Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Almut-Barbara Renger: Buddhismus

Almut-Barbara Renger ist als Professorin für Antike Religion und Kultur an der Freien Universität Berlin tätig. Sie hat 2016 den Band „Erleuchtung. Kultur- und Religionsgeschichte eines Begriffs“ (Herder Verlag) herausgegeben. Nun hat sie ein kleines, aber feines Bändchen in der Reihe „Reclam 100 Seiten“ über den Buddhismus veröffentlicht.

Die Autorin will einen Beitrag dazu leisten, den Pluralismus und die Lebendigkeit der buddhistischen Traditionen sowie die westliche Konstruktion „des“ Buddhismus aufzuzeigen. Sie legt ihr Anliegen offen und erklärt ihr Ziel: „Mit dem Folgenden möchte ich dazu anregen, einseitige westliche Ansichten über ‚den‘ Buddhismus als ‚Religion, die eigentlich keine Religion‘ ist, zu hinterfragen.“ Die Autorin bietet so eine durch ihre persönlichen Interessen und Erlebnisse bedingte Auswahl der „Momentaufnahmen und Stationen des Innehaltens im dynamischen Wandel steter Veränderung dessen, was heute unter dem Sammelbegriff ‚Buddhismus‘ zusammengefasst wird“ (Prolog, 5).

Eingangs führt die Autorin auf knapp 13 Seiten die Geschichte der buddhistischen Traditionen vom Erwachen des Buddha im nordostindischen Uruvela bis zu ihrer Verbreitung in China und Japan und schließlich bis zum modernen Buddhismus im Westen skizzenhaft vor Augen. Das kleine Format erlaubt es der Autorin, lediglich auf einige ausgewählte Stationen der westlichen Rezeption und der modernen Konstruktion der buddhistischen Traditionen hinzuweisen wie die Pali Text Society und das Wirken von Rhys Davids, die Entmythologisierung des Buddhismus in der Moderne durch Eugéne Burnouf und Hermann Oldenberg sowie das Zustandekommen vom Reformbuddhismus unter Mitwirkung von Anagarika Dharmapala und Nyanatiloka unter der Bezugnahme auf ein prominentes Werk der konstruktivistischen Buddhismusforschung des 21. Jahrhunderts „The Making of Buddhist Modernism“ von David L. MacMahan. Im Kontrast zu der westlichen Form des modernen Buddhismus mit dem Fokus auf die Meditationsformen und das Buddha-Bild stehen die traditionellen Formen des Buddhismus in Asien mit der Vermittlung von Dogmen, Altarpflege, Gebeten und Zeremonien im Vordergrund. Auch für die Synthese der Chan-Schule und der Reines-Land-Schule im modernen China ist die buddhistische rituelle Praxis bedeutsam (Vom Bodhibaum zum modernen Buddhismus, 6-18).

Im darauffolgenden Abschnitt beschreibt Almut-Barbara Renger die buddhistische Praxis aus der Nähe. Dabei greift sie sowohl auf wissenschaftliche Referenzquellen als auch auf eigene Erlebnisse der teilnehmenden Beobachtung zu. Zu Recht verweist die Autorin darauf, dass „Subjektivität jedwede Forschung prägt“ (Buddhistische Praxis aus der Nähe, 19-27, 24).

Der Textabschnitt „Am Lotus-See – oder: Buddhismus, was ist das eigentlich?“ (28-61) enthält einige Informationen über die buddhistische Lehre, rituelle Praxis und Geschichte der buddhistischen Traditionen und versucht diese im globalen Wirkungsfeld des europäischen Kolonialismus zu verorten. Wichtig und richtig ist in diesem Kontext die Erwähnung der Schlüsselrolle der Theosophischen Gesellschaft für die Konstruktion des modernen Buddhismus (44-45). Mit Bezugnahme auf „The Invention of World Religions“ von Tomoko Masuzawa (2005) zeigt die Autorin, dass die Klassifizierung „des“ modernen Buddhismus als „Weltreligion“ neben Christentum, Islam, Hinduismus und Judentum Produkt der kolonialistischen Verflechtungen sei (45). Andererseits fließen in den Text die lebendigen Eindrücke der Erzählungen der Glaubensgeschichten und der Ritualpraxis, die die Autorin auf ihren Forschungsreisen bei den Gesprächen mit Buddhistinnen und Buddhisten gewonnen hatte, ein. Die Autorin versucht „den“ Buddhismus zu „fluidisieren“ und nimmt Bezug auf die Religionstheorie von Thomas Tweed („Crossing und Dwelling“, 2006). Die Frage danach, was der Buddhismus eigentlich sei, lässt sich nicht „mit einer erschöpfenden Definition beantworten.“ Man könne lediglich „sein andauerndes In-Erscheinung-Treten als veränderliches Ergebnis zahlreicher Faktoren, die miteinander in Wechselwirkung stehen“, betonen (61).

Der nächste Textabschnitt „Im Tea House – oder: Leben und Legende des Buddha“ (62-96) enthält nicht nur und nicht vorwiegend einige Informationen über die Buddha-Legende und das Leben des historischen Buddha, sondern Überlegungen der Autorin zum Erzählen der Glaubensgeschichten als religiöse Praxis im traditionellen Buddhismus im Kontrast zum Reformbuddhismus von Anagarika Dharmapala (62-67), eine Skizze des Buddhismus in den USA (67-74) und weitere Informationen über einige Inhalte der buddhistischen Lehre (74-81). Die letzten 15 Seiten des Abschnitts sind den Lebensdaten des Buddha Gautama, der Entfaltung des Buddha-Lebens in der Überlieferung und der Diskussion um „den historischen Buddha“ gewidmet (81-96).

Die Autorin fasst ihre Sichtweise im kurzen Schlussabschnitt „Auf den Kontext kommt es an“ (97-100) zusammen: Vielfältige Narrative und Rituale machen unterschiedliche buddhistische Traditionen in ihren jeweiligen Kontexten der transkulturellen Flüsse von Akteuren, Ideen, Vorstellungen, Praktiken und Gegenständen der materiellen Kultur immer wieder neu aus.

Die eigentümliche narrative Struktur, die zwischen den persönlichen Erzählungen von Begegnungen und Gesprächen, eigenen theoretischen Überlegungen und dem Referieren der primären und sekundären Quellen sprunghaft wechselt, macht die Lektüre nicht leicht, dafür aber erlebnishaft spannend und bildungsreich. Es ist Almut-Barbara Renger gelungen, auf 100 Seiten sowohl die globale Geschichte der komplexen Narrativen und Praktiken des „Buddhismus“ zu skizzieren als auch Einblicke in die Einsichten und Theorien der modernen Religionswissenschaft zu vermitteln.

Reclam 100 Seiten
Stuttgart: Philipp Reclam Verlag. 2020
102 Seiten m. s-w Abb.
10,00 €
ISBN 978-3-15-020438-2

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