Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Wilhelm Schwendemann / York Breidt / Melanie Saunus: Menschenwürde und Migration

 

Wir leben in einer Migrationsgesellschaft. Das wird von den meisten Menschen mittlerweile als Realität anerkannt und überwiegend positiv gesehen. Gerade in den öffentlichen Schulen ist dieser Aspekt gesellschaftlicher Realität alltäglich wahrnehmbar. Der Diskurs über die Deutung von und den Umgang mit Migration hat in den zurückliegenden fünf Jahren erheblich an Fahrt aufgenommen. Viele Fragen werden seither offen diskutiert: Wie gelingt Integration? Wie können Menschen mit unterschiedlichen Prägungen und Traditionen friedlich miteinander auskommen? Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Mehrheiten und Minderheiten? Und nicht zuletzt: Welche Rolle spielt das schulische Bildungssystem dabei?

Selbstverständlich greift auch der Religionsunterricht diese Fragen auf. Dabei entsteht die Notwendigkeit, seinen spezifischen Beitrag im Unterschied etwa zum Politik- oder Gemeinschaftskunde-Unterricht zu bestimmen. Hierbei wählt die vorliegende Arbeitshilfe einen interessanten und innovativen Weg: Sie verortet das Thema nicht etwa im Kontext der Begegnung unterschiedlicher Religionen oder im Kontext biblischer Flucht- und Migrationserzählungen. Die Arbeitshilfe wählt vielmehr konsequent einen ethischen Zugang und verortet Migration (nach hessischer Begrifflichkeit) im Inhaltsfeld Mensch und Welt.

Die vier vorgestellten Unterrichtseinheiten drehen sich um den Begriff der Menschenwürde. Dieser wird eingebettet in den Zusammenhang der Migrationsgesellschaft und als Schlüsselbegriff entfaltet. Die Unterrichtseinheiten sind jeweils als Doppelstunden konzipiert. Sie können aber auch mit einer anderen zeitlichen Planung umgesetzt werden, was angesichts der inhaltlichen Komplexität vermutlich zu empfehlen ist.

Unter der Überschrift „Wahrnehmen und Assoziieren“ führt die erste Unterrichtseinheit mithilfe des Artikel 1 des Grundgesetzes und mit gut gewählten Bildern zu menschenverachtenden Situationen an das Thema heran. In der zweiten Unterrichtseinheit „Analysieren und Erkennen“ wird der Begriff der Menschenwürde anhand umfangreicher Sachtexte aus unterschiedlichen Fachgebieten (Theologie, antike und gegenwärtige Philosophie, Recht, Geschichte, Politikwissenschaft) erarbeitet. Je nach Leistungsfähigkeit der Lerngruppe ist die Lehrkraft hier gefordert, noch einmal eine Auswahl zu treffen.

Die dritte Unterrichtseinheit „Argumentieren und Streiten“ bietet Material zu aktuellen Fallbeispielen, die in der Form einer Komitee-Sitzung beraten werden sollen. Die Schülerinnen und Schüler begeben sich dabei in die Rollen von Fachleuten aus unterschiedlichen Disziplinen und diskutieren die vorgegebenen Fälle im Hinblick auf die Achtung der Menschenwürde. Die durchgehend realen Fälle sind interessant und anregend ausgewählt. Das zur Verfügung gestellte Material bietet viele Informationen sowohl für die Schülerinnen und Schüler als auch für die Lehrkraft.

In der vierten Unterrichtseinheit „Handeln und Urteilen“ steht die Frage im Mittelpunkt, warum Menschen aufeinander angewiesen sind und wie sie gut miteinander auskommen können. Im Anschluss daran werden mehrere Übungen vorgestellt, die einen spielerischen Zugang zu eigenen Erfahrungen ermöglichen.

Den Unterrichtseinheiten vorangestellt ist eine Einführung in das Thema Menschenwürde und Migration. Dazu gehören Überlegungen zur religionspädagogischen Relevanz und zur Verortung im Bildungsplan ebenso wie ausführliche Informationen, statistische Daten und Begriffsklärungen zur deutschen Migrationsgesellschaft. So bietet diese Arbeitshilfe eine umfassende Material- und Ideensammlung an für eine inhaltlich anspruchsvolle Auseinandersetzung im Religionsunterricht.

Vier Unterrichtseinheiten für die Klassen 9 bis 13 und berufliche Schulen

calwer materialien
Stuttgart: Calwer Verlag. 2019
111 Seiten und farb. Abb.
17,95 €
ISBN 978-3-7668-4494-1

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