Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Brigitte Maria Mayer: Wohnort Gottes

„Wohnort Gottes“ ist ein ungewöhnliches Buch. Zum einen aufgrund seiner Vorgeschichte. Denn es geht auf ein höchst ungewöhnliches Projekt zurück. Die Filmemacherin Brigitte Maria Mayer wollte in Äthiopien einen Film über Jesus drehen. Dieses Projekt scheiterte, weil der Film, wie Mayer schreibt, aufgrund von Gerüchten und Unterstellungen – über den Judaskuss, den man als eine sexuelle Handlung deutete – in ein antichristliches Licht gestellt wurde. Später hat sie diesen Film unter dem Titel „Jesus Cries“ in Berlin verwirklicht. Der Film ist großartig geworden. Freilich fragt man sich, wenn man die Bilder ihrer äthiopischen Reise betrachtet, die in „Wohnort Gottes“ veröffentlicht sind, welch ein Film entstanden wäre, wenn Mayer ihn in Äthiopien mit äthiopischen Schauspielern gedreht hätte. Man kann nur spekulieren. Doch hatte das Scheitern des Filmprojektes in Äthiopien zumindest ein Gutes: dass dieses Buch möglich wurde, das andernfalls gar nicht das Licht der Welt erblickt hätte.

Aber es ist nicht nur aufgrund seiner Vorgeschichte, sondern auch aus einem anderen Grund ungewöhnlich. Denn Brigitte Maria Mayer, nicht nur Filmemacherin, sondern ausgewiesene Fotografin, legt mit „Wohnort Gottes“ berührende fotografische Annäherungen vor: an das Land Äthiopien, seine Landschaften, Bauwerke und Menschen, darüber hinaus an die Bibel, ihre Geschichten, Orte und Menschen. Beeindruckende, berührende Bilder, die wie moderne Ikonen in ihren Bann ziehen – und oft ganz still werden lassen. Denn sie bilden nicht einfach dokumentarisch etwas ab, sondern eröffnen Räume oder Zeiten, in denen das Ferne und das Nahe sich annähern, in denen Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft miteinander verschmelzen und in denen sich die Einheit der Menschheit über Generationen und über kulturelle Unterschiede hinweg zeigt. Voller Zärtlichkeit – ja, zärtlich ist der Blick von Mayer! – weisen sie dorthin, wo Gott wohnen könnte.

Begleitet werden die Bilder durch biblische Texte oder Hinweise auf biblische Szenen. Die Fotografien spiegeln sich in den Texten und die biblischen Worte und Erzählungen in den Bildern. Nie dienen die Fotografien einer bloßen Illustration. Immer ereignet sich ein Dialog zwischen Bild und Text, in den die Leserinnen und Leser hineingezogen werden. Sie werden angesprochen und können ihrer eigenen Existenz und dem Wirken Gottes im Lichte der Bilder und Texte nahekommen.

„Wohnort Gottes“ ist daher kein Reiseführer, kein Bildband, keine Erinnerung an ein gescheitertes Filmprojekt, sondern eine Meditation. Auch insofern ist das Buch ungewöhnlich, sehr ungewöhnlich sogar. „Niemals habe ich mehr über das Leben gelernt als hier, da, wo Gott wohnen soll”, schreibt Mayer im Vorwort. Auch Leserinnen und Leser können viel von diesem Buch, seinen Bildern und Texten lernen: in einem Sehen, das zur Betrachtung, zur Kontemplation werden kann.

Berlin: Herzstückverlag. 2019
174 Seiten mit farb. Abb.
30,00 €
Über den Verlag erhältlich

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