Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Frido Mann / Christine Mann (Hg.): Im Lichte der Quanten

Nicht weniger als ein neues Weltbild wird im Untertitel dieses von Frido und Christine Mann herausgegebenen Bandes angekündigt. Mit den Mitteln der Quantenphysik sollen die ungeklärten Fragen nach der Entstehung des Bewusstseins und der leib-seelischen Einheit beantwortet werden, um die Grundlage für ein ganzheitliches Menschenbild zu schaffen. In kritischer Auseinandersetzung mit dem deterministischen Physikalismus will das Autorenteam insbesondere die Willensfreiheit des Menschen verteidigen. Das ist ein höchst wichtiges Vorhaben angesichts der aktuell wirkmächtigen Neurophilosophie, die den Menschen zu einem biologischen informationsverarbeitenden System ohne Sinn und Wert herabwürdigt.

Grundlage für die im Band versammelten Beiträge ist die Theorie von Thomas Görnitz, einem langjährigen Mitarbeiter von Carl Friedrich von Weizsäcker, nach der sogenannte „Absolute Bits von QuantenInformation (AQIs)“ als das einfachste Seiende überhaupt den Grundstoff der Welt bilden. Aus ihrer Gesamtheit, von Görnitz „Protyposis“ genannt, „formt sich“ neben dem Physischen als Materie und Energie auch Information. Das ist möglich, weil AQIs „bedeutungsoffen“ sind und in ihrer Gesamtheit erst nur „eine quantische Vor-Struktur, eine Vor-Formation“, die der Entstehung von Materie, Energie und Information vorausliegt. Formt sie sich zu Information, kann diese im Zuge der Evolution weiter zu Informationsstrukturen und zu Information über Information werden. Information wird sich damit quasi selbst bewusst und so zu Bewusstsein. Entsprechend definiert Görnitz es als „Quanteninformation, die sich selbst erleben und kennen kann“. Nach Brigitte Görnitz können Informationsstrukturen sich innere Bilder vergegenwärtigen. Sie treten damit an die Stelle des alle intentionalen Akte vereinenden, mit sich identischen Subjekts, das von ihr als „Homunkulus“ missverstanden wird.

Was mit diesem Buch im Grunde vorgelegt wird, ist der Versuch, einen panpsychistischen Monismus mit den Mitteln quantenphysikalischer Spekulation zu begründen. Es wird uns damit also kein „neues Weltbild“ geliefert, sondern ein sehr altes, das bereits der Vorsokratiker Anaxagoras mit seinem Nous vorgeschlagen hat. Gemeinsamer Gedanke dieser Theorien ist die Annahme, dass Seelisch-Geistiges von Beginn an in den letzten Grundelementen der Welt vorhanden war. Die Monaden von Leibnitz und die Events von Alfred North Whitehead als „komplexe und ineinandergreifende Erfahrungströpfchen“ (drops of experience) sind Ausprägungen des Panpsychismus. Die Protyposis mit den AQIs ist eine weitere Spielart davon. Das als Dimension alles Seienden angenommene Seelisch-Geistige tritt in Dingen und lebenden Wesen mehr und mehr bewusst und wirksam hervor, es erwacht gewissermaßen stufenweise bis hin zum Bewusstsein des Menschen. Das Problem, den Überschritt vom Physischen zum wesenhaft davon unterschiedenen Geistigen zu verstehen, die sogenannte Emergenz, soll damit gelöst werden.

Allerdings gelingt dies dem Panpsychismus letztlich nicht, denn auch das „Erwachen“ dieser beseelten Einheiten des Seins zum Bewusstsein muss erklärt werden. Görnitz macht es sich hier etwas einfacher und kürzt den Weg ab, indem er im Bereich der Information bleibt und Bewusstsein als Informationsstruktur und selbstreferenzielle Information über Information bestimmt. Nun ist aber nach einer der wichtigsten Erkenntnisse der Philosophie des Geistes das Bewusstsein weder Informationsverarbeitung noch Informationsstruktur noch Information über Information. Das sind funktionale Abläufe, die auch von einem Computer oder einem Zombi ausgeführt werden können, die keinerlei Wissen über das haben, was in ihnen als Automatismus abläuft. Thomas Nagel und David Chalmers haben gezeigt, dass wir noch so genau die sensorischen und neurophysiologischen Prozesse kennen können, die in einem Wesen ablaufen, nie werden wir wissen, wie es sich selbst und seine Umwelt erfährt, wie es also ist, dieses Wesen zu sein. Nie etwa werden wir wissen, wie es ist, „eine Fledermaus zu sein“, könnten wir auch alle Details ihrer Echoortung physikalisch genau beschreiben, so das bekannte Beispiel von Nagel. Bewusstsein als die subjektive Innenperspektive ist etwas grundsätzlich anderes als ein wie auch immer gearteter physischer Prozess der Informationsverarbeitung, mag er auch quantenphysikalisch gefasst werden. Und Bewusstsein erfordert ein Subjekt, während es kaum Sinn macht, für eine Quanteninformation oder eine Informationsstruktur anzunehmen, dass es irgendwie ist, sie zu sein.

Die Beiträge im letzten Drittel des Buches sind nur noch sehr lose mit dieser quantenphysikalischen Spekulation verknüpft, indem sie zu den Themen Informationsgesellschaft, Demokratie, Spiritualität, Grenzen des Wachstums und Pädagogik auf den Indeterminismus im Bereich der Quantenphysik hinweisen, der Raum geben würde für die Willensfreiheit des Menschen und die sich damit ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten. Genau betrachtet lässt sich aber Freiheit nicht mit der Unbestimmtheit von Quanteneffekten begründen, denn das wäre eine Determination, nämlich durch willkürliche Zufallsprozesse. Willensfreiheit dagegen ist nicht zufallsgesteuertes Handeln, sondern das Vermögen einer leib-geistigen Person zum selbstbestimmten Entscheiden auf der Grundlage von Abwägungen und orientiert an Werten.

Letztlich versucht das Autorenteam, mit (quanten)physikalistischer Spekulation den Physikalismus zu widerlegen, also gewissermaßen den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, was schon vom Ansatz her zum Scheitern verurteilt ist, sodass die Autoren ihre selbst gesteckten Ziele verfehlen mussten.

Konsequenzen eines neuen Weltbilds
Darmstadt: Theiss Verlag. 2021
334 Seiten m. s-w Abb.
28,00 €
ISBN 978-3-8062-4184-6

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