Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Doris Nauer: Gott - Woran glauben Christen?

Verständlich erläutert für Neugierige

Wo finde ich eine übersichtliche, klar strukturierte und informativ geschriebene Einführung in den christlichen Glauben? In früheren Zeiten wäre ich vielleicht bei einem (katholischen oder evangelischen) Katechismus gelandet. Katechismen haben allerdings die Angewohnheit, sich mehr am Anspruch lehramtlicher Korrektheit zu orientieren als am (bibel-)theologischen Forschungsstand. Katechismen liefern viele Antworten und lassen keine Fragen offen.

Das vorliegende Buch von Doris Nauer ist auf erfrischende Weise kein Katechismus – und bietet dennoch eine umfassende, informative und spannende Einführung ins Christentum! Es stellt theologische Zusammenhänge anschaulich dar, es bezieht klar Position – und hält zugleich viele Fragen ausdrücklich für den Leser offen. 

Es ist – wie es im Einführungskapitel heißt – ein Buch für Neugierige, für kirchennahe und kirchenferne Christen (Religionslehrkräfte ausdrücklich eingeschlossen!), für Nicht-Christen und für Mitarbeiter sowie Leitungskräfte kirchlicher Einrichtungen. Letztere mag Doris Nauer besonders vor Augen gehabt haben. Denn die Theologin und Medizinerin Nauer ist Inhaberin des Lehrstuhls für Diakonische Theologie und Pastoraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Sie schreibt für Menschen von heute, ob sie bei einem kirchlichen Träger arbeiten oder nicht, ob sie in die Kirche gehen oder nicht, ob sie sich selbst als gläubig betrachten oder nicht. 

Die Verfasserin geht von den Fragen und Sichtweisen heutiger Menschen aus. Sie hat den Anspruch, komplexe theologische Inhalte in eine alltagstaugliche Sprache zu übersetzen. Theologische (Sprach-)Bilder sollen vor dem Hintergrund eines naturwissenschaftlich geprägten Weltverständnisses entschlüsselt und verständlich gemacht werden. Der biblische Gottesglauben soll einerseits gegen die Infragestellungen von außen verteidigt und als sinnvolle, attraktive Lebensoption gezeigt werden, andererseits gegen innerkirchliche Missverständnisse und Fehlentwicklungen in Schutz genommen werden.

Die Autorin löst diesen hochgesteckten eigenen Anspruch auf eine charmant-schlichte und packende Weise ein. Nach einer Einführung, in der sie das wechselseitige Verhältnis zwischen menschlichen Gottes-Erfahrungen und Gottes-Bildern reflektiert, orientiert sie sich an der trinitarischen Bekenntnisformel und entwickelt nacheinander die zahlreichen, mitunter im Widerspruch stehenden Vorstellungen, die sich mit der Rede von Gottvater, vom Sohn und vom Heiligen Geist verbinden. Den größten Raum nimmt dabei das Kapitel über Jesus, den Christus, ein. Immer wieder finden sich Ausblicke auf die Frömmigkeitsgeschichte, auf kirchliches Brauchtum und die zentralen christlichen Feste. Den Abschluss bildet ein Kapitel über die beiden großen christlichen Glaubensbekenntnisse. 

Nauers Ansatz ist durchgängig biblisch ausgerichtet. Äußerst profund trägt sie den wissenschaftlichen Forschungsstand zusammen und interpretiert die Befunde im Hinblick auf ihre Bedeutung für den Glauben. Die Wahrheitsfrage wird nicht nivelliert, sondern in Richtung einer biblisch begründeten (und theologiegeschichtlich eingelösten) Pluralität von Zugängen geweitet. Einfacher gesagt: Statt „entweder – oder“ heißt es häufiger „sowohl als auch“. 

Die Verfasserin zitiert zahlreiche Fachautoren aus der katholischen wie der evangelischen Theologie. Die prägnanten Zitate sind im Text optisch so abgesetzt, dass man sie leicht wiederfindet. Ergänzt wird der Text durch zahlreiche Schaubilder, in denen komplexe Zusammenhänge grafisch anschaulich dargestellt sind. Der Sprachstil ist durchweg journalistisch-populärwissenschaftlich. Der bewusste Verzicht auf theologische Sondersprache macht das Buch gerade für einen Kircheninsider so erfrischend anders, dass ich es kaum weglegen mochte. 

Für Religionslehrkräfte, die immer wieder „aus dem Stand“ Rede und Antwort zu ihrem Glauben stehen sollen, bietet das Buch viele hilfreiche Argumentationsansätze. Ausgewählte Texte und Schaubilder könnten als Arbeitsgrundlage im Oberstufenunterricht Verwendung finden. Insgesamt bietet das Buch einen didaktischen roten Faden, von dem sich für den Religionsunterricht einiges abschauen ließe. 

Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. 2017
239 Seiten m. Abb.
25,00 €
ISBN 978-3-17-030936-4

 

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