Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Christian Kummer: An Gott als Person glauben?

In fünf klar gegliederten, aufeinander aufbauenden Kapiteln beschäftigt der Autor sich mit der Frage, was es bedeutet, an einen personalen Gott zu glauben. Christian Kummer geht es zunächst um ein naturwissenschaftlich plausibles Gottesverständnis (1. Kapitel). Die absolute Transzendenz Gottes sei ernst zu nehmen. Dieser sei kein Es, kein Gegenstand, aber auch kein Jemand. Anthropomorphe Vorstellungen seien unzureichend. Gott sei als völlig verschieden von der Welt aufzufassen. Diese existiere in restloser Bezogenheit auf Gott. Alles, was sei, verdanke sich der grundlegenden Unterschiedenheit vom Nichts, für die Gott stehe. Gott handle in der Welt nicht. Seine Allmacht sei vielmehr als die seinsverleihende Macht zu verstehen. Sie bestehe darin, das, was ist, zu begründen und im Dasein zu halten.

Vor diesem Hintergrund wird der Glaube an Gott, den Schöpfer, dargestellt (2. Kapitel). Im Blick auf Kosmogenese und Biogenese lasse sich die Bezogenheit der Dinge auf einen Schöpfergott verstehen, der sie in ihrem Eigensein vom Nichts abhalte. Mitschöpferisch stünden auch die Lebewesen mit ihrer Fähigkeit zu temporärer Selbsterhaltung gegen das Nichts. Eine Konsequenz des Glaubens an den Schöpfer sei die Antwort auf die existentielle Grundfrage des Menschen: Warum gibt es mich? Den einzelnen gebe es, weil Gott ihn wolle. Diese beglückende Einsicht stelle jedem Menschen seine grundsätzlich gültige Daseinsberechtigung vor Augen.

Im Folgenden sucht Kummer die Spuren des Glaubens an Gott als Person, indem er sich auf die Erfahrung der Wirklichkeit bezieht (3. Kapitel). Erfahrung sei hier keinesfalls ein bloß subjektiver, esoterischer Begriff. Sie geschehe im Dialog mit der Wirklichkeit, habe responsorische Struktur. Kummer unterscheidet vier unterschiedliche Weisen, die Wirklichkeit zu erfahren. Sie ergäben sich aus vier verschiedenen Perspektiven. Mit deren Hilfe vergegenständliche das erfahrende Subjekt seine Antwort im Dialog mit dem Anspruch der Realität. Kummer unterscheidet die wissenschaftliche Erfahrung, dargestellt durch ein möglichst objektives Modell, z.B. in der Physik, die künstlerische Erfahrung durch Bezug auf ein Werk, verbunden mit bestimmten subjektiven Erlebnismöglichkeiten, die moralische Erfahrung, einem unbedingten Sollensanspruch gerecht zu werden, und die religiöse Erfahrung. Diese bestehe im Erlebnis, durch ein Unbedingtes angesprochen zu sein.

Die Annäherung an das Heilige (4. Kapitel) beinhalte den in der Wirklichkeit sich ereignenden Anspruch des Numinosen. Diese zentrale Aussage entfaltet Kummer phänomenologisch und religionspsychologisch sowie im Rekurs auf die Selbsttranszendenz des Menschen. So vorbereitet, stellt der Autor schließlich die Entstehung des personalen Gottesglaubens dar (5. Kapitel). Er entwirft ein dreigliedriges Stufenmodell. Die wesentliche Voraussetzung dafür sei das responsorische Verständnis der Offenbarung Gottes. Diese bestehe in der Antwort des Menschen. So ergebe sich der Stufenweg des personalen Gottesglaubens. Die stufenweise Entstehung des Glaubens an Gott als Person stellt Kummer in einem einprägsamen Schaubild dar: Die unbestimmte Erfahrung des Heiligen nehme nach und nach die Züge eines personalen Gegenübers an (Personalisierung). Eine Person mit einem bestimmten Namen, für die Christen Jesus, die Ikone Gottes, verkörpere das personale Gegenüber Gottes (Ikonisierung). Schließlich stehe die Glaubensgemeinschaft vor der Notwendigkeit, die Erfahrung des personalen Gottes in der Reflexion des Glaubens und in dessen Weitergabe in neue kulturelle Kontexte zu systematisieren (Dogmatisierung). Klar benennt der Autor die Grenzen seiner überzeugenden Reflexionen: Das Schema mache zwar die Genese des Glaubens an den personalen Gott plausibel. Es sei aber kein Beweis für die Existenz Gottes. Was bleibe, sei die Option, die Hoffnung, die Sehnsucht des Menschen, der persönliche Gott möge aller Wirklichkeitserfahrung zugrunde liegen.

Kummers vielschichtige Ausführungen und die anschauliche Darstellung zeigen, dass es ihm um eine persönliche Frage geht. Mit seiner Spurensicherung macht der Autor den Glauben an Gott als Person intellektuell nachvollziehbar. Dabei nimmt er den Leser mit auf eine interessante geistige und geistliche Bergwanderung. Das lesenswerte Buch verlangt die konzentrierte, ausdauernde Lektüre. Den Verfasser bei der Vorstellung, Entfaltung und Durchdringung seiner Ausgangsfrage zu begleiten, die ihn schon seit mehreren Jahren beschäftigt, macht es den Rezipienten möglich, ihren eigenen Glaubensweg in den Blick zu nehmen. Der gemeinsame Weg lohnt sich. Eine einprägsame, ermutigende Metapher bleibt besonders in Erinnerung: Jedes noch so kleine, uneindeutige religiöse Anfangserlebnis könne durch die Antwort im Gebet von einem Funken zum Feuer der Gottesliebe werden.

Eine Spurensicherung
Ostfildern: Mathias Grünewald Verlag. 2019
248 Seiten
25,00 €
ISBN 978-3-786733178-8

Zurück