen und religiösen Sujets aus der Welt der Simpsons näher und wissenschaftlich-systematisch auf die Spur zu kommen. Aus diesem Unterfangen ist ein umfangreicher Sammelband hervorgegangen, der sich neben einer Einführung und einem Schlusswort in vier Teile gliedert und insgesamt 17 Aufsätze versammelt. Während das erste Kapitel ethische Fragestellungen aus theologischer Perspektive in den „Simpsons“ verhandelt, befasst sich das zweite Kapitel mit den Erscheinungsformen und Ausprägungen des Christentums in der Welt von Homer, Bart und Co. Das dritte Kapitel ist dem Plural der Religionen in Springfield gewidmet, wobei die Auseinandersetzung mit den Thematisierungen des Islams einen Schwerpunkt darstellt. Das vierte Kapitel weitet die Perspektiven hin zu Reflexionen über die Behandlung der großen Fragen nach Welt, Schöpfung und den letzten Dingen in der gelben Kultserie.
Eine der vielen Stärken des optisch geschmackvoll gestalteten und sehr sorgfältig redigierten Bandes ist es, nicht in abstrakten, großräumigen Analysen stecken zu bleiben, sondern eine Vielzahl von verblüffenden und detailliert ausgearbeiteten Einzelanalysen zu liefern. Die Aufsätze fragen etwa danach, ob Marge Simpson als ein Vorbild christlicher Caritas verstanden werden kann, ob ihr Sohn Bart Lehrer der Theologie in Fragen der Ökumene sein könnte oder wie das Weihnachtsfest in der amerikanischen Serie gefeiert wird. Ebenso werden die Fragen gestellt, welche Rollen dem Islam und seinen Traditionen in einer postmodernen Welt zukommen, wie die jüdische Lebenswelt in Springfield abgebildet wird oder welche Perspektiven sich durch die Simpsons auf das Verhältnis von Evolutions- und Schöpfungstheorie ergeben – um nur wenige der behandelten Themen des Sammelbandes zu nennen.
Es darf als entscheidendes Qualitätskriterium gelten, dass die in der Einleitung formulierten Vorhaben – „Die Simpsons“ nicht als „Frischzellenkur des christlichen Glaubens“ oder gar zur Missionierung zu missbrauchen, sondern mit der US-Serie Religion und Glaube in der Postmoderne ehrlich in den Blick zu nehmen – in den einzelnen Beiträgen und in der Gesamtanlage des Bandes mit überraschend neuen Befunden eingelöst werden. Dass eine Aufsatzsammlung über Theologisches und Religiöses aus der Welt der Simpsons mit Verweisen auf einen kultursemiotischen Ansatz schließt, mag auf den ersten Blick verwundern. Recht besehen leuchtet die Entscheidung jedoch ein, weil durch eine solche Lesart Popkultur – und damit „Die Simpsons“ – kritisch und als voraussetzungsvoll rezipiert wird und zugleich die klaren Grenzen eines solchen Unterfangens aufgezeigt werden.
„Religion? Ay Caramba!“ ist ein lesenswertes Ereignis, nicht nur für erklärte Simpsons-Fans und Kenner, sondern ebenso für Verantwortliche in religiösen Lern- und Bildungsprozessen, die der bunten und schrillen Popkultur die Möglichkeit zutrauen, ein theologischer Ort mit großem Gewinn zu sein.
Freiburg: Herder Verlag. 2017
380 Seiten
19,99 €
ISBN 978-3-451-37694-8