Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Gerhard Büttner / Veit-Jakobus Dieterich / Hanna Roose: Einführung in den Religionsunterricht

Die Verfasser sind nach eigener Aussage bei der Arbeit am Schulbuch „SpurenLesen“ zu der Überzeugung gelangt, eigene Akzente zu einer fachdidaktischen Grundlegung setzen zu müssen – und beschreiben damit ihre Motivation für das vorliegende Werk. Sie verstehen sich als Vertreter/innen einer Kinder- und Jugendtheologie und legen eine Einführung in die Didaktik des Religionsunterrichts vor, die sich an der konstruktivistischen Religionsdidaktik und der Wissenschaftstheorie Niklas Luhmanns orientiert.

In vier Kapiteln und einem Epilog zum nachhaltigen Lernen im Religionsunterricht stellen sie zunächst Grundlegendes zu Lehren und Lernen und das Verhältnis zwischen Grundwissen und Kompetenz vor, um dann ihr Kompetenzverständnis zu erläutern. Das Herzstück dieser kompetenzorientierten Didaktik bilden die Kapitel 3 und 4 mit einer Übersicht über formale Kompetenzen auf der einen und inhaltsbezogene Kompetenzen des RU auf der anderen Seite. Ausgehend von einer in dieser Klarheit bislang vermissten Definition von Religiöser Kompetenz als „Fähigkeit, die Welt anhand der Leitdifferenz von Immanenz und Transzendenz zu beobachten“, nehmen die Verfasser eine ausgesprochen präzise und nachvollziehbare Trennung von formalen und inhaltsbezogenen Kompetenzen vor. Während bisher oft von Prinzipien des Lernens im Religionsunterricht  gesprochen wird, definiert diese Fachdidaktik 8 formale oder prozessbezogene Kompetenzen (Spiritualität, Performativität, Diskursivität, Narrativität, Literalität, Moralität, Medialität und Ästhetik) für den Religionsunterricht. Diese formalen Kompetenzen, die sich aus der Logik der PISA-Studien herleiten, werden im Einzelnen nicht nur für den Religionsunterricht, sondern jeweils auch auf Bezüge, die sie mit anderen Fächern teilen, untersucht. In diesem Kapitel greifen die Autoren zahlreiche Praxisbeispiele auf und liefern praktische Hinweise für fachdidaktische Schwerpunktsetzungen für einen kompetenzorientierten Religionsunterricht.

Das Kapitel zu den inhaltsbezogenen Kompetenzen enthält wenig Neues. Die Auflistung: Weltbild, Bibel, Gott, Jesus Christus, Mensch – Selbst – Identität, Religion(en) findet sich ähnlich u.a. in den Kirchlichen Richtlinien zu den Bildungsstandards für den katholischen Religionsunterricht für die Primarstufe und die Sekundarstufe I.

Überzeugend ist hier aber wieder die systematische Untersuchung aller sechs inhaltsbezogenen Kompetenzen nach demselben Schema. So werden den kulturellen und theologischen Aspekten im Sinne des Elementarisierungskonzeptes immer entwicklungspsychologische Aspekte gegenübergestellt, bevor Niveaukonkretisierungen angedacht werden.

Mit den Überlegungen im Epilog gehen die Verfasser einen Schritt weiter und fragen, wie denn im Religionsunterricht auf der Grundlage dieses Kompetenzverständnisses einerseits nachhaltig gelernt und andererseits der Lernertrag mit den üblichen Methoden erfasst werden kann. Bei der Frage, wie denn Kompetenzerwerb treffend zu messen sei, stoßen sie an die altbekannten Grenzen und bleiben eine eindeutige Antwort schuldig. Selbstverständlich lässt sich im Religionsunterricht erworbenes Wissen kontrollieren. Aber wenn Religionsunterricht auf der einen Seite zur Entwicklung von Einstellungen und Haltungen beitragen soll und auf der anderen Seite Kompetenzen (deuten, Probleme lösen etc.) erworben werden, liefern auch neuere Studien nur wenig mehr Aufschluss als: Wer über entsprechendes Wissen verfügt, kann auch deuten. Dennoch spüren die Autoren weiteren Anhaltspunkten für nachhaltiges Lernen nach. Überraschend ist die Erkenntnis nicht, dass es oft die Events im Religionsunterricht (Exkursionen, Expertenbefragungen etc.) sind, die besonders nachhaltig wirken, aber meist nur zu Randthemen des Unterrichts durchgeführt werden. Plädiert wird für den Aufbau eines Rahmenwissens (biblischer Inhalte) für alle Schulformen und -stufen, das den Lernenden einsichtig gemacht wird und als „Netz“ dient, in das mehr und mehr Wissen eingebaut wird. Am Ende landen sie dann eben doch wieder beim Elementarisierungskonzept, weil für die Textauswahl im Religionsunterricht gilt, dass die Inhalte an die konkrete lebensweltliche Situation der Kinder und Jugendlichen anschließen müssen, wenn wirklich motiviert und nachhaltig gelernt werden soll.

Das Verdienst der vorliegenden kompetenzorientierten Didaktik liegt in der strikten, klar definierten Kompetenzorientierung und der systematischen Abgrenzung von formalen und inhaltsbezogenen Kompetenzen, an denen jeweils das genuin Religionsunterrichtliche herausgestellt wird. In dieser Stringenz ist die konsequente Kompetenzorientierung neu. Für die Lehrerausbildung überzeugen diese präzise Systematik und vor allem das Kapitel über die formalen Kompetenzen, weil die Fülle der unterschiedlichen didaktischen Schwerpunktsetzungen (Arbeitsweisen) im Religionsunterricht durchgängig übersichtlich dargestellt wird und damit der besonderen Herausforderung des Religionsunterrichts mit seiner Vielzahl von Bezugswissenschaften und daraus abzuleitenden Arbeitsweisen Rechnung getragen wird.

 

Stuttgart: Calwer Verlag. 2015

296 Seiten

29,95 €

ISBN 978-3-7668-4348-7

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