Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Gerd Neuhaus. Glückskekse vom lieben Gott?

Einen Religionsunterricht, der „Glückskeksweisheiten“ vermittelt, braucht nun wirklich niemand. Ein schulischer Religionsunterricht dagegen, der Spagat zwischen rationaler Glaubensverantwortung und Lebensweltorientierung gelingt, schafft eine ganz besondere Chance für einen Dialog der Kirche mit der Welt von heute und ist selbst primärer locus theologicus. Diese These vertritt Gerd Neuhaus in seiner Monografie und plädiert davon ausgehend nicht nur für ein Bewusstsein der notwendigen gegenseitigen Befruchtung eines Austausches zwischen akademischer Theologie und Religionsunterricht, sondern stellt heraus, welche große Chance Religionsunterricht gegenüber einem neutralen Religionskundeunterricht bietet.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert: Im ersten Teil, das mit „Erfahrungen“ überschrieben ist, skizziert er seinen beruflichen Werdegang und zieht aus seinen biografischen Erfahrungen an Universität und Schule Folgerungen für einen theologisch gehaltvollen Religionsunterricht. Der Autor spart nicht mit Kritik am Wissenschaftsbetrieb: Aus seiner eigenen Laufbahnerfahrung heraus benennt er die mangelnden Erfolgsaussichten bei Berufungsverfahren, bei denen man keine „Hausmacht“ besitzt, findet u.a. deutliche Worte für das „theologische Fachchinesisch“, das das Kommunikationsproblem zwischen der Theologie und den Bereichen praktischer Glaubensvermittlung verstärke, und stellt die Klippen der „theological correctness“ in der Welt akademischer Theologie dar.

Vorwürfe, die mit Worten wie „Inquisitorik“ in Verbindung gebracht werden, äußert Neuhaus in beißender Kritik, nicht aber in Verbitterung. Sein akademischer Weg hat ihn nach der Promotion über die Habilitation neben der Schule und seinem Wirken als Fachleiter in der Lehrerausbildung letztlich zum außerplanmäßigen Professor für Fundamentaltheologie und zugleich Studiendirektor seiner Schule geführt – und in seinem Buch beschreibt er, wie er in jedem dieser Tätigkeitsfelder intellektuell beheimatet war bzw. ist, aber auch deren Grenzen und Herausforderungen wahrnimmt. Vom schulischen Religionsunterricht, so der Autor, fühlte er sich theologisch sogar stärker herausgefordert als in seinen akademischen Lehrveranstaltungen – weil er in der Schule „als Theologe die Fülle arbeitsteilig erarbeiteter Forschungsergebnisse in einen sie übergreifenden Horizont einfügen“ müsse.

Von dem Verständnis eines „ernsthaften Religionsunterrichtes“ ausgehend, übt Neuhaus weiterhin – anhand traurig-amüsanter Veranschaulichungen – Kritik an einem „halbverstandenen Korrelationsgedanken“ in Religionspädagogik und Katechese, der sich scheinbaren Befindlichkeiten der Lernenden anbiedere. Er selbst versteht Glaubensvermittlung als einen dialogischen Prozess, der des „An-spruchs“ bedarf, um aposteriorisch ein apriorisches Bewusstsein für (religiöse) Fragen und Haltungen zu wecken.

Dies führt er im zweiten Teil des Buches, den „Reflexionen“, aus. Religionsunterricht begegne, resultierend aus dem Kontakt mit vielen Menschen, den „Zeichen der Zeit“ in besonderem Maße. Er sei mit Fragen aus dem Bereich des De-facto-Aktuellen konfrontiert, die so schnelllebig seien, dass sie gar nicht erst in die akademische Theologie vordrängen. Neuhaus sieht dies allerdings nicht als Nachteil: Vielmehr resultiere aus der „produktiven Ungleichzeitigkeit der Theologie“ (Johann Baptist Metz), dass das De-Iure-Aktuelle ernstgenommen und stärker durchdrungen werde, sodass der Glaube seinen eigenen Rationalitätsanspruch vertiefter erfassen und umso deutlicher nach außen hin formulieren könne. Der Autor fordert die Notwendigkeit einer theologischen Hintergrundfundierung von Religionslehrern. Den theologischen Rahmen eines solchen Hintergrundwissens bildet für ihn die rationale Glaubensbegründung auf dem Boden einer „Ersten Philosophie“, wobei er sich auf Thomas Pröpper und Hansjürgen Verweyen bezieht. Neuhaus stellt die Geschichte des biblischen Monotheismus als einen Aufklärungsprozess der gegenseitigen Erschließung von Glaube und geschichtlicher Erfahrung dar, der letztlich metakritisch auch Aufklärung über die neuzeitliche Aufklärung biete.

Seine Ausführungen veranschaulicht der Theologe immer wieder anhand zahlreicher literarischer Beispiele sowie seiner Unterrichtserfahrung. So regt das Buch immer wieder zum Mitdenken und je nach Leser vielleicht zum Überdenken der eigenen Unterrichtspraxis an. Die Herausforderung (und zum Teil Anstrengung) beim Lesen liegt im scheinbaren Genrewechsel zwischen autobiografisch-anekdotischer Erzählung, fundamentaltheologisch-philosophisch anspruchsvollen Grundsatzreflexionen und religionspädagogisch-praktischen Forderungen, was zudem zum Teil einzelne Punkte etwas kurz kommen lässt: So ist beispielsweise seine Kritik an der Kompetenzorientierung zu verknappt dargestellt, um diese wirklich nachvollziehen zu können. Andererseits regt das Buch gerade dadurch zum Nachdenken an: Gerd Neuhaus‘ Plädoyer für einen „ernsthaften“ Religionsunterricht wohnen zahlreiche Impulse zur Stellung des Religionsunterrichtes für die akademische Theologie wie vielleicht für die deutschen Bischöfe und die Entscheider bildungspolitischer Grundsatzfragen rund um Religionsunterricht inne.

Religionsunterricht zwischen Lebensweltorientierung und Glaubensverantwortung
Regensburg: Friedrich Pustet Verlag. 2019
142 Seiten
19,95 €
ISBN 978-3-7917-3101-8

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