Wir wissen weder den Tag noch die Stunde“ (Mt 25,13). Die Armbanduhr des österreichischen
Künstlers Leo Zogmayer auf unserer Titelseite kennt weder Tag noch Stunde. Wer auf
sie blickt, sieht ein ziffernloses Uhrenblatt, der Stundenzeiger sucht seine Zeit. Stunden und
Minuten sucht man vergeblich. In der Mitte der Uhr steht das Tetragramm, der hebräische
Gottesname, JHWH, der „Ich-bin-da“. Zogmayers Uhr geht es nicht um die Ansage von Stunden
und Minuten, um die kleinliche Vermessung der Zeit, die ohnehin stets vergeht. Er lenkt
mit ihr vielmehr unseren Blick auf den Grund der Zeit, auf Gott, der der Herr der Zeiten ist –
von Ewigkeit zu Ewigkeit, das Alpha und das Omega, Ursprung und Ziel aller Zeit.
„Evangelii Gaudium“, das jüngste Apostolische Schreiben von Papst Franziskus, enthält
überraschenderweise eine kleine Meditation über das Thema unserer Eulenfischausgabe.
Demnach steht für Franziskus „Zeit“ in Beziehung zur Fülle, die wir ganz besitzen wollen, und
ist Ausdruck für den Horizont, der sich vor uns auftut. Zeit als Utopie, als ein anderer Raum,
der uns für die Zukunft, auf Gott hin, öffnet. Der Papst deutet in seinem Schreiben, das zur
Freude an der Verkündigung aufruft, aber nicht nur die Zeichen der Zeit. Er gibt vor allem bewusst
Anstöße zu Veränderungen der Kirche und ruft zu einem Zeitenwechsel in der Evangelisierung
auf. Und das in einem so noch nie von einem Papst vernommenen existentialistischen
Ton, der dynamisch nach vorne drängt.
Zwischen den Jahren und in bewegten Zeiten nimmt sich der Eulenfisch also Zeit für die
Zeit.
Zeit nehmen sollten Sie sich auf alle Fälle für die Bilder von Karl Willems. Seine Bilder
entstammen einer Welt von gestern. Zeitgenössische Still-Leben eines Malers, der in seinem
Haus wie in einer Zeitkapsel lebt und arbeitet. So werden bei ihm sein Beil und seine verkrumpelte
Arbeitsmütze zu Bildern, die von einem einfachen Leben erzählen und dabei zu
Speichern seiner Erinnerungen werden. Karl Willems‘ ganz persönlichen Kampf mit der Zeit
widmen wir eine beeindruckende Fotostrecke.
Da man Dinge häufig deutlicher aus einem gewissen räumlichen Abstand begreift, hat der
Eulenfisch den in Paris lehrenden Religionssoziologen Michael Hochschild gebeten, das gegenwärtige
nicht ganz unkomplizierte Verhältnis von Religion und Welt bei uns in Deutschland
in einer losen Abfolge von Beiträgen aus französischer Warte einmal in den Blick zu
nehmen. Seine zeitsensiblen „Pariser Augenblicke“ sehen Religion in der postsäkularen Gesellschaft
ohne eingebautes Verfallsdatum: „Was immer wir verlieren, wir gewinnen an Freiheit!
Keiner muss so weitermachen wie bisher – wenn die Altlasten über Bord sind.“ Wir
dürfen also auf seine Pariser Zeitansage gespannt sein. Post aus Paris bitte!