Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Angela Knaupp (Hg.)unter Mitarbeit von Andrea Spans: Raumkonzepte in der Theologie

AGENDA, das Forum katholischer Theologinnen e.V., hat im Jahre 2015 eine Tagung zum Thema „Raumkonzepte in der Theologie“ durchgeführt. Die dort gehaltenen Vorträge werden in der vorliegenden Veröffentlichung dokumentiert. Dabei greifen die Autorinnen auf eine in den Geistes- und Sozialwissenschaften entwickelte Raumtheorie zurück, in der der Raum nicht mehr als eine statische und festumrissene Größe, sondern als ein dynamisches und für viele Einflüsse offenes Beziehungsarrangement verstanden wird. Ob ein solches Paradigma („spatial turn“) auch für die Theologie als hermeneutisches Prinzip erkenntnisfördernd ist, untersuchen die in diesem Band versammelten Beiträge. Denn zweifellos spielen Räume auch in der von Judentum und Christentum geprägten religiösen Tradition und ihren Theologien eine zentrale Rolle − als sakrale Orte und Länder, als transzendente und eschatologische Jenseitsräume, als Seelen- und Erwartungsräume u.a.m.

Um es vorwegzunehmen: Umstürzende neue Erkenntnisse zeitigt die Übertragung des Raum-Paradigmas auf die Theologie nicht. Das liegt meines Erachtens daran, dass die Theologie nie an „euklidischen“ Räumen interessiert war, sondern Räume immer schon unter dem Gesichtspunkt des Einwirkens Gottes und der Reaktion der Menschen, also offen und „dynamisch“, gesehen hat. Deshalb wirkt manches künstlich und angestrengt, wenn z. B. bibeltheologisches Grundwissen über die Landnahme, das Verhältnis der Juden zum Heiligen Land oder über den Jerusalemer Tempel unter die begriffliche Knute des „spatial turn“ gezwungen wird. Informativ, sachlich und gut lesbar sind die beiden Darstellungen über die Frauenfriedenskirche in Frankfurt (Regina Heyder) und über zeitgenössische Kunst im Kirchenraum (Hildegard König). Letztere beschreibt zwei Werke prominenter Künstler, das Fenster im südlichen Querschiff des Kölner Domes von Gerhard Richter und die Altarwand von Ben Willikens in St. Hedwig in Stuttgart-Möhringen. Aber hier tun die beiden Autorinnen jenseits des „spatial turns“ nichts anderes als das, was Historiker immer schon gemacht haben: Sie lesen sorgfältig die Quellen, werten sie kenntnisreich aus und bringen sie für heutige Leser zum Sprechen.

Ein anderer Mangel der Veröffentlichung liegt in der disparaten Vielfalt der Themen und dem dadurch bedingten Anspruchsgefälle. Neben hochspezialisierten Untersuchungen zum Propheten Jesaja (Andrea Spans, Virginia Raquel Azcuy), Darstellungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Mystikerinnen (Michaela Bill-Mrziglod, Gabriela Maria Di Renzo) treten Beschreibungen eines Projekts zur Stadtseelsorge in Buenos Aires (Virginia Raquel Azcuy) und kunsthandwerklicher Raumgestaltungen aus Backpapier und Ikebana.

Wertvoll ist diese Veröffentlichung vor allem für die Mitglieder der Theologinnenvereinigung AGENDA. Denn sie dokumentiert die mittlerweile starke Präsenz von Frauen in der Theologie, ihre wissenschaftlichen Arbeit und zeigt den Willen dieses jungen Berufsstandes, sich zu organisieren, die Interessen seiner Mitglieder zu artikulieren und selbstbewusst vor die Öffentlichkeit zu treten.

Interdisziplinäre und interkulturelle Zugänge
Ostfildern: Matthias Grünewald Verlag. 2016
242 Seiten m. Abb.
28,00 €
ISBN 978-3-7867-3089-7

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