Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Yassir Eric: Wir müssen reden, bevor es zu spät ist

So wie die Lektüre von Reiseführern über Deutschland, die von Autoren aus dem Ausland verfasst wurden, für den deutschen Leser immer wieder die eine oder andere – durchaus erhellende – Überraschung enthält, kann es intellektuell sehr anregend sein, die Perspektive der nach Deutschland Eingewanderten und hier heimisch Gewordenen in ihrem schriftstellerischen Wirken zu rezipieren. Dies kann, insbesondere bei dem Thema Migration, Asyl und Integration, einerseits dazu führen, die Wünsche und Bedürfnisse der „schon länger hier Lebenden“ als auch der „neu Hinzukommenden“ wahrzunehmen, andererseits aber auch dazu, Positionen, die dem gesunden Menschenverstand entspringen, jedoch nicht dem akademischen und journalistischen Mainstream entsprechen, zu ihrem Recht zu verhelfen.

Allein durch den...

Abdel-Hakim Ourghi: Die Juden im Koran

Antisemitismus ist weltweit und in der deutschen Gesellschaft ein Problem, das in den letzten Jahren sich noch verstärkt hat. Gerade im Zuge der Coronapandemie sind wieder Verschwörungstheorien en vogue geworden, die ganz klar antisemitisch konnotiert sind. Aber auch der Antisemitismus von Menschen mit Migrationsbezug aus muslimischen Sozialisationskontexten ist in den letzten Jahren in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Der Freiburger islamische Theologe Abdel-Hakim Ourghi hat sich nun mit seinem Buch „Der Koran und die Juden – Ein Zerrbild mit fatalen Folgen“ der Aufgabe gestellt, die theologischen Wurzeln und Grundlagen des muslimisch geprägten Antisemitismus herauszuarbeiten.

Der Ausgangspunkt seines Buches ist die eigene Biografie. In der Einführung erzählt Ourghi von...

Robert N. Bellah: Der Ursprung der Religion

Das Buch beginnt mit Hans Joas’ vorzüglicher Einleitung in die Biografie und das Denken im Themenkreis einer „Globalgeschichte der Religion“ (XIX) des bekannten Religionssoziologen Robert Bellah. Dann kommt der Autor selbst zu Wort. Bellah bezieht sich in seiner differenzierten Erarbeitung des begrifflichen Instrumentariums seiner Darstellung der Religiosität der „Achsenzeit“ (1. Jahrtausend vor Christus) immer wieder auf andere Autoren, deren Bedeutung für sein Denken er würdigt. Wenn ich im Folgenden seine grundlegenden Denkfiguren skizziere, dann verzichte ich der Übersichtlichkeit willen außer bei Zitaten auf Namensnennungen.

Bellah geht im ersten Schritt von der Voraussetzung aus, dass am Beginn der Religion die Erzeugung von dauerhaft wirkenden „Stimmungslagen und Motivationen“ (9)...

Frank van der Velden: Narrative religiöser Diversität aus dem Nahen Osten und Nordafrika

Der Begriff „Narrativ“ hat Konjunktur. Die Suche über Google findet ihn in über 600 aktuellen Nachrichten. Zu den Narrativen gehören die Selbsterzählungen, durch die ein Kollektiv ein Bild von sich selbst entwirft. Frank van der Velden übernimmt von dem amerikanischen Historiker Hayden White (1928-2018) den Begriff des „Chronotope“, den der russische Literaturwissenschaftler Michail Bachtin (1895-1975) in die Erzähltheorie eingeführt hat, um zum Ausdruck zu bringen, dass in einer Erzählung Ort und Zeit nicht unabhängige, objektive Kategorien sind, sondern die Zeit durch den Raum gegliedert und der Raum durch die Zeit mit Sinn erfüllt wird. Wie durch Rückprojektion die Selbsteinordnung eines Kollektivs in Form einer Vorgeschichte zum Ausdruck kommt, kann anhand des „Chronotope“ der...

