Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Egbert Ballhorn / Georg Steins / Regina Wildgruber / Uta Zwingenberger (Hg.): 73 Ouvertüren

Der Beginn eines Buches kann gefangen nehmen, fesseln, mitreißen, kurz: dem ersten Satz eines guten Buches wohnt ein Zauber inne. Unwillkürlich entscheidet sich, ob hier das Potenzial liegt, eine Geschichte entstehen zu lassen. Akteure werden die Bühne betreten, Handlungsstränge sich entfalten. Stimmt der Buchanfang darauf ein? Wenn es ein solches Buch gibt, das Geschichte hat entstehen lassen, so darf die Heilige Schrift das für sich in Anspruch nehmen. Offensichtlich sind die Anfänge derart, dass Leserinnen und Leser über Jahrhunderte es nicht mehr aus der Hand legen konnten.

Mit den „73 Ouvertüren“ ist ein sehr treffender Titel für die Buchanfänge der einzelnen Bücher der Heiligen Schrift des Alten und Neuen Testaments gewählt. So wie eine Ouvertüre anklingen lässt, was das Gesamtwerk erst entfalten wird, so sind die Anfangszeilen gestaltet: Sie wecken Neugier bei der ersten Lektüre und locken ein wissendes Lächeln beim wiederholten Lesen auf die Lippen. Mit einer biografischen Einführung Arnold Stadlers öffnen sich Buch wie Bibel zugleich: „Die Tür geht nach innen auf beim Lesen. Nur beim Öffnen des Buches kommt uns die Seite entgegen. […] Es gehören beim Lesen und Schreiben immer zwei dazu. Wie bei der Liebe.“

Die Autorinnen und Autoren verstehen es meisterlich, unter dem Thema „Die Buchanfänge der Bibel und ihre Botschaft“ anhand der Eingangsverse die Hauptthemen und Besonderheiten der biblischen Bücher zu erschließen. Allein die Lektüre des Inhaltsverzeichnisses bietet Überraschungen: In den Untertiteln zu den einzelnen Büchern wird in knappster – „verdichteter“ – Form deutlich, worum es geht. Alltägliche Redewendungen werden hier verfremdet und weisen umso deutlicher auf das Proprium eines Buches, etwa „Das Buch Jesus Sirach – Lost in Translation“; Das Zweite Buch Samuel „Der König ist tot! Es lebe der König“.

Allen Beiträgen merkt man an, mit wie viel Herzblut die Autorinnen und Autoren sie geschrieben haben. Kein Wunder – die meisten von ihnen haben eine langjährige Geschichte mit ebendiesem Buch hinter sich, über das sie jetzt so kundig schreiben. Erfrischend ist, wie wenig Fachterminologie es offensichtlich braucht, um derart fundiert in ein biblisches Buch einzuführen. Man braucht keine akademische Vorbildung, um die 73 Ouvertüren mit Gewinn zu lesen. Auch literarisch bietet es viel: überraschende Formulierungen, Ausflüge in Musik, Literatur und andere Formen der Wirkungsgeschichte und immer wieder Endungen, die eher einem Auftakt gleichen denn einem Schlussakkord – so wie es sich eben für eine Ouvertüre gehört.

Die Buchanfänge der Bibel und ihre Botschaft
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2018
700 Seiten
39,00 €
ISBN 978-3-579-08237-0

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