Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Christina Heidler: Zwischen Magie, Mythos und Monotheismus

Fantasy-Literatur im Religionsunterricht

Christina Heidler verfolgt mit ihrer 2015 als Dissertation angenommenen und nun im Grünewald erschienenen Arbeit „Zwischen Magie, Mythos und Monotheismus. Fantasy-Literatur im Religionsunterricht“ das Ziel, eine Auswahl zeitgenössischer Literatur auf die Darstellung von religiösen Signaturen hin zu untersuchen und den Ertrag daraus für das Lernen insbesondere im Religionsunterricht fruchtbar zu machen. Dieses Vorhaben stellt eine regelrechte Mammutaufgabe dar, da sie sich für die Analyse auf mehrere Dutzend Texte zeitgenössischer Fantasy-Literatur aus dem Jugend- und All-Age-Bereich bezieht. Heidler meistert diese Herausforderung souverän, indem sie in einem Vierschritt verfährt.

Zunächst stellt sie literaturwissenschaftliche Überlegungen zum Gattungsbegriff an, die durch Kürze und Prägnanz zu überzeugen wissen. Dabei grenzt sie Phantastische Literatur, Phantastische Kinder- und Jugendliteratur und Fantasy-Literatur voneinander ab und identifiziert letztere überzeugend als am besten geeignete Gattungsbestimmung für ihre Textauswahl und Analyse. So drehen sich Werke der Fantasy-Literatur vornehmlich um den ewigen Kampf von Gut gegen Böse, um die Begegnung mit archaischen Welten und um Rückbezüge zu alten Sagen, Mythen und Märchen. Zudem weisen sie nicht selten eine gewisse Affinität zu existentiellen und philosophisch-theologischen Fragestellungen auf. So besehen kann Fantasy-Literatur zwar nicht als explizit religiöse oder christliche Literatur bezeichnet werden, wohl aber als eine, in der Heilsmomente zum Thema werden. Gerade dieser Umstand ist für Heidlers Analyse von großer Bedeutung, insofern sich hier Anknüpfungspunkte für den Religionsunterricht ergeben. 

In einem zweiten Schritt widerlegt sie zunächst den bekannten Vorwurf, dass Fantasy-Literatur antireligiös ausgerichtet sei und Jugendliche durch die Schilderung magischer Praktiken zu okkulten Handlungen angeleitet würden. Daran anknüpfend legt sie Ihrer Untersuchung mit Burkard Porzelts Grundtypen von Religion einen Religionsbegriff zugrunde, der geeignet erscheint, Fantasy-Literatur auf verschiedenen Ebenen differenziert zu analysieren und den Ertrag daraus für das Lernen im Religionsunterricht zu reflektieren. Im Rückgriff auf Dietmar Mieths narrative Ethik bringt Heidler weiterhin das Potential der strukturellen Analogie nach Karl-Josef Kuschel zum Klingen: In Fantasy-Literatur können existentielle Fragen und Erfahrungen subjektiv demnach besser thematisiert werden, als es manche lehrsatzartigen Abstraktionen in Theologie oder Religionsunterricht zu leisten vermögen. 

Die anschließende Analyse im dritten Schritt beschränkt Heidler nicht auf wenige populäre Werke, sondern sie geht mit ihrer Untersuchung deutlich in die Breite: Rund 50 Einzelwerke und Bände bilden die Grundlage für den 270 Seiten starken – und damit die Hälfte der Arbeit umfassenden – Analyseteil. Dabei werden eher unbekannte Werke ebenso berücksichtig wie populäre und Einzelwerke ebenso wie ganze Buchreihen. Erfreulich ist, dass populäre Werke hierbei in maßvoller Regelmäßigkeit thematisiert werden. Dies macht die Arbeit gerade auch für diejenigen interessant, die den (religionspädagogischen) Wert von Fantasy-Literatur grundsätzlich anerkennen, dabei mit der Gattung selbst aber nicht tiefergehend vertraut sind. Ordnung im verwendeten Textkorpus schafft Heidler, indem sie Religion als Phänomen auf der Bildebene (also als explizit auftretendes Phänomen innerhalb der Handlung), auf der Bezugsebene (vor allem in der Form paratextueller Elemente mit religiösen Konnotationen) und auf der Bedeutungsebene (etwa im Aufgriff mythisch-religiöser Motive) unterscheidet und hier jeweils verschiedene Werke beispielhaft vorstellt und analysiert. Anhand der klar strukturierten Analyse gewinnt man einen breit angelegten und fundierten Einblick in aktuellere Fantasy-Literatur und liest nicht bloß das, was man über deren populäre Werke schon oft gelesen hat. Allerdings bedeutet das auch, dass viele Analysen nicht so sehr in die Tiefe gehen können, wie man sich das mitunter wünschen würde. So bleibt es der Leserschaft selbst überlassen, sich mit einzelnen Werken eingehender zu beschäftigen – und das muss ja kein Nachteil sein.

Die Überlegungen zur Arbeit mit Fantasy-Literatur im Religionsunterricht stellen den letzten Schritt der Arbeit dar. Hier sondiert Heidler mit Georg Langenhorst, inwieweit diese gewinnbringend eingesetzt werden kann. Nachvollziehbar leuchtet sie aus, wo Potentiale und – insbesondere institutionell bedingte – Grenzen liegen. Heidler maßt sich dabei nicht an, den Stab über einzelne Werke oder gar die ganze Gattung zu brechen. Mit ihrer Arbeit gibt sie den Lesern ein fundiertes wie umfangreiches Überblickswerk und die notwendigen Kriterien an die Hand, um im Religionsunterricht gut begründet mit Fantasy-Literatur arbeiten zu können.

Theologie und Literatur Band 30
Ostfildern: Matthias Grünewald Verlag. 2016
505 Seiten
48,00 €
ISBN 978-3-7867-3069-9

 

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