Elisa Klapheck: Zur politischen Theologie des Judentums

Elisa Klapheck lehrt an der Universität Paderborn; sie gibt die Buchreihe „Machloket“ heraus, in der Streitschriften zu gesellschaftspolitischen Fragen erscheinen, und sie ist Rabbinerin in Frankfurt und gehört dort dem „egalitären Minjan“ an. „Minjan“ ist die Zehnzahl, die im Judentum erforderlich ist, um eine Gemeinde zu bilden, „egalitär“ bezieht sich darauf, dass in liberalen Gemeinden nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen gezählt werden. Weiter möchte ich auf Klaphecks Position in innerjüdischen Debatten nicht eingehen und auch nicht die sieben Aufsätze der Reihe nach wiedergeben, sondern mich auf Kerngedanken konzentrieren, die im Buch wiederholt auftauchen und die mir besonders aufschlussreich erscheinen.

Rehabilitation Kains: „Da wandte sich der Ewige zu Abel und seinem...

Perry Schmidt-Leukel: Das himmlische Geflecht. Buddhismus und Christentum – ein anderer Vergleich

Perry Schmidt-Leukel ist Professor für Religionswissenschaft und interkulturelle Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er ist Autor zahlreicher Werke zur Theologie der Religionen und Experte für Buddhismus und Christentum. Im Jahr 2015 hielt er an der Universität Glasgow (Schottland) als erster Deutscher seit fünfundzwanzig Jahren die international renommierten Gifford Lectures und zählt zu den bedeutendsten Religionswissenschaftlern und Theologen der Gegenwart.

Das von Perry Schmidt-Leukel vorgelegte Werk „Das himmlische Geflecht.

Buddhismus und Christentum – ein anderer Vergleich" ist eine anspruchsvolle religionstheologische Anwendung des von ihm entwickelten neuartigen Ansatzes der „fraktalen Interpretation“ religiöser Vielfalt, die von ihm als Antwort auf die...

Klaus von Stosch: Einführung in die Komparative Theologie

Die Komparative Theologie ist eine im englischen Sprachraum von Theologen wie David B. Burell und dem Jesuiten Francis X. Clooney entwickelte Methode des theologischen Religionsvergleichs. Besonders Ulrich Winkler und Klaus von Stosch haben diese Methode im deutschen Sprachraum in den letzten 10 bis 15 Jahren bekannt gemacht, auch wenn es die Sache bereits avant la lettre gab. Die Komparative Theologie bedient sich dabei auch der vergleichenden Religionswissenschaft, versteht sich aber dezidiert als bekenntnisgebundene theologische Disziplin. Sie ist eine Form der Theologie der Religionen, will aber bewusst religionstheologische Metadebatten und Makromodelle wie Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralismus hinter sich lassen, weil diese der Komplexität und inneren Vielfalt der Religionen...

Merdan Güneç / Andreas Kubik / Georg Steins (Hg.): Macht im interreligiösen Dialog

Die Frage der Macht in religiösen Kontexten ist gegenwärtig hochaktuell. Der reale Machtverlust der beiden Großkirchen in vielen europäischen Gesellschaften auf Grund diverser Faktoren auf der einen Seite und die machtvolle Zunahme von Extremismen, auch religiöser, in einigen Teilen der Welt auf der anderen Seite beschreiben sehr verkürzt das Feld. Dazu kommt die Forderung vieler katholischer Gläubiger, mehr Einfluss und Macht in ihrer Kirche zu bekommen (Stichwort: Synodaler Weg) im Sinne einer gleichberechtigten Partizipation, so dass eine Egalität zwischen Klerikern und sogenannten Laien hergestellt wird.

Es war nur eine Frage der Zeit, dass die Machtfrage im Bereich des interreligiösen Dialogs auch gestellt wird, zumal sie schon seit längerer Zeit virulent immer mitlief, wenn ein...