Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Boris Repschinski Vier Bilder von Gott Die Evangelien – alt, doch aktuell

„Vier Bilder von Jesus“ befinden sich bereits auf dem Buchcover: Viermal schaut man auf den Gekreuzigten, doch sind die ansonsten gleichförmigen Variationen jeweils in eine andere Farbe getaucht. Auch die vier kanonischen Evangelien drehen sich in ihren Jesusporträts um ein und dieselbe Gestalt – und lassen diese doch in einem je spezifischen Licht erscheinen. Dieses jedem der Evangelisten eigene individuelle Profil stellt der Innsbrucker Neutestamentler Boris Repschinski klar und lebendig heraus. Der Untertitel „alt, doch aktuell“ kennzeichnet dabei das Spannungsfeld, in dem sich die Evangelisten und ihre heutigen Interpreten gleichermaßen befinden: Die auf die Anfänge zurückblickende Erinnerung an Jesus ist für jede Zeit und jeden Ort immer wieder neu zu aktualisieren – eben weil Anruf und Anspruch Jesu jeden Menschen zu einer Antwort einladen und herausfordern.

Einleitend führt der Autor kompakt in die religiöse, politische und gesellschaftliche Welt der Evangelien sowie in die Gattungsfrage und in grundlegende methodische Zugangswege ein. Er zeichnet ihre komplexe Entstehungsgeschichte ebenso wie den nachfolgenden Rezeptions- und Interpretationsprozess nach und führt die Grundthemen historischer Jesusforschung an. Dabei verweist er immer wieder auf den Verkündigungsanspruch dieser narrativen antiken Texte, der über eine reine Geschichtsschreibung hinausgeht.

Der Schwerpunkt des Buches liegt hernach auf der detaillierten Vorstellung der einzelnen Evangelisten in ihrer literarischen und theologischen Eigenart. Jede Präsentation enthält Informationen zu Entstehungsgeschichte und Quellen, zu Aufbau und literarischen Mitteln, zu den theologischen Akzentsetzungen und zu Person und Intention des Autors in seiner zeitlich-räumlichen Einbettung. Getreu dem Anliegen einer Interpretation der Evangelien für unsere Gegenwart schließt sich dem immer ein Ausblick auf aktuelle Forschungsfelder und -interessen an.

Und so werden in der Tat vier Jesusbilder lebendig: Nur scheinbar literarisch ungelenk richtet der Verfasser des Markusevangeliums als Schöpfer eines neuen literarischen Genres bei der Frage nach der Identität Jesu den Blick auf Gottesherrschaft und Passion. Schon früh erfolgreich rezipiert, zeichnet das Matthäusevangelium Jesus als die Gegenwart Gottes, in dessen Person sich die Geschichte Israels erfüllt und der seinerseits in seiner Kirche bis zum Ende der Zeit gegenwärtig ist. Im oft als besonders attraktiv empfundenen Lukasevangelium, bewusst als erster Teil eines Doppelwerks konzipiert, begegnet Jesus als Bruder in Hinwendung zu den Menschen, dessen Geschichte sich in der Geschichte seiner Zeugen fortsetzt. Das individualistischer und mystisch anmutende Johannesevangelium schließlich stellt Jesus insbesondere als Sohn und Offenbarer Gottes in Einheit mit dem Vater vor Augen.

Die Darlegung profitiert dabei von einer gut verständlichen Sprache, von hilfreichen resümierenden Übersichten und Tabellen sowie von der immer wieder klug zwischen den Forscherpositionen abwägenden Präsentation. Zur Konzentration auf das Wesentliche trägt auch der Verzicht auf ein breit angelegtes Literaturverzeichnis zugunsten einiger weniger Hinweise zur vertiefenden Lektüre am Ende jeden Kapitels bei.

Ein Buch also, das sich für exegetische Einsteiger eignet, das aber auch für Fortgeschrittene eine Leseperspektive bietet und seinem Anliegen gerecht wird, die alten Texte in Gegenwart und Zukunft hineinstrahlen zu lassen.

Würzburg: Echter Verlag. 2016
288 Seiten
19,90 €
ISBN 978-3-429-03967-7

 

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