Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Dionysius Areopagita: Über alles Licht erhaben

Dass die Athener Mission des Apostels Paulus nicht folgenlos blieb, davon berichtet die Apostelgeschichte (Apg 17, 34) „Einige Männer aber schlossen sich an und wurden gläubig, unter ihnen auch Dionysius, der Areopagit“. Es war dieser neutestamentliche Konvertit, dem in der mittelalterlichen Theologie und Philosophie als Autor von vier prägnanten Texten größte Autorität zugesprochen wurde: Dionysius Areopagita.

Seine auf Griechisch verfassten Schriften wurden zunächst von der östlichen Christenheit rezipiert und verbreiteten sich als Übersetzungen ins Syrische, Altgeorgische und Kirchenslavische; sie gelangten um die Mitte des 9. Jahrhunderts durch die erste vollständige lateinische Übertragung des Corpus Dionysiacum (Hilduin, Johannes Scotus Eriugena) auch in den Westen und avancierten...

Jan Assmann: Das Oratorium Israel in Egypt von Georg Friedrich Händel

Während der evangelische Theologe Notger Slenczka im vergangenen Jahr den Vorschlag geäußert hat, das Alte Testament aus dem biblischen Kanon zu entfernen, zeigt der Ägyptologe Jan Assmann in immer neuen Anläufen, welch breite Wirkungsgeschichte der alttestamentliche Exodusmythos nicht nur religions-, sondern auch kultur- und individualgeschichtlich entfaltet hat. In seinem großen Werk „Exodus“ (vgl. Eulenfisch 15, 119–123) hat er dies u.a. an Arnold Schönberg, Sigmund Freud und Thomas Mann verdeutlicht, für die jeweils der Blick auf Israel in Ägypten ein identitätsbildendes Schema bereitstellte, um ihre Situation im politischen Exil zu verarbeiten. Dieser gedächtnisgeschichtliche Zugang zum Exodusmythos ist als solcher weniger von dem Wunsch geleitet, historisch zu klären, was es mit dem...

Stefan Knobloch: Lebenszeichen

Es gibt einen Strudel, in den muss man geraten, um etwas zu schaffen: das Nachtmärchen zum Eindämmern, der tolle Run bei der Mathearbeit, das Musiküben ohne Päuschen. Es trägt einen dann. Und der Strudel garantiert, dass ich an der Sache bleibe, nicht abgelenkt werde. Ich werde immer präziser in dem, was ich will. Wer einen solchen Elan erlebt, entdeckt eine Struktur, einen Code und lernt hoffentlich eine Aufmerksamkeit.

Wir befinden uns hier am Arbeitsplatz von Lehrern. Was hier passiert, ist kein Einzelereignis, kein Super-Event, sondern tagtägliche Übung der Lebendigkeit, geradezu ein Ritual. Entdeckt wird, was jetzt dran ist und was das Ding (der Schlaf, die Logik, die Musik) mir wirklich zeigen kann und will. Und jeder Lehrer weiß: Solche Aufmerksamkeit fällt nicht von Himmel, das...

Julia Knop / Magnus Lerch / Bernd J. Claret (Hg.): Die Wahrheit ist Person

Leser sind Austernfischer. Sie durchwühlen schwarzen Wörter-Schlick nach harten Bedeutungen, brechen manches auf und finden nur selten Sinn. Und freuen sich, selbst wenn die Perle nur aus einem kleinen Artikel, nicht einmal einem Originalartikel besteht. Das ist der Fall von „Gestorben für unsere Sünden – Stellvertretung ohne Sühnetod?“ von Hansjürgen Verweyen, eine Serie von klaren Fragen und überzeugenden Antworten der historischen, spirituellen und dogmatischen Art. Es geht um die Frage, ob Jesu freiwillig ertragene Hinrichtung geschuldete Ersatzleistung für das Versagen der Menschen war. Das Antworten geschieht differenziert: Zuerst wird an Texten gezeigt, dass dieses Ersatz-Modell tatsächlich vorhandene Probleme löste, dann wird gezeigt, welche weitertragende Geschichte der...

