Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Ernst Peter Fischer: Gott und der Urknall

Religion und Wissenschaft im Wechselspiel der Geschichte    

In acht Kapiteln, gerahmt von einem Ein- und Ausblick, führt der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer seine Leser durch die – überwiegend – abendländische Geschichte der Naturwissenschaften von Thales über Keppler und Darwin bis Wolf Singer und Stephen Hawking. Physik samt Astronomie und Mathematik werden ebenso behandelt wie Biologie oder Chemie und deren jeweilige historische Vorläufer. Das Augenmerk liegt hierbei insbesondere auf der Frage, wie die Religion die Wissenschaft hervorbringt und die Wissenschaft auf die Religion (bei Fischer jeweils im Singular!) zurückwirkt.

Mit der wissenschaftshistorischen Darstellung zentraler Erkenntnisse, Theorien und Einsichten ist dem Autor hierbei zunächst ein Sachbuch gelungen, das sich vor allem in der zweiten Hälfte als kurzweilig erweist und durchgängig zahlreiche (be-)merkenswerte Anekdoten, Erklärungen und Zusammenhänge offeriert. Eine Stärke von Fischers Buch liegt auch dort, wo es den Glauben und die Glaubensfragen der einzelnen Forscherpersönlichkeiten zur Religion beleuchtet, wobei erwartungsgemäß die gesamte Bandbreite an Positionen vom Atheismus bis hin zu christlich-fundamentalistischen Anschauungen zu finden ist. 

Nicht wirklich scharf konturiert und systematisch entfaltet Fischer hingegen seine Leitthese, dass es sich bei Religion und Wissenschaft um zwei komplementäre Zugänge zur Welt handele, die aufeinander verweisen und verwiesen bleiben. Auch mehrere interessante Perspektiven, etwa auf die Hervorbringung künstlichen Lebens, werden leider nur angetippt, aber nicht weiterentwickelt. Hier hätte das Buch mehr Potential gehabt. Vor allem fehlt aber weitgehend eine Rückbindung des Glaubens und der Religiosität an deren wissenschaftliche Erschließung, sprich die Theologie. Denn in deren Geschichte hätte sich entdecken lassen – und dies gehört doch jenseits individueller Glaubensentscheidungen von Forscherpersönlichkeiten ebenso mit zur „Religion und Wissenschaft im Wechselspiel der Geschichte“ –, dass beispielsweise bereits im Mittelalter Konzepte entwickelten wurden, den christlichen Schöpfungsbegriff mit der Vorstellung einer anfangslosen Welt vereinbar zu denken. 

Sprachlich legt der Autor einen lockeren Plauderstil vor, formuliert humorvoll und feuert die eine oder andere Salve auf jene ab, die seine Vorstellungen nicht teilen. Wie gut dies gefällt, hängt wohl vom persönlichen Geschmack des jeweiligen Lesers ab. Sehr schade und ein Manko ist, dass die Zitate im Buch nicht ausreichend belegt sind. Dies lässt sich von einem Sachbuch erwarten, zumal wenn es sich als wissenschaftshistorisch versteht.

Zusammengefasst erhält der Leser in „Gott und der Urknall“ eine schöne, populäre Darstellung der Wissenschaftsgeschichte und einen Einblick, wie sich deren zentrale Akteure zu Religion und Glaubensfragen verhielten. Wer sich systematische Antworten zum Verhältnis von Religion und Wissenschaft erhofft, die aus einer solchen historischen Betrachtung erwachsen könnten, wird allerdings eher enttäuscht sein.

Freiburg: Herder Verlag. 2017
320 Seiten m. s-w Abb.
24,99 €
ISBN 978-3-451-32986-9

 

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