Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Dionysius Areopagita: Über alles Licht erhaben

Dass die Athener Mission des Apostels Paulus nicht folgenlos blieb, davon berichtet die Apostelgeschichte (Apg 17, 34) „Einige Männer aber schlossen sich an und wurden gläubig, unter ihnen auch Dionysius, der Areopagit“. Es war dieser neutestamentliche Konvertit, dem in der mittelalterlichen Theologie und Philosophie als Autor von vier prägnanten Texten größte Autorität zugesprochen wurde: Dionysius Areopagita.

Seine auf Griechisch verfassten Schriften wurden zunächst von der östlichen Christenheit rezipiert und verbreiteten sich als Übersetzungen ins Syrische, Altgeorgische und Kirchenslavische; sie gelangten um die Mitte des 9. Jahrhunderts durch die erste vollständige lateinische Übertragung des Corpus Dionysiacum (Hilduin, Johannes Scotus Eriugena) auch in den Westen und avancierten hier – in ihrem Sprechen über das Unaussprechliche z.B. bei Meister Eckhart, Tauler und Nikolaus von Kues – zur Quelle mystischer Theologie: Es existiere danach jenseits der Grenze intellektueller Erkenntnis eine Weise der Begegnung mit dem Göttlichen, die alles Begriffliche übersteige.

Zwar wurde im 19. Jahrhundert nachgewiesen, dass die Traktate des Areopagiten keineswegs vom Gefährten des Völkerapostels stammen konnten, sondern erst gegen Ende des 5. Jahrhunderts abgefasst wurden, allerdings verhinderte das keineswegs die weitere Wirksamkeit seines mystischen Denkens im 20. Jahrhundert. So bekannte Hugo Ball (1886-1927), der vor genau 100 Jahren den „Dadaismus“ begründete, in seinem Band Byzantinisches Christentum: „Als mir das Wort ‚Dada‘ begegnete, wurde ich zweimal angerufen von Dionysius D.A.-D.A.“ Schließlich war es Edith Stein (1891-1942), die phänomenologische Denkerin und christlich-jüdische Märtyrerin, die das Corpus des spätantiken Verfassers, in der Forschung längst als Pseudo-Dionysius bezeichnet – Mystische Theologie, Von den göttlichen Namen, Himmlische Hierarchie und Kirchliche Hierarchie – erneut ins Deutsche übersetzte, um sie als Quelle theologischer Spekulation und katholischer Analogielehre zugänglich zu machen.

„Zu diesem überhellen Dunkel wünschen wir zu gelangen und durch Nicht-Sehen und Nicht-Erkennen zu schauen und zu erkennen, was das Schauen und Erkennen übersteigt“, erklärt der Verfasser der Mystischen Theologie. Er bezeichnet damit die grundlegende Problematik: Wie lässt sich überhaupt adäquat über das Göttliche sprechen? Als christlicher Philosoph und Neuplatoniker betont Dionysius dabei vor allem: Die begrifflich nicht einzuholende Transzendenz Gottes erfordere eine ganz spezielle Art des Ausdrucks: nämlich in Form negativer Theologie.

Im Traktat Von den göttlichen Namen knüpft er an diese Sichtweise an und vertieft sie: Zwar existiere berechtigterweise eine kategoriale Sprache, die nach Art der Bibel Gottes Schönheit, Weisheit und Liebe preise, allerdings sei eine solche Rede keineswegs in der Lage, zu Gott, dem „überwesentlichen Einen“, vorzudringen. Wie der Stufenbau der Wirklichkeit tatsächlich beschaffen sei und wie man zum Göttlichen emporsteige, entfaltet der Autor schließlich in seiner Himmlischen Hierarchie, der alle Kirchliche Hierarchie korrespondiere. „Die zu Reinigenden“, also jene, die in mystischer Weise zu Gott gelangen wollen, sollten „völlig rein werden, von jeder Vermischung mit Unähnlichem frei. Die erleuchtet werden, sollen mit göttlichem Licht erfüllt werden, durch reine Geistesaugen zum Stand und der Tugend der Beschauung erhoben“. In der Weise, wie ein Geschöpf alles Menschlich-Kategoriale hinter sich lasse, werde es letztlich fähig zur liebenden Ekstase: zur mystischen Vereinigung mit Gott.

Wie Bruno Kern in seinem erhellenden Vorwort bemerkt, lasse sich von Dionysius Areopagita eine Linie ziehen zu den Aussagen des Vierten Laterankonzils (1215). „Die Ähnlichkeit zwischen Gott und Geschöpf werde demnach durch eine je größere Unähnlichkeit überboten. Der große jesuitische Mentor Edith Steins, Erich Przywara, war es, der die Analogielehre ins Zentrum seiner Religionsphilosophie stellte.“

 

Kevelaer: Verlagsgemeinschaft topos plus. 2015

234 Seiten

12,95 €

ISBN 978-3-8367-1009-1

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