Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Georg Sans: Philosophische Gotteslehre

 

Ein philosophisches Sprechen von Gott zeichnet sich dadurch aus, dass es sich in methodischer Hinsicht keinen spezifisch religiösen Prämissen verpflichtet weiß und den Gottesgedanken auf der Ebene einer autonomen Vernunft zu entwickeln beansprucht. Dies gilt unabhängig von der persönlichen Positionierung des jeweiligen Philosophen, wobei der Autor im vorliegenden Fall Jesuit und Inhaber des Eugen-Biser-Stiftungslehrstuhl für Religions- und Subjektphilosophie an der Hochschule für Philosophie in München ist. Darüber hinaus hat sich die philosophische Auseinandersetzung mit der Gottesthematik nie in einem luftleeren Raum aufgehalten, sondern sich stets in der Begegnung mit bestimmten religiös-theologischen Traditionen vollzogen. Vor allem gilt umgekehrt für den christlichen Glauben, dass seine Reflexion von sich aus immer wieder das Gespräch mit einer Vernunft gesucht hat, die ihrerseits nicht unter religiösen Vorzeichen steht.

So setzt der Autor sich mit denjenigen Themenstellungen auseinander, zu denen die Philosophie in der Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben gelangt ist: mit den Gottesbeweisen, dem Verhältnis von Transzendenz und Immanenz Gottes, der Theodizeefrage, dem Verhältnis von Zeit und Ewigkeit sowie der Personalität Gottes. Wer sich inhaltlich auf diejenigen Themenstellungen vorbereitet, die dem Religionsunterricht der Sekundarstufe II in Auseinandersetzung mit der Gottesfrage aufgegeben sind, wird sich freuen, dass der Autor sich weitgehend mit Erfolg darum bemüht, viele Überlegungen anschaulich zu gestalten. So erläutert er den von Thomas von Aquin formulierten Gottesbeweis aus der Kausalität anhand des Beispiels einer Reihe von aufrecht stehenden Dominosteinchen, die – einmal in Bewegung gesetzt – sich nacheinander zu Fall bringen. Gott ist in diesem Beispiel nicht – wie Kritiker gerne unterstellen – der erste Dominostein, sondern diejenige Kraft, die von außerhalb überhaupt erst Bewegung in diese Reihe bringt. Nicht ganz so überzeugend und auch nicht ganz so anschaulich gelingt ihm die Wiedergabe des sog. ontologischen Gottesbeweises, mit dem Anselm von Canterbury die Existenz Gottes aus seinem Begriff abzuleiten beansprucht. Dass aus dem Begriff dessen, über den hinaus Größeres nicht gedacht werden, auch die Existenz der solcherart formulierten Wirklichkeit ableiten lässt, ist nur überzeugend, wenn ich eine wesentliche Prämisse teile: die Überzeugung nämlich, dass Wirklich-Sein mehr ist als nur Gedacht-Sein. In der Erörterung dieses Gedankens ist strittig, ob „Existenz“ als Prädikat gelten muss, das einem Subjekt zugeschrieben werden kann. Kant hat in seiner Kritik dieses Gedankens die berühmte Frage gestellt, ob 100 wirkliche Taler mehr sind als 100 gedachte Taler, und wer dieses Problem im Religionsunterricht behandelt, ist schnell bei Fragen angelangt wie der, ob ein wirklicher Lottogewinn mehr ist als ein nur vorgestellter, ein wirklicher Verkehrsunfall mehr als nur ein geträumter.

Indem der Autor dieser Spur der Gottesfrage nicht die mögliche Beachtung schenkt, wendet er sich primär denjenigen Fragen zu, die aus den Gottesbeweisen des Thomas von Aquin erwachsen: Woher kommt das Böse, wenn Gott die Welt geschaffen und den Dingen dieser Welt eine immanente Zweckmäßigkeit eingestiftet hat? Wie verhalten sich die Anfanglosigkeit und Ewigkeit Gottes zu Zeit und Geschichte? Inwieweit ist ein Gott, der Bewegung in die Welt gebracht hat, ein personales Gegenüber? Weil der Verfasser in seinem Gottesbegriff mehr auf der Spur des Aquinaten als der Anselms bleibt, kommen in Auseinandersetzung mit der Theodizeefrage vor allem solche Antwortversuche zu Wort, die sich Gott als Planer einer bestmöglichen Welt vorstellen, in der das Übel in irgendeiner Weise auf das Gute hingeordnet ist.

Der streng philosophische Standpunkt des Autors äußert sich darin, dass er alle gläubigen Positionen so entwickelt, dass sie zwar als nicht widerlegbar, aber auch als nicht logisch zwingend gelten müssen. Damit verfährt er auf seine Weise im Ergebnis so, wie es vor 40 Jahren bei Hans Küng der Fall war, der mit „Existiert Gott“ in der Auseinandersetzung mit dem Atheismus stets eine Pattsituation herstellte. Die Frage, warum man dann dennoch glauben sollte, droht auf diese Weise allerdings wieder zu einer Willkürentscheidung zu werden, die freilich auf hohem Niveau getroffen wird. Die Ansätze zur Begründung dieser Entscheidung, die das vorliegende Buch in Anlehnung an Kant, Kardinal Newman und Plantinga dazu vorlegt, fordern hier zum Weiterdenken auf. Dabei lohnt es sich, daran zu erinnern, dass Küng seinerseits durch eine reflektierte Theorie des Urvertrauens dieser Entscheidung den Charakter fideistischer Willkür genommen hat.

Eine Einführung
Stuttgart: Kohlhammer-Verlag. 2019
144 Seiten
22,00 €
ISBN 978-3-17-032561-6

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