Eugen Drewermann: Jan Hus im Feuer Gottes

Das Buch beinhaltet ein ausführliches und facettenreiches Gespräch Jürgens Hoerens mit dem Kirchenkritiker Eugen Drewermann. Es ist besonders hilfreich, dass der Gesprächsband anlässlich des Gedenkjahres zum 600. Todestag von Jan Hus erschienen ist. Übersichten im Anhang des Buches zur Biografie von Jan Hus und zur zeitgeschichtlichen Situation im Kontext des Konstanzer Konzils bieten eine anschauliche Orientierung für alle, die mehr wissen und darüber diskutieren möchten.

Wie bei ähnlichen Gesprächsbänden Drewermanns auch liest der Dialog sich leicht. Komplexe historische und theologische Sachverhalte sind verständlich dargeboten und existentiell vertieft. Dadurch regt die Darstellung zur persönlichen historischen und theologischen Beschäftigung mit den aufgeworfenen Fragen an.

An...

Eberhard Schockenhoff: Entschiedenheit und Widerstand

Seit 9/11 ruft der antike Begriff des Martyriums einen neuen Klang hervor, der nicht nur der Politik, sondern auch der Religion eine Unterscheidung der Geister abverlangt. Die Öffentlichkeit will wissen, wie es die Religion mit der Gewalt im Namen der Wahrheit hält. Sie verdächtigt sie, um eines höheren Gutes willen Recht außer Kraft zu setzen und Zwang auszuüben, bis zur blutigen Selbstaufopferung. Der Begriff des Martyriums, der seine historische Semantik im religiösen Feld des Christentums entfaltet hat, erhält eine neue Zuschreibung. Diese Zuschreibung gewinnt ihre Plausibilität wiederum im religiösen Feld: aus Traditionselementen des Islam, die zur Legitimation von Gewalt herangezogen werden.

Das Buch des renommierten Freiburger Moraltheologen Eberhard Schockenhoff versteht sich als...

Hubertus Lutterbach: Vom Jakobsweg zum Tierfriedhof

Wie Religion heute lebendig ist

Allenthalben begegnen wir heute gelebter Religiosität unter christlichem Vorzeichen. Nach der Lektüre von Hubertus Lutterbachs Untersuchung zu gegenwärtigen Phänomenen populärer Religion scheint die Säkularisierungsthese, wonach Religion immer weiter verdrängt werde, eine breite Schlagseite zu bekommen. Weil sich unsere Gesellschaft durch Individualität, Streben nach Ganzheitlichkeit und einer Skepsis gegenüber etablierten Institutionen auszeichnet, lassen sich diese drei charakteristischen Elemente an gelebter Religiosität ablesen. Dort, wo Religion diese drei Elemente berücksichtigt, ist sie lebendig. Religion ist heute deshalb anders präsent als noch vor 50 Jahren. Aber wie? 

Immer weniger in traditioneller Form, bei der den religiösen Leitlinien, die...

Thomas Brose: Kein Himmel über Berlin?

Glaube in der Metropole
Mit einem Geleitwort von Weihbischof Matthias Heinrich und einem Nachwort von Felicitas Hoppe

„Es war zu keiner Zeit einfach, von Gott zu sprechen, aber in Berlin scheint es besonders schwer zu sein“. Warum das Sprechen von Gott und das Leben mit Gott sich in Berlin als besonders schwer gestaltet, wird von Thomas Brose aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und mit historischen wie sozio-kulturellen Beispielen angegangen. Er unternimmt somit den interessanten Versuch, eine geistige, politische, theologisch-kirchliche Topographie von Berlin für das Christsein in ganz Deutschland zu zeichnen. Seine Zeichnung ist voller Fragen, die den Leser während und nach der Lektüre bewegen und begleiten: Kann Glaube nur in idyllischer Atmosphäre gedeihen oder kann die Weite...