Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Guido Kreppold: Die Verwaltung des Untergangs

Bereits Ende der 1970er Jahre sah der Theologe Eugen Biser die Krise der Kirche darin begründet, dass sie nicht fähig sei, „dem Menschen von heute auf seine Sorgen verstehend einzugehen, seinem vielfach frustrierten Glücksverlangen entgegenzukommen und ihm in seiner Überforderung, Vereinsamung und Lebensangst einen Raum des Aufatmens, der Solidarität und der Geborgenheit zu bieten.“ Wie sieht es vier Jahrzehnte später aus? Sind Kirche und Klöster immer noch damit beschäftigt, ihren Untergang zu verwalten, statt die Zukunft zu gestalten?

Guido Kreppold ist seit 60 Jahren Kapuzinermönch und seit über 50 Jahren Priester. Seine Beobachtungen entspringen nicht einem Außenblick auf Kirche und Kloster oder dem Neulingseifer des Anfangs. Er hat den Wandel von einer sakralen Volkskirche zu einer Minderheitengemeinschaft, das allmähliche Verblassen von Glaubensbild und Glaubensgefüge über Jahrzehnte miterlebt und begleitet. Sein Buch gibt keine fertigen Antworten, liefert aber kleine Handlungsschritte und ermutigt zu einer gelösten Nachdenklichkeit angesichts der schmerzlichen Übergänge. 

Die Bestandsaufnahme beginnt nüchtern mit exemplarischen Stimmungsbildern: „Eine junge Frau, einst mit ganzem Eifer in einem kontemplativen Orden, verlässt das Kloster, entdeckt das volle Leben außerhalb und dies ohne Gott“ (8). Ähnliche Beispiele folgen. Pointiert resümiert Kreppold: „Wie soll ein junger Mensch in einer Gemeinschaft eine Zukunft sehen, in der die Mehrheit der Generation der Großeltern angehört und in der bei jeder Versammlung darüber beraten wird, welche Niederlassung als nächste aufgehoben wird? … Wenn es eine Wende geben soll, braucht es einen Funken, der überspringt und die ursprüngliche Kraft des Evangeliums neu erweckt.“ (10f) Doch ein Seelsorger, dem man die Last des Amtes bereits ansehe, könne kein Feuer der Begeisterung entzünden. Und das Tragische: Obwohl viele Menschen nach Formen gelebter Spiritualität, nach Zugehörigkeit und Heimat suchten, fühle sich in der institutionellen Religion kaum noch einer wirklich zu Hause.

Doch statt über fehlenden Nachwuchs in Seminaren und Noviziaten zu klagen, empfiehlt der Kappuziner eine Gewissenserforschung: Ist das Miteinander in Kloster und Kirche von echter Nähe und gegenseitiger Wertschätzung getragen? Wie kann die Dynamik des Ursprungs neu geweckt werden? Wie steht es um die Authentizität, Echtheit und Glaubwürdigkeit? Wo liegt der Schwerpunkt der Diskussionen um die Zukunft: bei den großen Vorbildern, den großen Aufgaben, den Satzungen und Strukturen oder bei der Lebensgeschichte der Einzelnen? Der Verfasser erinnert an die Wurzeln des Mönchtums und das Potenzial des franziskanischen Ursprungs: „Das Programm des Heiligen [Franziskus] wäre die Lösung für die Fragen, die um Frieden, Armut und Bewahrung der Schöpfung, ebenso um die geistige Orientierungslosigkeit der modernen Gesellschaft kreisen.“ (48)

In mehreren Kapiteln stellt er „erprobte Methoden und hilfreiche Wege“ zur Bewältigung der Krise vor, darunter die Exerzitien des Ignatius von Loyola, Ansätze der Psychoanalyse und Psychotherapie von C. G. Jung oder die von Ruth Cohn entwickelte Methode der Themenzentrierten Interaktion (TZI) sowie die östliche Zen-Meditation nach P. Hugo M. Enomiya Lassalle SJ und Karlfried Graf Dürckheim. Für Kreppold sind dies Möglichkeiten, um die „verschlossenen Innenräume“ wieder zu öffnen: „Sie [die Orden] könnten dann überleben, sogar neu aufblühen, wenn sie als Erstes auf die Sinnsuche und Vertiefung des modernen Menschen eingehen, die erfolgreichen Wege aufgreifen und das Religiöse als solches erschließen. Unter dieser Voraussetzung könnten die Räume und die Strukturen eines Klosters mit neuem Leben gefüllt und eine Lebensqualität angeboten werden, für die sich ein Verzicht auf vieles andere lohnt.“ (146) Der Blick dürfe sich nicht vom Mangel, vom Rückgang und Ausbleiben der Berufungen oder von den einst glorreichen Zeiten trüben lassen. Einen Neuaufbruch werde es nur dann geben, „wenn jeder, den die Sorge darüber umtreibt, seinen eigenen Anteil an Enttäuschung, Vereinsamung und Verwundung erkennt und austrägt“ (164). 

Ein engagiertes Buch, das für neue Formen kirchlichen Lebens öffnen und ermutigen will, das Empfehlungen gibt, ohne auf bestimmte Traditionen fixiert zu sein. Hoffnung, so Kreppold, erwachse nicht aus den Strukturen, sondern allein aus der Dynamik des Geistes Gottes, immer wieder aufzubrechen und zu gestalten. Bei einem solchen Plädoyer könnte man den Buchtitel auch umkehren: Der Untergang der Verwaltung. Neue Hoffnung für Klöster und Kirche!

Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag. 2017
175 Seiten
16,00 €
ISBN 978-3-7365-0076-1

 

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