Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Leben und Glauben gemeinsam gestalten

„‚Inklusive Kirche‘ ist keine bloße Idee, sondern längst im Werden und vielerorts schon bereichernde Wirklichkeit.“ – schreibt Bischof Dr. Franz-Josef Bode, Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz, im Vorwort zu dieser Arbeitshilfe (6). Sie ergänzt das Bischofswort „unBehindert Leben und Glauben teilen“ (2003) mit Handlungsoptionen und Praxisbeispielen für die seelsorgliche Arbeit mit dem Ziel, „Lebensräume zu eröffnen, in denen behinderte und nicht-behinderte Menschen mit ihren jeweils eigenen Charismen ‚unBehindert‘ Leben und Glauben gestalten können“ (ebd.).

Das Besondere der Arbeitshilfe ist, dass an ihr behinderte und nicht-behinderte Autorinnen und Autoren mitgewirkt haben. Zudem wird – auch ein Novum – jedem Abschnitt „Das Wichtigste in Leichter Sprache“ vorangestellt: Eine „inklusive Kirche“ ist „eine Kirche für alle“, in der Menschen aufeinander hören und ehrlich miteinander umgehen, was nicht immer leicht ist: Auf vieles gibt es keine Antwort, etwa auf die Frage nach dem Leid (14-16). Dies kann aber Gott anvertraut werden: „Hilf mir und lass mich nicht allein“, heißt es im Thema „Beten“ (46). Behinderte Menschen „haben einen guten Kontakt zu Gott“; sie sind daher „wichtig für die Kirche“ und sogar Vorbild (48). Behinderte Menschen möchten sich in der Leitung von Gottesdiensten beteiligen: „Bischöfe sollen behinderten Menschen Mut machen“, dies auch zu tun (56). Auch soll niemand vom Sakramentenempfang ausgeschlossen (65) oder davon abgehalten werden, in der Kirche Verantwortung zu übernehmen (71): „Du bist immer wichtig für uns. Egal, ob du eine Behinderung hast oder nicht.“ (78) Eine inklusive Kirche ermutigt, sich im Ehrenamt zu engagieren, schafft behindertengerechte Arbeitsplätze (99f.) oder bestärkt alle, sich in Kunst und Kultur zu entfalten (106-108). Seelsorgerinnen und Seelsorger stehen auf gegen das Behindert-Werden, für „Hilfen für die Gesundheit“ und in Krankheit (113f.). Weiter werden Lebenssituationen aufgegriffen, in denen die Pastoral in besonderer Weise gefordert ist: vom (nicht) Geborenwerden(-Dürfen) (30-36) über Fragen der Beziehung und Sexualität (83-89) bis zum „Älter werden“ (127-134) und „Sterben und Trauern“ (135-142).

In „schwerer Sprache“ wird der Bezug zum Bischofswort 2003 wie auch zur UN-Behindertenrechtskonvention 2006/2009 erläutert, die „auch für die kirchliche Pastoral wichtige Zielmarken“ setzt (19). Vor allem aber ist diese an der Botschaft Jesu zu messen (ebd.). Ihr folgend steht der Mensch als „Weg der Kirche“ im Zentrum (20-22), respektvoll, aber „nicht in Distanz zum Anderen“ (22). Erforderlich ist die „Pastoral einer befähigten und befähigenden Kirche“. Dies meint eine „arme Kirche für die Armen“ (Evangelii gaudium), eine „barmherzige“, eine „durchgängig diakonische“, eine „hörende und lernende“, eine „partizipative“, eine „prophetische“ und „sogar eine schweigende Kirche“ (26-29). Die Arbeitshilfe beansprucht, selbst „Teil einer pastoralen Neuorientierung“ zu sein, und weiß, dass sie „selbst den Grundanforderungen einer befähigenden Pastoral“ unterliegt (28). Sie möchte „vielerlei Perspektiven“ aufnehmen und die „vielfältigen Situationen“ des Lebens als „Orte, an denen pastorales Handeln anknüpft“, erkunden (29).

Beeindruckend sind die den Fachbeiträgen vorangestellten Erfahrungsberichte, in denen Betroffene von ihrem Leben erzählen, etwa von misslungener Kommunikation oder von zwar gut gemeinter, aber den Willen der behinderten Person missachtenden Hilfestellung. Sie rücken so manche Vorstellung von Behindert-Sein zurecht und belegen, dass Nicht-Behinderte in der Gefahr sind, Behinderung nur aus ihrer Perspektive zu betrachten (z.B. 109, Blindsein, 115, psychische Erkrankung).

Diese Gefährdung zeigt sich – bei allem guten Willen der Autorinnen und Autoren – auch in der Arbeitshilfe und weckt Fragen nach dem Bild von Behinderung, das sie befördert. So kann es beispielsweise absolut missverstanden werden, dass behinderte Menschen die „Armen“ in der Kirche sind: Ist „Leichte Sprache“ nur für einen Teil behinderter Menschen hilfreich? Es stellt sich die Frage, ob behinderte Menschen tatsächlich nur leiden und Bittgebete sprechen (46f.) können. In Teilen fehlt die Genderperspektive, die gerade für eine inklusive Kirche unverzichtbar ist. Daher: Steht letztlich nicht doch eine Pastoral für behinderte Menschen im Vordergrund, die den Aspekt einer wirklich partizipativen Pastoral mit und von behinderten Menschen in den Hintergrund treten lässt?

Kirchliche Pastoral im Zusammenwirken von Menschen mit und ohne Behinderungen
Arbeitshilfe Nr. 308
Bonn: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. 2019
142 Seiten m. farb. Abb.
1,70 €

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